Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/10140<br />
genüber verhaltensorientierten Abhilfemaßnahmen. Für<br />
zu wenig kritisch hält sie in diesem Zusammenhang allerdings<br />
die Ausführungen zu Zugangsverpflichtungen. Zuzustimmen<br />
ist der Europäischen Kommission, wenn sie<br />
die Bedeutung des richtigen Erwerbers für den Erfolg der<br />
Abhilfemaßnahme unterstreicht. Außerdem unterstützt<br />
die Monopolkommission die Initiative der Europäischen<br />
Kommission, verstärkt auf Upfront-Buyer- und Fix-itfirst-Lösungen<br />
zurückzugreifen. Unter anderem wird auf<br />
diese Weise sichergestellt, dass die Fusion nur vollzogen<br />
wird, wenn sich überhaupt ein fähiger Erwerber für das<br />
Veräußerungspaket findet.<br />
83.* Das Gericht erster Instanz und der Europäische<br />
Gerichtshof haben im Berichtszeitraum mehrere wichtige<br />
Entscheidungen getroffen. Besonders hervorzuheben ist<br />
das Urteil Schneider Electric/Kommission, in dem sich<br />
das EuG zum ersten Mal zu Schadensersatzansprüchen in<br />
Fusionskontrollverfahren äußert und Schneider Electric<br />
Schadensersatz gemäß Artikel 288 Abs. 2 EGV zuspricht.<br />
Das EuG bejaht einen hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß<br />
lediglich im Hinblick auf die Verletzung der Verteidigungsrechte<br />
nach Artikel 18 FKVO. Den Ersatz weiterer<br />
Schäden verweigert das Gericht mit dem Hinweis<br />
darauf, dass auch ohne den festgestellten Fehler kein Anspruch<br />
auf eine Freigabe des Zusammenschlusses bestanden<br />
habe. Bei der Feststellung eines hinreichend qualifizierten<br />
Verstoßes betont das Gericht somit formale<br />
Aspekte. Auf diese Weise stärkt es die Verteidigungsrechte<br />
der betroffenen Unternehmen und sichert ein faires<br />
Verfahren. Soweit Fehler bei der ökonomischen Analyse<br />
betroffen sind, schließt das EuG eine Schadensersatzpflicht<br />
zwar nicht prinzipiell aus. Es unterstreicht jedoch<br />
mehrmals den weiten Beurteilungsspielraum der Europäischen<br />
Kommission. Außerdem erklärt das Gericht, dass<br />
ein hinreichend enger Kausalzusammenhang stets dann<br />
fehle, wenn auch bei korrektem Vorgehen nicht nur eine<br />
Freigabeentscheidung denkbar gewesen wäre. Vor diesem<br />
Hintergrund dürfte eine Schadensersatzpflicht aufgrund<br />
materieller Beurteilungsfehler auf wenige Ausnahmefälle<br />
beschränkt bleiben.<br />
84.* Für Aufsehen sorgte ferner das Urteil Impala/<br />
Kommission, mit dem das Gericht erster Instanz eine<br />
Freigabeentscheidung der Europäischen Kommission<br />
(Sony/Bertelsmann) für nichtig erklärte. Das Gericht bestätigt<br />
zunächst die Kriterien, die es im Urteil Airtours/<br />
Kommission für die Prüfung einer gemeinsamen Marktbeherrschung<br />
aufgestellt hat. Anschließend macht das<br />
Gericht Ausführungen zum Beweismaßstab bei der Verstärkung<br />
gemeinsamer Marktbeherrschung. Es verzichtet<br />
hier auf einen direkten Beweis für die Markttransparenz<br />
und lässt gewisse Indizien genügen. Fraglich ist allerdings,<br />
ob das Urteil in der Praxis zu einer wesentlichen<br />
Beweiserleichterung führen wird. Bei näherer Betrachtung<br />
dürften nämlich auch die Voraussetzungen für eine<br />
Beweisführung auf der Basis der genannten Indizien nicht<br />
einfach zu erfüllen sein. Dies gilt vor allem für die vom<br />
Gericht erwähnten „Preise oberhalb des Wettbewerbsniveaus“<br />
und für das „Fehlen sonstiger vernünftiger Erklärungen<br />
für eine festgestellte Preisparallelität“. Die Monopolkommission<br />
stimmt dem Gericht allerdings insoweit<br />
zu, als das Vorliegen von Preisparallelität alleine keinen<br />
ausreichenden Beleg für eine gemeinsame Marktbeherrschung<br />
darstellt.<br />
Das Gericht greift daneben die fundamentale Kehrtwendung<br />
der Europäischen Kommission zwischen der Mitteilung<br />
der Beschwerdepunkte gemäß Artikel 18 FKVO, der<br />
mündlichen Anhörung der Zusammenschlussbeteiligten<br />
und der abschließenden Entscheidung nach Artikel 8<br />
Abs. 2 FKVO an und betont damit – wie später erneut in<br />
Schneider Electric/Kommission – die Bedeutung der Verfahrensrechte<br />
der Parteien. Nach Auffassung der Monopolkommission<br />
muss sich die Europäische Kommission<br />
aufgrund der Ausführungen des Gerichts zu den Beschwerdepunkten<br />
in Zukunft verstärkt bemühen, Meinungsänderungen<br />
im Verlauf eines Fusionskontrollverfahrens<br />
plausibel zu begründen. Es ist jedenfalls zu<br />
gewährleisten, dass die Parteien zu allen entscheidungserheblichen<br />
Punkten Stellung nehmen können.<br />
85.* Die Monopolkommission wendet sich ausdrücklich<br />
gegen Forderungen, die Möglichkeit von Drittklagen<br />
im Wege einer regelmäßigen Anwendung von Artikel 10<br />
Abs. 6 FKVO einzuschränken. Bei der Freigabefiktion<br />
nach Artikel 10 Abs. 6 FKVO handelt es sich um ein Instrument,<br />
mit dem die Parteien vor Verzögerungen seitens<br />
der Wettbewerbsbehörde geschützt werden sollen, nicht<br />
um ein Instrument zur Vermeidung von Klagen. Gegen<br />
den vorgeschlagenen Weg sprechen zum einen die damit<br />
einhergehende Intransparenz sowie die erhöhte Gefahr<br />
politischer Einflussnahme. Zum anderen bezieht sich<br />
Artikel 10 Abs. 6 FKVO erkennbar nur auf Ausnahmefälle<br />
und kann eine behördliche Entscheidung nach<br />
Artikel 2 FKVO nicht generell ersetzen. Die FKVO<br />
schützt zudem nicht nur die Institution des Wettbewerbs<br />
als solche, sondern auch das Vertrauen Dritter auf den Erhalt<br />
des Wettbewerbs. Daher müssen Dritte in gleicher<br />
Weise wie die Zusammenschlussbeteiligten auf die Richtigkeit<br />
der Ergebnisse bauen und sie gegebenenfalls auch<br />
angreifen können. Darüber hinaus würde ein wichtiges<br />
Instrument zur Gewährleistung korrekter Entscheidungen<br />
entfallen, wenn die Möglichkeit von Drittklagen beseitigt<br />
würde. Gäbe es keine Möglichkeit zur Drittklage, würde<br />
schließlich auch die Wachsamkeit von Wettbewerbern<br />
und sonstigen Marktteilnehmern in Bezug auf die Richtigkeit<br />
von Entscheidungen nachlassen. Eine systematische<br />
Verzögerung der Fusionskontrollverfahren zum<br />
Zweck der Genehmigungsfiktion gemäß Artikel 10<br />
Abs. 6 FKVO wäre nach Auffassung der Monopolkommission<br />
grob verfahrensfehlerhaft und würde einen qualifizierten<br />
Rechtsverstoß darstellen, der nach Artikel 288<br />
Abs. 2 EGV die Amtshaftung der Gemeinschaft auslösen<br />
würde.<br />
V. Potenziale für mehr Wettbewerb<br />
auf dem Krankenhausmarkt<br />
86.* Der deutsche Krankenhausmarkt befindet sich im<br />
Umbruch. In den zurückliegenden Jahren wurde seine Finanzierung<br />
von tagesgleichen Pflegesätzen auf DRG-<br />
Fallpauschalen umgestellt. Zugleich setzt sich der durch<br />
die angespannten Staatsfinanzen bedingte schleichende