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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 388 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

n o c h Übersicht VI.3<br />

Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung<br />

– unmittelbar anwendbar durch Mitgliedstaaten<br />

– höhere Anforderungen für Rechtsanwender (Nachweis<br />

Anreizeffekt)<br />

– keine Anmeldepflicht<br />

Einzelfallprüfung<br />

– Anmeldepflicht<br />

– denkbare Varianten,<br />

– soweit in Leitlinien vorgesehen:<br />

a) schnelleres Prüfverfahren, bei dem (auch) mit<br />

Vermutungstatbeständen gearbeitet wird<br />

b) aufwendiges Prüfverfahren unter konkreter<br />

Durchführung des Abwägungstests<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

6.3.2.4 Berücksichtigung nachgewiesener<br />

Effizienzvorteile<br />

Kartellrecht<br />

1097. Die EU-Kommission bezweckt mit dem more economic<br />

approach im Kartellrecht, dass Effizienzvorteile<br />

durchgehend berücksichtigt werden können. Der EG-Vertrag<br />

sieht eine Berücksichtigung von Effizienzvorteilen,<br />

also möglichen Wohlfahrtsgewinnen, in Artikel 81 Abs. 3<br />

EGV ausdrücklich vor, sofern die Verbraucher angemessen<br />

beteiligt werden. 229 Artikel 82 EGV enthält keine Artikel<br />

81 Abs. 3 EGV entsprechende Bestimmung. Im Urteil<br />

British Airways vom 15. März 2007 hat der EuGH<br />

zunächst die nachteilige Verdrängungswirkung der von<br />

British Airways praktizierten Rabatt- und Prämienregelung<br />

festgestellt und dann die Geltendmachung von Effizienzvorteilen<br />

als Einwand innerhalb des Artikel 82 EGV<br />

ausdrücklich zugelassen. 230 In dieser Hinsicht bedeutet<br />

das Urteil British Airways – anders als in der Leitbildfrage<br />

– einen Erfolg für den more economic approach der<br />

EU-Kommission. Grundlage dieser Rechtsprechung ist<br />

die Annahme, dass Marktverhalten eine Doppelwirkung,<br />

229 Laut Artikel 81 Abs. 3 EGV können solche Vereinbarungen vom<br />

Kartellverbot ausgenommen werden, die „unter angemessener Beteiligung<br />

der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung<br />

der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des<br />

technischen und wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne dass<br />

den beteiligten Unternehmen a) Beschränkungen auferlegt werden,<br />

die für die Verwirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind, oder<br />

b) Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der<br />

betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.“ Die Beweislast<br />

für die Erfüllung der Freistellungsvoraussetzungen des Artikel 81<br />

Abs. 3 EGV liegt bei den Unternehmen, die sich auf diese Bestimmung<br />

berufen (Artikel 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003).<br />

230 EuGH, Urteil vom 15. März 2007, Rs. C 95/04, British Airways,<br />

Rn. 86.<br />

d. h., sowohl wettbewerbsbeschränkende als auch wohlfahrtsfördernde<br />

Auswirkungen, haben kann. 231<br />

In der Fusionskontrolle sind Effizienzvorteile seit der im<br />

Jahr 2004 im Lichte des more economic approach durchgeführten<br />

Reform von Bedeutung. 232 Wie die EU-Kommission<br />

in ihren Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse<br />

ausführt, berücksichtigt sie bei ihrer Gesamtbewertung eines<br />

Zusammenschlusses alle nachgewiesenen Effizienzvorteile.<br />

Diese müssten den Verbrauchern zugute kommen,<br />

fusionsspezifisch und überprüfbar sein.<br />

Beihilfenrecht<br />

1098. Einen Effizienzeinwand, der mit demjenigen im Bereich<br />

der kartellrechtlichen Wettbewerbsregeln identisch<br />

ist, will die EU-Kommission im Bereich der Beihilfenkontrolle<br />

nicht zulassen. Dies wäre im Bereich der Beihilfenkontrolle<br />

auch nicht möglich, da hier die Verursacher möglicher<br />

Wettbewerbsbeschränkungen nicht Unternehmen,<br />

sondern staatliche Hoheitsträger sind. Das Marktversagenskriterium<br />

kann jedoch als eine Art Effizienzeinwand<br />

im Bereich der staatlichen Beihilfen bezeichnet werden.<br />

Denn der Tatbestand des Marktversagens, der künftig innerhalb<br />

der Vereinbarkeitsprüfung nach Artikel 87 Abs. 3<br />

EGV eine zentrale Rolle spielen soll, ist nach der Definition<br />

der EU-Kommission dann gegeben, wenn der Markt<br />

kein wirtschaftlich effizientes Ergebnis hervorbringt. Ferner<br />

tragen die Mitgliedstaaten – wie stets im Rahmen des<br />

Artikel 87 Abs. 3 EGV – die Beweislast dafür, dass ein hinreichendes<br />

Marktversagen im Sinne des dreistufigen Abwägungstests<br />

vorliegt. Da die Beweislast für das Vorliegen<br />

eines Marktversagens bei den Mitgliedstaaten liegt und<br />

dieser Beweis sich nicht leicht führen lässt, dürfte der von<br />

der EU-Kommission im Beihilfenrecht angestrebte more<br />

economic approach nicht automatisch eine positivere Bewertung<br />

von Beihilfen und eine exzessivere Vergabepraxis<br />

zur Folge haben. Vielmehr ist mit einer restriktiveren Beihilfenkontrolle<br />

zu rechnen.<br />

6.3.2.5 Ökonomische Untersuchungsmethoden<br />

Kartellrecht<br />

1099. Im Zuge des von ihr angestrebten more economic<br />

approach setzt die EU-Kommission in ihrer Entscheidungspraxis<br />

verstärkt industrieökonomische Modelle und<br />

quantitative Untersuchungsmethoden ein. So stellt die<br />

EU-Kommission auf den in der US-amerikanischen Fusionskontrolle<br />

bereits seit Längerem verwendeten Herfin-<br />

231 Demgegenüber hat die European Advisory Group on Competition<br />

Policy (EAGCP), bei der es sich um ein Gremium unabhängiger Wissenschaftler<br />

handelt, das die Generaldirektion Wettbewerb berät, vorgeschlagen,<br />

dass etwaige pro-kompetitive Effekte in der Missbrauchskontrolle<br />

bereits von vornherein durch die EU-Kommission<br />

untersucht und berücksichtigt werden sollten, Vgl. European Advisory<br />

Group on Competition Policy (EAGCP, Gual, J., Hellwig, M.,<br />

Perrot, A., Rey, P., Schmidt, K., Stenbacka, R.), „An economic approach<br />

to Article 82“, EAGCP: http://www.europa.eu.int/comm/<br />

competition/publications/studies/ eagcp_july_21_05.pdf.<br />

232 Vgl. Fusionskontrollverordnung, Rn. 29, sowie die Ausführungen<br />

der EU-Kommission in den Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse<br />

Rn. 76-88, sowie in den Leitlinien für nichthorizontale Zusammenschlüsse<br />

(Leitlinien für die Fusion von vertikal oder konglomerat<br />

miteinander verbundenen Unternehmen), Rn. 53.

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