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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 389 – Drucksache 16/10140<br />

dahl-Hirschman-Index (HHI) ab, um die Konzentration<br />

auf dem jeweiligen Markt vor und nach der Fusion zu ermitteln.<br />

233 Bei der sachlichen und räumlichen Marktabgrenzung<br />

bringt die EU-Kommission Preiskorrelationsanalysen,<br />

die Schockanalyse 234 sowie insbesondere den<br />

sog. hypothetischen Monopolistentest (SSNIP-Test –<br />

small but significant non-transitory increase in price) 235<br />

zum Tragen. 236 Zudem verwendet die EU-Kommission<br />

Simulationsmodelle zur direkten Erfassung der Auswirkungen<br />

eines Zusammenschlusses auf die Preise, die<br />

Mengen und die Wohlfahrt, insbesondere bei Fusionen<br />

von Herstellern differenzierter Güter. 237<br />

Beihilfenrecht<br />

1100. Sofern auf Rechtfertigungsebene eine eingehende<br />

Vereinbarkeitsprüfung erfolgt, will die EU-Kommission<br />

künftig komplexe ökonomische Analysen durchführen,<br />

die sie bisher nicht eingesetzt hat. Dies gilt insbesondere<br />

für das Kriterium des Anreizeffekts. Anders als bei den<br />

kartellrechtlichen Verbotstatbeständen beabsichtigt die<br />

EU-Kommission dagegen nicht, auf Tatbestandsebene<br />

(Artikel 87 Abs. 1 EGV) neue ökonomische Untersuchungsmethoden<br />

anzuwenden. Vielmehr soll es – vorerst –<br />

bei der kursorischen Prüfung bleiben, die noch erheblich<br />

hinter den Maßstäben des im EU-Kartellrecht im Vorfeld<br />

des more economic approach verwendeten Strukturansatzes<br />

(form-based approach) zurückbleibt.<br />

7. Vorschläge der Monopolkommission<br />

7.1 Ökonomischer Ansatz bei Artikel 87 EGV<br />

1101. Die Monopolkommission spricht sich dafür aus,<br />

das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung innerhalb des<br />

Verbotstatbestands des Artikel 87 Abs. 1 EGV stärker<br />

ökonomisch auszulegen. Sie empfiehlt, ebenso wie bei<br />

der kartellrechtlichen Bestimmung des Artikel 81 Abs. 1<br />

EGV, die objektive Eignung einer Beihilfe zur spürbaren<br />

233 Der HHI beschreibt die Summe der quadrierten Marktanteile der Unternehmen<br />

im relevanten Markt.<br />

234 Insoweit werden Ereignisse und Schocks auf dem fraglichen Markt<br />

in der Vergangenheit (wie die Einführung eines neuartigen Produkts)<br />

zur Beurteilung des Marktes herangezogen, vgl. Schwalbe, U.,<br />

Zimmer, D., Kartellrecht und Ökonomie, Frankfurt a.M. 2006, S. 133 f.<br />

235 Im Rahmen dieses Tests wird untersucht, ob die Kunden der Zusammenschlussbeteiligten<br />

als Reaktion auf eine angenommene kleine,<br />

bleibende Erhöhung der relativen Preise (im Bereich zwischen 5 und<br />

10 Prozent) für die betrachteten Produkte und Gebiete auf leicht verfügbare<br />

Substitute ausweichen werden oder nicht. Ist die Substitution<br />

so groß, dass sich eine Preiserhöhung aufgrund des damit einhergehenden<br />

Absatzrückgangs nicht lohnen würde, werden in den sachlich<br />

und räumlich relevanten Markt weitere Produkte einbezogen und<br />

zwar so lange, bis eine geringe, dauerhafte Preiserhöhung einträglich<br />

wäre. Vgl. hierzu näher Schwalbe, U., Zimmer, D., a. a. O., S. 104 f.<br />

236 Vgl. näher Christiansen, A.: Der „more economic approach“ in der<br />

EU-Fusionskontrolle, Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 55, 2006,<br />

S. 150–174, 153 sowie Brinker, I., Praktische Probleme der Marktabgrenzung<br />

aus rechtlicher Sicht, in: Schwarze, J. (Hrsg.): Recht und<br />

Ökonomie im Europäischen Wettbewerbsrecht, Baden-Baden 2006,<br />

S. 41–52, 47 f.<br />

237 Vgl. hierzu näher Schwalbe, U., Zimmer, D., a. a. O., S. 211 f.; vgl.<br />

auch Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O., Tz.<br />

684; vgl. hierzu ferner Rn. 29 der Leitlinien zu horizontalen Zusammenschlüssen<br />

der EU-Kommission zur Ermittlung möglicher unilateraler<br />

(einseitiger) Effekte eines Zusammenschlusses.<br />

Wettbewerbsverfälschung innerhalb des Artikel 87 Abs. 1<br />

EGV zu prüfen.<br />

1102. Innerhalb des Beihilfenverbots des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV wird bislang lediglich bei dem Merkmal der<br />

„Begünstigung“ und dem hier maßgeblichen „private investor<br />

test“ eine fundierte ökonomische Analyse durchgeführt.<br />

Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung wird<br />

hingegen in der Regel keiner differenzierten ökonomischen<br />

Beurteilung unterzogen. Hier nimmt die EU-Kommission<br />

lediglich eine pauschale sektorspezifische Untersuchung<br />

vor, die deutlich hinter den Maßstäben<br />

zurückbleibt, die im EU-Kartellrecht traditionell angewendet<br />

wurden und welche die EU-Kommission dort nun<br />

im Rahmen des more economic approach durch stärker<br />

ökonomisch fundierte Kriterien ersetzen möchte. Auch<br />

eine „Spürbarkeit“ der Wettbewerbsverfälschung wird in<br />

der Beihilfenkontrolle – anders als bei der kartellrechtlichen<br />

Bestimmung des Artikel 81 EGV – nicht als ungeschriebenes<br />

Merkmal verlangt. Weder im State Aid<br />

Action Plan noch in den bisherigen Umsetzungsmaßnahmen<br />

ist eine Änderung dieser Praxis vorgesehen. Der<br />

more economic approach der EU-Kommission setzt vielmehr<br />

erst auf der Ebene der Rechtfertigung an, bei welcher<br />

der Mitgliedstaat die Beweislast trägt. Auf dieser<br />

Ebene wird untersucht, ob eine Beihilfe ausnahmsweise<br />

genehmigt werden kann (Artikel 87 Abs. 3 EGV). Dies<br />

ist nicht überzeugend, da das europäische Beihilfenverbot<br />

nur dann eingreift und ein Einschreiten der EU-Kommission<br />

als Kontrollinstanz rechtfertigt, wenn eine drohende<br />

Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt zuvor<br />

festgestellt worden ist (Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe g<br />

EGV). Nach Ansicht der Monopolkommission sollte bei<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV die objektive Eignung einer Beihilfe<br />

zur spürbaren Wettbewerbsverfälschung geprüft<br />

werden. Diese Vorgehensweise wäre mit einer Beschränkung<br />

des Anwendungsbereichs der von der EU-Kommission<br />

durchgeführten Beihilfenaufsicht verbunden und<br />

müsste durch die Einführung einer komplementären Beihilfenkontrolle<br />

auf nationaler Ebene und durch private<br />

Klagebefugnisse flankiert werden. 238<br />

1103. In Bezug auf das Merkmal der zwischenstaatlichen<br />

Handelsbeeinträchtigung des Artikel 87 Abs. 1 EGV<br />

sollte – ebenfalls wie im Kartellrecht – als ungeschriebene<br />

Voraussetzung verlangt werden, dass die Beeinträchtigung<br />

„spürbar“ ist. Auf diese Weise kann vermieden<br />

werden, dass sich der Anwendungsbereich des<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV auch auf Sachverhalte von geringer<br />

zwischenstaatlicher Bedeutung mit lediglich lokalem<br />

Schwerpunkt erstreckt. Dies erscheint sachgerecht, da die<br />

Beihilfenkontrolle ebenso wie das Kartellrecht auf den<br />

Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt (Artikel 3<br />

Abs. 1 Buchstabe g EGV) ausgerichtet ist. Lediglich eine<br />

begründete Gefahr negativer grenzüberschreitender Auswirkungen<br />

vermag somit eine Kontrolle und ein Verbot<br />

von Beihilfen auf europäischer Ebene auszulösen.<br />

1104. Die nachfolgenden Ausführungen enthalten Anregungen<br />

der Monopolkommission, wie die beschriebenen<br />

Ziele erreicht werden könnten. Generell erscheint es<br />

sachgerecht, bei bestimmten Beihilfen das Vorliegen ei-<br />

238 Vgl. dazu näher die Abschnitte 4.3 sowie 7.4.

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