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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 383 – Drucksache 16/10140<br />

Beihilfenart und die Marktnähe der geförderten Tätigkeit).<br />

1074. Vor dem Hintergrund, dass die Rechtfertigungsgründe<br />

in Artikel 87 Abs. 3 EGV sehr weit formuliert<br />

sind, sieht es die Monopolkommission als positiv an, dass<br />

die EU-Kommission ihr Vorgehen bei der Prüfung näher<br />

konkretisieren und auf die Besonderheiten von FuEuI-<br />

Beihilfen zuschneiden will. Hierdurch werden die Transparenz<br />

und das ökonomische Fundament der Beihilfenentscheidungen<br />

der EU-Kommission im FuEuI-Bereich<br />

im Vergleich zur früheren Praxis erhöht. Kritisch ist zu<br />

bewerten, dass die EU-Kommission die Wettbewerbssituation<br />

nicht bereits auf Tatbestandsebene (Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV), sondern erstmals auf Rechtfertigungsebene<br />

innerhalb der Vereinbarkeitsprüfung – Stufe 3 des Abwägungstests<br />

– untersucht. Vielmehr sollte – anders als nach<br />

dem Konzept der EU-Kommission und der gegenwärtigen<br />

Praxis – das Vorliegen einer grenzüberschreitenden<br />

Wettbewerbsverfälschung bereits im Vorfeld auf Tatbestandsebene<br />

ökonomisch fundiert festgestellt worden<br />

sein, bevor die EU-Kommission im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung<br />

die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer<br />

Beihilfenmaßnahme im Hinblick auf das mit ihr verfolgte<br />

ökonomische oder verteilungspolitische Ziel<br />

untersucht.<br />

1075. Nach Ansicht der Monopolkommission ist zudem<br />

zu beanstanden, dass die EU-Kommission dem Kriterium<br />

des Anreizeffekts im Vergleich zu den anderen Prüfungspunkten<br />

einen zentralen Stellenwert einräumt und den<br />

Anreizeffekt als „wichtigsten Bestandteil“ ihres Abwägungstests<br />

beschreibt. 214 Nach Auffassung der Monopolkommission<br />

sollte dieses Kriterium im Vergleich zu anderen<br />

Prüfungspunkten nicht überbewertet und nicht an<br />

einen so aufwendigen und komplexen Nachweis gebunden<br />

werden, wie dies in Kapitel 7 des FuEuI-Gemeinschaftsrahmens<br />

vorgesehen ist. Obwohl Beihilfen grundsätzlich<br />

nur vergeben werden sollten, wenn sie einen<br />

Anreiz zur Verhaltensänderung setzen, da andernfalls<br />

Mitnahmeeffekte entstehen, stellt aus wettbewerblicher<br />

Sicht das bloße Nichtvorhandensein eines Anreizeffekts<br />

keinen Beleg für das Vorliegen einer Wettbewerbsbeeinträchtigung<br />

dar. Falls die Beihilfe keine Verhaltensänderung<br />

in Bezug auf das geförderte Projekt bewirkt, bedeutet<br />

dies, dass das begünstigte Unternehmen ohne die<br />

Beihilfe keine anderen Preis- oder Mengenentscheidungen<br />

auf den betrachteten Märkten getroffen und insoweit<br />

gerade keine Wettbewerbsverzerrung hervorgerufen<br />

hätte. Zwar kann umgekehrt aus dem Fehlen eines Anreizeffekts<br />

nicht auf das Fehlen einer Wettbewerbsverfälschung<br />

geschlossen werden, da ein Unternehmen langfristig<br />

betrachtet die Ressourcen, die ihm durch die<br />

Beihilfengewährung zur Verfügung gestellt werden und<br />

sein Betriebsergebnis begünstigen, einsetzen kann, um<br />

– etwa auf benachbarten Märkten – einen Wettbewerbsvorsprung<br />

zu erzielen. Innerhalb der von der EU-Kommission<br />

auf den Schutz des grenzüberschreitenden Wettbewerbs<br />

ausgerichteten Abwägungsprüfung stellt das<br />

214 Vgl. Ziff. 7.3.3. FuEuI-Gemeinschaftsrahmen.<br />

Kriterium des Anreizeffekts jedoch kein geeignetes Prüfkriterium<br />

dar.<br />

1076. Wenn die Funktionsweise eines bestimmten Marktes<br />

gravierenden Einschränkungen unterliegt, führt ein<br />

unverfälschter Wettbewerb in allokativer Hinsicht nicht<br />

zu effizienten Ergebnissen. Die EU-Kommission sollte<br />

jedoch im Rahmen der Vereinbarkeitsprüfung näher untersuchen,<br />

inwiefern das jeweilige Marktversagen spezifisch<br />

und wirksam durch die Beihilfe beseitigt werden<br />

kann und ob offensichtlich mildere Mittel zur Verfügung<br />

stehen, die den Wettbewerb weniger verzerren. Denn<br />

auch wenn ein Marktversagen vorliegt, bedeutet dies<br />

nicht automatisch, dass die Situation durch einen staatlichen<br />

Eingriff verbessert wird. Vielmehr besteht die Gefahr,<br />

dass Beihilfen aufgrund staatlicher Fehleinschätzung<br />

die gewünschte Wirkung verfehlen und die Wettbewerbssituation<br />

nachteilig verändern. Die EU-Kommission<br />

sollte daher auch überprüfen, ob gegebenenfalls<br />

mehrere Marktversagenstatbestände vorliegen und sich<br />

die Wettbewerbssituation – falls nur ein Marktversagen<br />

durch eine Beihilfe gezielt bekämpft wird – durch den<br />

staatlichen Eingriff voraussichtlich verschlechtert (Second-best-Problematik).<br />

6.3 Kennzeichen des more economic<br />

approach in der Beihilfenkontrolle<br />

6.3.1 Ursprünge des more economic<br />

approach im EU-Wettbewerbsrecht<br />

1077. Unter Berufung auf einen more economic<br />

approach hat die EU-Kommission zunächst nur die schrittweise<br />

Neuausrichtung im Bereich der unternehmensbezogenen<br />

Wettbewerbsbestimmungen (Kartellrecht 215 )<br />

angestrebt. Hier liegen die Ursprünge des neuen Reformansatzes<br />

der EU-Kommission, der sich auf mehrere<br />

Ebenen und Fragestellungen erstreckt:<br />

– die Frage nach dem maßgeblichen Leitbild,<br />

– die Frage, wie die Typisierung von Recht bzw. Leitlinien<br />

(soft law/policy) erfolgen sollte, und<br />

– die Frage, welche ökonomischen Erkenntnisse und<br />

Methoden in Einzelfallentscheidungen zugrunde gelegt<br />

werden sollten.<br />

Der Begriff des more economic approach ist somit vielschichtig<br />

und seine Realisierung im Wettbewerbsrecht in<br />

unterschiedlichen Ausprägungen denkbar. Eine allgemein<br />

gültige Definition gibt es nicht. Nachfolgend soll der Ansatz,<br />

den speziell die EU-Kommission unter Bezugnahme<br />

auf den Begriff des more economic approach verfolgt, näher<br />

charakterisiert werden. Die Ziele, die die EU-Kommission<br />

dabei im Kartellrecht verfolgt, lassen sich wie<br />

folgt zusammenfassen:<br />

– Ausrichtung der kartellrechtlichen Wettbewerbsregeln<br />

auf den Schutz der Konsumentenwohlfahrt,<br />

215 Der Begriff „Kartellrecht“ wird in diesem Sonderkapitel in einem<br />

weiten Sinn verwendet und erfasst auch die Bereiche der Missbrauchs-<br />

und Fusionskontrolle.

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