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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 390 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

ner spürbaren Wettbewerbsverfälschung zu vermuten. Da<br />

jedoch das Merkmal der Begünstigung (Selektivität) des<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV sehr weit ausgelegt wird, erscheint<br />

eine pauschale Vermutung nicht in allen Konstellationen<br />

gerechtfertigt. So werden auch Maßnahmen als<br />

Beihilfen qualifiziert, die allen Unternehmen einer Region<br />

oder einer bestimmten Größe zugute kommen. Entsprechendes<br />

gilt für Maßnahmen, die horizontal ausgestaltet<br />

sind und Unternehmen aus ganz unterschiedlichen<br />

Branchen begünstigen.<br />

1105. Eine Vermutung der Wettbewerbsverfälschung<br />

kann bei Rettungsbeihilfen für Unternehmen, die sich in<br />

Schwierigkeiten befinden, angenommen werden. Hier ist<br />

die Gefahr einer ineffizienten Förderung zulasten effizienter<br />

Wettbewerber als besonders hoch anzusehen. Entsprechendes<br />

gilt bei Beihilfen zugunsten von Sektoren, in denen<br />

erhebliche Überkapazitäten bestehen (Umstrukturierungsbeihilfen).<br />

Diese Beihilfen können zum Erhalt der ineffizienten<br />

Marktstrukturen beitragen. Für derartige Beihilfen<br />

wäre auf Rechtfertigungsebene näher zu untersuchen,<br />

ob die Maßnahme ausnahmsweise infolge eines Marktversagens<br />

(Anpassungsmängel) oder aus außerökonomischen<br />

Gründen (insbesondere sozialer Art) zulässig ist.<br />

1106. Die Monopolkommission empfiehlt, bei allen übrigen<br />

Beihilfenformen einen Spürbarkeitstest innerhalb des<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV durchzuführen. Hierbei könnten<br />

Elemente des sog. „significant impact test“ (SIT) verwendet<br />

werden, dessen Einführung die EU-Kommission im<br />

Jahr 2003 geplant hatte, um sich künftig besser auf die<br />

problematischen Wettbewerbsverzerrungen konzentrieren<br />

zu können. 239 Der SIT der EU-Kommission ist aufgrund<br />

des Widerstands der Mitgliedstaaten nicht verwirklicht<br />

worden, da sie sich insbesondere nicht auf die darin vorgesehene<br />

Positivliste einigen konnten. In dieser Liste<br />

wurden bestimmte, vorher festgelegte Branchen aufge-<br />

239 Der SIT sah ein neues Konzept für die Bewertung staatlicher Beihilfen<br />

von geringerem Umfang und bestimmter Beihilfen mit begrenzten<br />

Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel vor und<br />

setzte sich letztlich aus zwei verschiedenen Tests zusammen, dem<br />

LASA-Test und dem LET-Test. Eine Beihilfenkontrolle sollte unterbleiben,<br />

wenn die betreffende Maßnahme die Kriterien eines dieser<br />

beiden Tests erfüllte.<br />

Innerhalb des LASA-Tests (limited amount of state aid test) sollte<br />

– ähnlich wie in der De-minimis-Verordnung – an die niedrige Höhe<br />

der gewährten Beihilfe angeknüpft werden. Außerdem sollten einige<br />

zusätzliche Voraussetzungen aufgestellt werden. Der Test sollte unabhängig<br />

vom betroffenen Sektor gelten und beinhaltete die folgenden<br />

Kriterien:<br />

– Die Beihilfe ist unmittelbar auf die zurechenbaren Kosten eines im<br />

gemeinsamen Interesse liegenden, definierten Ziels gerichtet (z. B.<br />

FuE, Umweltschutz).<br />

– Die Beihilfenintensität, d.h. der Anteil der Förderung an den Gesamtausgaben<br />

des jeweiligen Projekts, beträgt nicht mehr als<br />

30 Prozent.<br />

– Es wird maximal 1 Mio. Euro an ein einzelnes Unternehmen innerhalb<br />

von drei Jahren gewährt.<br />

– Die Beihilfen werden in ein nationales Register eingetragen.<br />

– Für die Gesamthöhe der aufgrund von LASA gewährten Beihilfen<br />

wird eine maximale Obergrenze für jeden Mitgliedstaat festgelegt,<br />

die nicht überschritten werden darf.<br />

Unter diesen Voraussetzungen sollte nach dem LASA-Test die Vermutung<br />

gelten, dass eine Beihilfe nur begrenzte Auswirkungen auf<br />

Wettbewerb und Handel hat und deshalb keine Beihilfenkontrolle<br />

durch die EU-Kommission erforderlich ist.<br />

führt, bei denen spürbare grenzüberschreitende Auswirkungen<br />

als unwahrscheinlich gelten sollten.<br />

1107. Nach Ansicht der Monopolkommission spricht gegen<br />

die Einführung einer solchen Positivliste, dass sie ein<br />

inflexibles Instrument darstellt und die Gefahr der<br />

Lückenhaftigkeit besteht. Sinnvoll könnte es indes sein,<br />

in Anlehnung an den SIT der EU-Kommission darauf abzustellen,<br />

dass<br />

– die Beihilfe nicht von vornherein auf ein bestimmtes<br />

Unternehmen oder einen bestimmten Sektor beschränkt<br />

ist,<br />

– die Beihilfengewährung, die ein einzelnes Unternehmen<br />

innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren erhält,<br />

den Betrag von 1 Mio. Euro nicht überschreitet,<br />

– die Beihilfe tätigkeitsbezogen vergeben wird und die<br />

Beihilfenintensität, d. h. der Anteil der Förderung an<br />

den Gesamtausgaben des jeweiligen Projekts, nicht<br />

mehr als 30 Prozent beträgt und<br />

– die Zuwendung in einem offenen Verfahren vergeben<br />

wird. Dies bedeutet, dass die Zuwendung bei allgemeinen<br />

Beihilfenregelungen allen Unternehmen zugänglich<br />

sein muss, die bestimmte Kriterien erfüllen,<br />

und bei Individualbeihilfen transparente Ausschreibungsverfahren<br />

durchzuführen sind.<br />

1108. Darüber hinaus sollten in der Beihilfenkontrolle<br />

die Marktanteile und der sich hieraus ergebende Konzentrationsgrad<br />

als Hilfsinstrument bei der Identifizierung einer<br />

Wettbewerbsverfälschung herangezogen werden. In<br />

Anlehnung an die Werte, welche die EU-Kommission in<br />

ihren Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüssen<br />

benannt hat, könnten als Orientierungsmaßstab<br />

eine Marktanteilsschwelle von 25 Prozent und ein HHI<br />

von 1 000 zugrunde gelegt werden. 240<br />

1109. Bei einer Beihilfe zugunsten etablierter marktstarker<br />

Unternehmen besteht die Gefahr, dass diese ihren<br />

Vorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen weiter<br />

vergrößern können. Darüber hinaus wird der Markteintritt<br />

für Newcomer erschwert und die Durchführung von Verdrängungspraktiken<br />

erleichtert. Je höher die Marktkonzentration<br />

ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass der<br />

Wettbewerb durch eine Beihilfe an etablierte Unterneh-<br />

240 Der LET-Test (limited effect on trade) sollte anders als der LASA-<br />

Test keine Obergrenze vorsehen und auch höhere Beihilfenbeträge<br />

mit einbeziehen. Kennzeichen dieses Tests waren:<br />

– In einer Positivliste werden bestimmte, vorher festgelegte Branchen<br />

aufgeführt, bei denen signifikante grenzüberschreitende Auswirkungen<br />

unwahrscheinlich sind, d. h. Branchen, die keinem intensiven<br />

Wettbewerb auf Gemeinschaftsebene ausgesetzt sind.<br />

– Die Zuwendung muss in einem offenen Verfahren vergeben werden:<br />

Bei allgemein-abstrakten Beihilfenregelungen muss die Zuwendung<br />

allen Unternehmen offen stehen, die bestimmte Kriterien<br />

erfüllen, bei Individualbeihilfen muss ein transparentes Ausschreibungsverfahren<br />

stattfinden.<br />

– Die Beihilfenintensität darf 30 Prozent nicht überschreiten.<br />

240 Vgl. EU-Kommission, Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse<br />

gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen,<br />

ABl. EU Nr. C 31 vom 5. Februar<br />

2004, S. 5, hier: S. 7, Rn. 18 f.

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