29.11.2012 Aufrufe

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 371 – Drucksache 16/10140<br />

1026. Auch der Vertrag von Lissabon sieht keine Verbesserung<br />

der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen allgemeine<br />

Beihilfenregelungen vor. 150 Zwar ist in Artikel 265 des<br />

EU-Reformvertrags, der an die Stelle von Artikel 230<br />

EGV treten soll, eine Ausweitung der Klagebefugnis vorgesehen.<br />

Danach können natürliche und juristische Personen<br />

künftig „gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter“<br />

der EU, „die sie unmittelbar betreffen und keine<br />

Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“, Klage erheben,<br />

ohne die individuelle Betroffenheit gesondert<br />

nachweisen zu müssen. Diese Voraussetzung ist indes bei<br />

einer Genehmigung einer allgemeinen Beihilfenregelung<br />

durch die EU-Kommission nicht erfüllt, da diese von den<br />

Mitgliedstaaten und nicht von den EU-Organen selbst erlassen<br />

wird und es zu ihrer Umsetzung zudem regelmäßig<br />

weiterer konkretisierender Durchführungsmaßnahmen<br />

– wie der Feststellung der Anspruchsberechtigung – bedarf.<br />

Bei allgemeinen Beihilfenregelungen wird daher<br />

auch nach einem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon<br />

der Nachweis einer strengen Betroffenheit erforderlich<br />

sein, an den der EuGH die dargestellten restriktiven Anforderungen<br />

der Plaumann-Formel stellt.<br />

1027. Wettbewerber des durch eine Beihilfe begünstigten<br />

Unternehmens können ebenfalls Rechtsschutz auf europäischer<br />

Ebene erlangen, falls die EU-Kommission zum<br />

Abschluss des vorläufigen oder förmlichen Prüfverfahrens<br />

das Nichtvorliegen einer Beihilfe feststellt oder eine<br />

Beihilfe genehmigt. Entscheidende Hürde für die Zulässigkeit<br />

der Klage des Wettbewerbers ist erneut das Vorliegen<br />

der individuellen Betroffenheit nach Artikel 230<br />

Abs. 4 EGV. Die Rechtsprechung der Europäischen Gerichte<br />

zum Kriterium der individuellen Betroffenheit von<br />

Dritten, die durch die Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt<br />

sein können, ist nicht stringent. Die insoweit aufgestellten<br />

Anforderungen variieren je nach Verfahrensabschnitt<br />

(vorläufiges oder förmliches Prüfverfahren) und<br />

Beihilfenform (Einzelbeihilfe oder allgemeine Beihilfenregelung).<br />

1028. Hat die Kommissionsentscheidung keine Einzelbeihilfe,<br />

sondern eine allgemeine Beihilfenregelung zum<br />

Gegenstand, wird die individuelle Betroffenheit von<br />

Wettbewerbern ebenso wie bei Klagen des Beihilfenempfängers<br />

unter Hinweis auf die Plaumann-Formel grundsätzlich<br />

verneint. Etwas anderes gilt nur dann, wenn<br />

aufgrund der Beihilfenregelung bereits individuelle Beihilfen<br />

an konkurrierende Unternehmen gewährt wurden.<br />

151<br />

1029. Wenn sich die Genehmigungsentscheidung auf<br />

eine Einzelbeihilfe bezieht und zudem lediglich ein vorläufiges<br />

Prüfverfahren stattgefunden hat, ist zu berücksichtigen,<br />

dass für den klagenden Wettbewerber keine<br />

Möglichkeit bestand, sich hieran aktiv zu beteiligen, da<br />

150 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische<br />

Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,<br />

unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, ABl.<br />

EU Nr. C 306 vom 17. Dezember 2007, S. 1.<br />

151 Vgl. EuG, Urteil vom 5. Juni 1996, Rs. T-398/94, Kahn Scheepart/<br />

Kommission, Slg. 1996, II-477, Rn. 41, 49.<br />

Dritte in diesem Verfahrensstadium nicht zugelassen sind.<br />

Wie bereits dargelegt, haben andere Beteiligte als der jeweilige<br />

Mitgliedstaat erst im förmlichen Prüfverfahren<br />

die Gelegenheit, ihre auch durch Artikel 88 Abs. 2 EGV<br />

geschützten Verfahrensgarantien durch Abgabe einer<br />

schriftlichen Stellungnahme auszuüben. Zumindest nach<br />

früherer Rechtsprechung reichte es für die individuelle<br />

Betroffenheit eines privaten Dritten bereits aus, dass er<br />

sich darauf berief, er habe seine Rechte als Beteiligter im<br />

Verfahren vor der EU-Kommission mangels Eröffnung<br />

des förmlichen Prüfverfahrens nicht geltend machen können.<br />

152 Für die Begründung einer Beteiligtenstellung im<br />

förmlichen Prüfverfahren genügt es bereits, dass bei Unternehmen<br />

„Interessen beeinträchtigt sein können“ (Artikel<br />

1 Buchstabe h VVO). Die bloße Möglichkeit einer<br />

Beeinträchtigung ist demnach hinreichend, ohne dass<br />

eine tatsächliche Beeinträchtigung nachgewiesen werden<br />

müsste. Die skizzierte Rechtsprechung wurde bislang<br />

nicht ausdrücklich aufgegeben. In jüngeren Entscheidungen<br />

wird jedoch zusätzlich für die individuelle Betroffenheit<br />

der Nachweis des Wettbewerbers verlangt, dass seine<br />

Wettbewerbsposition auf dem Markt durch die Gewährung<br />

der Beihilfe beeinträchtigt wird. 153 Es werden somit<br />

implizit höhere Anforderungen an die Klagebefugnis gestellt<br />

als diejenigen, die für eine Begründung der Stellung<br />

des Klägers als Beteiligter in einem – durch die EU-Kommission<br />

nicht eingeleiteten – förmlichen Prüfverfahren<br />

erforderlich gewesen wären. Ein bestimmter Grad der Beeinträchtigung<br />

(Spürbarkeit oder Erheblichkeit) wird bei<br />

der Überprüfung von Kommissionsentscheidungen, die<br />

im vorläufigen Prüfverfahren abgeschlossen wurden, indes<br />

nicht verlangt.<br />

1030. Wird eine Einzelbeihilfe nach Durchführung eines<br />

förmliches Prüfverfahrens genehmigt, ist ein Wettbewerber<br />

des Beihilfenempfängers nach dem Cofaz-Urteil als<br />

individuell betroffen anzusehen, wenn er im Rahmen des<br />

zuvor durchgeführten Beihilfenverfahrens eine aktive<br />

Rolle gespielt hat und seine Marktstellung durch die Beihilfenmaßnahme<br />

spürbar beeinträchtigt wird. 154 Wie der<br />

EuGH in der Entscheidung Sniace vom 22. November<br />

2007 ausgeführt hat, ist das Kriterium der aktiven Beteiligung<br />

nicht als notwendige Bedingung anzusehen. 155 Im<br />

Unterschied zu Konstellationen, in denen die angegriffene<br />

Kommissionsentscheidung innerhalb des vorläufigen<br />

Prüfverfahrens gefällt wurde, wird jedoch die „Spürbarkeit“<br />

bzw. die „Erheblichkeit“ der Beeinträchtigung<br />

verlangt. Unter welchen Voraussetzungen dies zu bejahen<br />

ist, lässt sich der Rechtsprechung nicht eindeutig entnehmen.<br />

Fest steht, dass es auf der einen Seite nicht ausreicht,<br />

wenn das Unternehmen „in irgendeiner Wettbe-<br />

152 Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 1993, Rs. C-198/91, Cook/Kommission,<br />

Slg. 1993, I-2487, Rn. 20 ff.; EuGH, Urteil vom 15. Juni 1993,<br />

Rs. C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Rn. 14 ff..<br />

153 Vgl. EuG, Urteil vom 21. März 2001, Rs. C-69/96, Hamburger Hafen-<br />

und Lagerhaus/Kommission, Slg. 2001, II-1037, Rn. 41 ff.<br />

154 Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Januar 1986, Rs. 169/84, Cofaz/Kommission,<br />

Slg. 1986, 391, Rn. 24. f.<br />

155 Vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2007, Rs. 260/05, Sniace/<br />

Kommission, Rn. 57, http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.<br />

pl?lang=de.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!