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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 386 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

kommt. Ferner kann eine fortwährende Beihilfenvergabe<br />

durch die dauerhafte Veränderung der relativen Preise gesamtwirtschaftliche<br />

Verzerrungen nach sich ziehen und<br />

Fehlallokationen der Ressourcen verursachen. Die Monopolkommission<br />

begrüßt es daher, dass die EU-Kommission<br />

offenbar nicht beabsichtigt, im Beihilfenbereich einen<br />

Konsumentenwohlfahrtsstandard in der Form zu<br />

etablieren, in der sie ihn im Kartellrecht befürwortet. 224<br />

1088. Wie bereits dargelegt wurde, bildet gemäß Artikel<br />

87 Abs. 1 und Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe g EGV der<br />

Schutz des Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt<br />

das maßgebliche Leitbild in der europäischen Beihilfenkontrolle.<br />

Eine fiskalpolitische Kompetenz steht der EU-<br />

Kommission im Rahmen der Artikel 87 ff. EGV nicht zu.<br />

Die EU-Kommission sollte sich daher ihrem gesetzlichen<br />

Auftrag entsprechend in der Beihilfenkontrolle darauf<br />

konzentrieren, negative Auswirkungen von Beihilfen für<br />

den grenzüberschreitenden Wettbewerb im europäischen<br />

Binnenmarkt zu verhindern oder auf das erforderliche<br />

Maß zu reduzieren. Für die Beurteilung der Frage, ob eine<br />

Beihilfe Wettbewerbsbeeinträchtigungen hervorruft, kann<br />

die kurzfristige Preisentwicklung, die infolge der Beihilfe<br />

auf den relevanten Produktmärkten aus Konsumentensicht<br />

eintritt, einer von mehreren zu berücksichtigenden<br />

Faktoren sein. Daneben ist insbesondere erheblich, in<br />

welchem Ausmaß die Beihilfe geeignet ist, die übrigen<br />

Marktteilnehmer – derselben Markstufe, der vor- und<br />

nachgelagerten Marktstufen sowie auf benachbarten<br />

Märkten – zu beeinträchtigen und grenzüberschreitend in<br />

das Marktgeschehen einzugreifen.<br />

6.3.2.2 Auswirkungsansatz (effects-based<br />

approach)<br />

Kartellrecht<br />

1089. Im Zuge der Einführung des Konsumentenwohlfahrtsstandards<br />

als Leitbild verfolgt die EU-Kommission<br />

mit der Ausrichtung des europäischen Wettbewerbsrechts<br />

im Lichte eines more economic approach im Kartellrecht<br />

das Ziel, einen Auswirkungsansatz (effects-based approach)<br />

im Gegensatz zu dem traditionellen strukturorientierten<br />

Ansatz (form-based approach) zu etablieren. 225<br />

Nach dem Strukturansatz kommt es maßgeblich auf die<br />

Sicherung einer funktionsfähigen Wettbewerbsstruktur<br />

an. Eine abstrakte Gefährdung genügt, um einen wettbewerbsbehördlichen<br />

Eingriff zu rechtfertigen. Bei der Ver-<br />

224 In einem Fachgespräch zwischen den Mitgliedern der Monopolkommission<br />

und Vertretern der Generaldirektion Wettbewerb am<br />

10. April 2008 in Bonn haben diese bestätigt, dass die EU-Kommission<br />

im Beihilfenrecht nicht den im Kartellrecht verwendeten Konsumentenwohlfahrtsstandard<br />

heranzuziehen beabsichtigt und insoweit<br />

dargelegt: „Even leaving equity considerations aside, State aid assessment<br />

focuses on the effect of the aid on rivals and on the competitive<br />

process rather than measuring the direct effect on consumers.<br />

Such a focus is justified by the fact that if efficient rivals are weakened<br />

by aid measures, effective competition may be hindered with the<br />

result that allocative efficiency is reduced in the long run.“<br />

225 Vgl. Albers, M. (Mitglied der GD Wettbewerb), Der more economic<br />

approach bei Verdrängungsmissbräuchen: Zum Stand der Überlegungen<br />

der Europäischen Kommission, S. 2 f.; http://ec.europa.eu/<br />

comm/ competition/antitrust/art82/index.html.<br />

wendung struktureller Merkmale ist der Nachweis einer<br />

Zuwiderhandlung regelmäßig leichter möglich als bei Zugrundelegung<br />

des Auswirkungsansatzes, bei dem auf die<br />

konkreten Wirkungen einer Maßnahme abgestellt wird.<br />

Nach dem Auswirkungsansatz müssen in kritischen Einzelfällen<br />

mehr Informationen als bisher einbezogen werden,<br />

um eine Untersagung zu rechtfertigen.<br />

1090. Der Auswirkungsansatz spiegelt sich in der Formulierung<br />

jüngerer Sekundärrechtsvorschriften sowie in<br />

den Leitlinien der EU-Kommission wider, in welchen<br />

diese die Grundzüge ihrer eigenen Rechtsanwendungspraxis<br />

offen legt und sich insoweit selbst bindet (soft<br />

law). 226 Der Auswirkungsansatz soll nach dem Willen der<br />

EU-Kommission in der Einzelfallpraxis eine maßgebliche<br />

Rolle spielen. Demnach sind die Effekte für das Marktergebnis<br />

in problematischen Fällen unter Einsatz industrieökonomischer<br />

Modelle und quantitativer Untersuchungsmethoden<br />

umfassend zu untersuchen. Dem Leitbild des<br />

Konsumentenwohlfahrtsstandards folgend, soll maßgeblich<br />

sein, ob die jeweiligen Auswirkungen gegebenenfalls<br />

vorteilig für die Verbraucher sind, wobei die tatsächlichen<br />

wie auch die wahrscheinlichen Auswirkungen in Betracht<br />

zu ziehen sind. 227 So kommt es etwa bei der Beurteilung<br />

einer Fusion maßgeblich darauf an, wie sich im Falle des<br />

Zusammenschlusses die Preise voraussichtlich entwickeln<br />

werden. Veränderungen der Marktstruktur oder die<br />

Form einer Wettbewerbshandlung sollen insoweit von<br />

Bedeutung sein, als mit ihnen Aussagen über die Folgen<br />

für die Verbraucher verbunden werden können. 228<br />

Beihilfenrecht<br />

1091. Weder der State Aid Action Plan noch die bisher<br />

ergangenen Umsetzungsmaßnahmen sehen vor, dass die<br />

EU-Kommission bereits auf der Ebene des Tatbestands<br />

– Artikel 87 Abs. 1 EGV – die ökonomischen Auswirkungen<br />

auf den Wettbewerb näher untersucht. Die bisherige<br />

Praxis, nach der innerhalb des Artikel 87 Abs. 1 EGV<br />

bei den Merkmalen der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen<br />

Handels und der Wettbewerbsverfälschung lediglich<br />

eine pauschale ökonomische Prüfung ohne genaue<br />

Marktabgrenzung vorgenommen wird, wird nicht aufgegeben.<br />

Diese Praxis der EU-Kommission wurde in der<br />

Vergangenheit von den europäischen Gerichten gedeckt.<br />

Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an die ökonomische<br />

Beweisführung der EU-Kommission im Beihilfenrecht<br />

stellt, weicht somit grundlegend von den Regeln<br />

ab, die sie insoweit innerhalb der kartellrechtlichen Verbotsbestimmungen<br />

– Artikel 81, 82 EGV sowie Artikel 2<br />

Abs. 3 FKVO – aufgestellt hat.<br />

226 Ein Beispiel bilden die Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse<br />

(ABl. EU Nr. C 31 vom 5. Februar 2004, S. 5 ) und die<br />

dortigen Ausführungen zu den nicht koordinierten Wirkungen (sog.<br />

unilateralen Effekten) in Rn. 24 ff.<br />

227 Vgl. Albers, M., a. a. O., S. 2.<br />

228 Vgl. Kommission, Leitlinien für vertikale Beschränkungen, ABl. EG<br />

Nr. C 291 vom 13. Oktober 2000, S. 1, hier. S. 3, Rn.. 7; Leitlinien<br />

zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, a. a. O., Rn. 8 f. sowie<br />

DG Competition discussion paper on the application of Article<br />

82 of the Treaty to exclusionary abuses, December 2005, Rn. 4, http:/<br />

/ec.europa. eu/comm/competition/antitrust/art82/ index.html.

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