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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 372 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

werbsbeziehung zum Beihilfenempfänger steht“ 156, und<br />

es auf der anderen Seite genügt, wenn die betreffende<br />

Beihilfe dem konkurrierenden Empfänger ein Überleben<br />

auf einem Markt erlaubt hätte, der von einer sehr begrenzten<br />

Zahl von Herstellern, einem starken Wettbewerb<br />

und hohen Überkapazitäten gekennzeichnet ist. 157 In dem<br />

bereits erwähnten Sniace-Urteil teilt der EuGH den<br />

Standpunkt der Vorinstanz, dass das Bestehen eines unmittelbaren<br />

Wettbewerbsverhältnisses kein ausreichender<br />

Nachweis für das Vorliegen einer spürbaren bzw. erheblichen<br />

Beeinträchtigung der Marktstellung sei und<br />

deshalb keine Klagebefugnis vorliege. 158<br />

1031. Klagen von Verbänden vor den Gemeinschaftsgerichten<br />

werden prinzipiell in großzügigerem Umfang als<br />

im allgemeinen deutschen Prozessrecht zugelassen. Im<br />

Beihilfenbereich können Unternehmensvereinigungen sowohl<br />

aufseiten der Beihilfenempfänger als auch aufseiten<br />

der Wettbewerber tätig werden. Eine originäre Klagebefugnis<br />

in Verfahren, bei denen ein Verband die Beeinträchtigung<br />

eigener Interessen geltend macht, wird zwar<br />

nur in engen Grenzen bejaht. 159 Ein Verband gilt jedoch<br />

nach der Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht<br />

nur dann als klagebefugt, wenn dieser ein originäres eigenes<br />

Interesse an der Klage dartun kann, sondern auch,<br />

wenn die einzelnen Unternehmen des Verbandes ihrerseits<br />

(zumindest teilweise) klagebefugt sind und der Verband<br />

als Sachwalter der individuellen Interessen seiner<br />

Mitglieder auftritt. 160 Die Klage eines Verbandes auf Seiten<br />

des Beihilfenempfängers erscheint jedoch insbesondere<br />

dann als sinnvolles und effizientes Instrument, wenn<br />

die EU-Kommission keine Einzelbeihilfe, sondern eine<br />

allgemeine Beihilfenregelung untersagt hat, von der mehrere<br />

Mitglieder des Verbandes profitiert hätten. Umgekehrt<br />

kommen Klagen eines Verbandes von Wettbewerbern<br />

vor allem in Betracht, wenn viele seiner Mitglieder<br />

von der Beihilfe, die die EU-Kommission genehmigt hat,<br />

betroffen sind. Wie bereits dargestellt, besteht die Klagebefugnis<br />

eines Verbandes, der die Interessen seiner Mitglieder<br />

stellvertretend wahrnehmen möchte, indes nur<br />

dann, wenn zumindest ein Teil der Mitglieder selbst klagebefugt<br />

im Sinne des Artikel 230 Abs. 4 EGV ist. Da die<br />

Rechtsprechung bei Klagen einzelner Privater eine sehr<br />

restriktive Linie verfolgt, wenn es um allgemeine Beihilfenregelungen<br />

geht, scheitern akzessorisch angelegte<br />

156 Vgl. EuG, Urteil vom 22. Oktober 1996, Rs. T-266/94, Skibsvaerftsforeningen/Kommission,<br />

Slg. 1996, II-1399, Rn. 45 ff.<br />

157 Vgl. EuG, Urteil vom 21. Oktober 2004, Rs. T-36/99, Lenzing/Kommission,<br />

Slg. 2004, II-3597, Rn. 81 ff.<br />

158 Vgl. EuGH, Urteil vom Urteil vom 22. November 2007, Rs. 260/05,<br />

Sniace/Kommission, Rn. 60, 70, http://curia.europa.eu/jurisp/cgibin/form.pl?lang=de.<br />

159 Nach der Rechtsprechung ist von einer eigenen Betroffenheit des<br />

Verbandes auszugehen, wenn dieser durch die angefochtene Kommissionsentscheidung<br />

in seiner Position als Verhandlungspartner<br />

beeinträchtigt wird, sofern er über maßgebliche Mitentscheidungsbefugnisse<br />

an den betreffenden nationalen oder EU-beihilfenrechtlichen<br />

Regelungen verfügt. Vgl. EuGH, Urteil vom 2. Februar 1988,<br />

Rs. 67, 68 und 70/85, Van der Kooy/Kommission, Slg. 1988, 219,<br />

Rn. 15.<br />

160 Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 1986, Rs. 282/85, DEFI/Kommission,<br />

Slg. 1986, 2469, Rn. 16; vgl. auch Soltész, U. in: Heidenhain,<br />

M. (Hrsg ), a. a. O., § 45 Rn. 4 ff.<br />

Klagen von Verbänden ebenfalls an der Hürde der Klagebefugnis<br />

nach Artikel 230 Abs. 2 EGV.<br />

1032. Die Monopolkommission bewertet die Zulassung<br />

von Verbandsklagen grundsätzlich als positiv, da diese zu<br />

einer effizienten Durchsetzung des Beihilfenrechts beitragen<br />

können. Entgegen der Rechtsprechung des EuGH<br />

sollten Klagen der Beihilfenempfänger, der Wettbewerber<br />

sowie ihrer Verbände gegen Kommissionsentscheidungen,<br />

die eine allgemeine Beihilfenregelung betreffen, zugelassen<br />

und die enge Plaumann-Formel insoweit nicht<br />

angewendet werden. Dies entspricht auch dem Standpunkt,<br />

den Generalanwalt Jacobs in seinem Schlussanträgen<br />

im Verfahren Aktionsgemeinschaft vertreten hat. 161<br />

Für die individuelle Betroffenheit eines potenziellen Beihilfenempfängers<br />

sollte lediglich verlangt werden, dass er<br />

im Falle einer Genehmigung unmittelbar anspruchsberechtigt<br />

gewesen wäre.<br />

1033. Entsprechendes gilt für Klagen von Wettbewerbern<br />

gegen eine Freigabeentscheidung der EU-Kommission,<br />

sofern feststeht, dass aufgrund der Beihilfenregelung<br />

künftig Einzelbeihilfen gewährt werden, die das Unternehmen<br />

in seiner Wettbewerbsposition beeinträchtigen.<br />

Darüber hinaus sollte bei dem Kriterium der individuellen<br />

Betroffenheit nicht an verfahrensrechtliche Aspekte angeknüpft,<br />

sondern – unabhängig von dem Verfahrensstadium,<br />

in dem die Kommissionsentscheidung gefällt<br />

wurde – auf die materielle Betroffenheit abgestellt werden.<br />

162 Für die individuelle Betroffenheit von Wettbewerbern<br />

im Sinne von Artikel 230 Abs. 4 EGV sollte nicht<br />

verlangt werden, dass diese eine tatsächliche Beeinträchtigung<br />

ihrer Wettbewerbsposition als Folge der Beihilfe<br />

konkret nachweisen. Ein solcher Kausalitätsnachweis<br />

wird in den wenigsten Fällen möglich sein und schreckt<br />

von einer Klageerhebung ab. Vielmehr sollte es genügen,<br />

dass ein Wettbewerber stichhaltig darlegt, dass er durch<br />

die Beihilfe beeinträchtigt werden kann. Aus Gründen der<br />

Verfahrensvereinfachung und Rechtssicherheit sollte eine<br />

individuelle Betroffenheit vermutet werden, wenn der<br />

Kläger nachweislich ein direkter Konkurrent des begünstigten<br />

Unternehmens ist und die Beihilfe ein näher zu definierendes<br />

Volumen, das bei Einzelbeihilfen bei 1 Mio.<br />

Euro angesetzt werden könnte, überschreitet. Das Bestehen<br />

eines konkreten und unmittelbaren Wettbewerbsverhältnisses<br />

sollte regelmäßig – entgegen der Rechtsauffassung<br />

des EuGH – als ausreichend betrachtet werden.<br />

5.4.3 Verfahren vor nationalen Gerichten<br />

1034. Im Beihilfenrecht sind nicht nur Klagen vor den<br />

Gemeinschaftsgerichten, sondern auch vor den nationalen<br />

161 Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2005, Rs. C-78/03 P, Kommission/Aktionsgemeinschaft,<br />

Slg. 2005, I-10737, Rn. 138 ff. (Schlussanträge<br />

Generalanwalt Jacobs).<br />

162 So auch Generalanwalt Jacobs, a. a. O. Auf die verfahrensrechtliche<br />

Betroffenheit allein sollte jedoch dann abgestellt werden, wenn die<br />

EU-Kommission das förmliche Prüfverfahren nicht eröffnet hat und<br />

sich das Klagebegehren eines Dritten, der seine Rechte als Beteiligter<br />

nach Artikel 20 Abs. 2 VVO infolgedessen nicht geltend machen<br />

konnte, ausschließlich darauf beschränkt, dass die EU-Kommission<br />

dazu verpflichtet wird, das förmliche Prüfverfahren zu eröffnen.

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