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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 368 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

mung Artikel 14 Abs. 3 VVO erscheint angesichts des<br />

Wortlauts der Norm fraglich. 135 Das gemeinschaftsrechtliche<br />

Effektivitätsgebot kann zwar dazu führen, dass eine<br />

nationale Norm unangewendet bleibt, vermag aber nicht<br />

aus sich heraus eine Ermächtigungsgrundlage für einen<br />

belastenden Eingriff zu begründen. Der nationale Gesetzgeber<br />

sollte jedoch eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage<br />

schaffen, die eine sofortige Rückforderung ermöglicht<br />

und eine aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln<br />

auf nationaler Ebene generell ausschließt. Andernfalls<br />

werden die durch die Gewährung der Beihilfe ausgelösten<br />

Wettbewerbsverzerrungen weiterhin gegebenenfalls über<br />

Jahre aufrechterhalten. Ein Ausschluss der aufschiebenden<br />

Wirkung wäre auch nicht unverhältnismäßig, da eine<br />

Rückforderungsentscheidung der EU-Kommission durch<br />

die Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Den Rechtsschutzinteressen<br />

der Beihilfenempfänger sollte dadurch<br />

Rechnung getragen werden, dass sie gegen die Rückforderungsentscheidung<br />

der EU-Kommission effektiv auf<br />

EU-Ebene vor den Gemeinschaftsgerichten vorgehen<br />

können. 136<br />

1010. Die EU-Kommission hat – ihrer Ankündigung im<br />

SAAP entsprechend – inzwischen eine Bekanntmachung<br />

zur Beschleunigung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen<br />

herausgegeben, mit der sie auf die von<br />

den Gemeinschaftsgerichten herausgearbeiteten Grundsätze<br />

aufmerksam machen und die Praxis der Kommission<br />

im Bereich der Rückforderung erläutern möchte. 137<br />

Die Bekanntmachung kann für die mit der Rückforderung<br />

betrauten Stellen der Mitgliedstaaten ein nützlicher Leitfaden<br />

sein. Sie kann jedoch keine verbindlichen einheitlichen<br />

Regeln schaffen. Die Monopolkommission hält die<br />

Schaffung einheitlicher Mindeststandards für den<br />

Rechtsschutz in Beihilfensachen vor nationalen Gerichten<br />

im Rahmen einer EU-Richtlinie für zweckmäßig, die<br />

unter anderem Regelungen über die Rechtsschutzmöglichkeiten<br />

bei Rückforderungsentscheidungen beinhaltet.<br />

138<br />

135 Artikel 14 Abs. 3 VVO lautet: „Unbeschadet einer Entscheidung des<br />

Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel 242<br />

des Vertrags erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den<br />

Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige<br />

und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung<br />

ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden<br />

Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten<br />

unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen<br />

Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich<br />

vorläufiger Maßnahmen.“<br />

136 Vgl. hierzu Abschnitt 5.4.3.<br />

137 Vgl. Bekanntmachung der Kommission, Rechtswidrige und mit dem<br />

Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung<br />

der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission<br />

in den Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. C 272 vom 15. November<br />

2007, S. 4.<br />

138 Dies wird auch in der – von der Generaldirektion Wettbewerb in Auftrag<br />

gegebenen – Studie zur Durchsetzung des Beihilfenrechts auf<br />

nationaler Ebene empfohlen. Vgl. Study on the Enforcement of State<br />

Aid Law at National Level, March 2006, Jones Day, Lovells, Allen &<br />

Overy, http://ec.europa.eu/comm/competition/state_aid/studies_re<br />

ports/studies_reports.cfm .<br />

5.4.1.3 Vergleich zum Kartellverfahren<br />

1011. Das Beihilfenkontrollverfahren weicht in mehrfacher<br />

Hinsicht von dem Verfahren ab, das in EU-Kartellrechtsfällen<br />

zur Anwendung kommt. Die Rechte Privater<br />

– insbesondere des beihilfenbegünstigten Unternehmens<br />

und seiner Wettbewerber – sind schwächer ausgestaltet<br />

und unterliegen erheblichen Einschränkungen. Nur die<br />

EU-Kommission und der Beihilfen gewährende Mitgliedstaat<br />

sind Partei des Verfahrens. Beteiligungsmöglichkeiten<br />

Privater bestehen – abgesehen von der jederzeit möglichen<br />

Mitteilung nach Artikel 20 Abs. 2 VVO – erst<br />

dann, wenn die EU-Kommission das förmliche Prüfverfahren<br />

eröffnet hat und beschränken sich hier auf die Abgabe<br />

schriftlicher Stellungnahmen.<br />

1012. Kehrseite der bilateralen Ausgestaltung des Beihilfenverfahrens<br />

ist zudem, dass die EU-Kommission keine<br />

Untersuchungsmöglichkeiten wie im Kartellrecht besitzt.<br />

So kann die EU-Kommission Unternehmen und Unternehmensvereinigungen<br />

nicht zur Erteilung von Auskünften<br />

verpflichten oder eine sektorspezifische Untersuchung<br />

durchführen (Artikel 17, 18 der Kartellverfahrensverordnung<br />

139 ). Da der EU-Kommission keine unmittelbaren Ermittlungsbefugnisse<br />

gegenüber den im Einzelfall betroffenen<br />

privaten Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, die<br />

über die Verhältnisse in den jeweiligen Sektoren am besten<br />

informiert sind, kann sie die aktuelle Wettbewerbssituation<br />

nicht in dem Maße untersuchen, wie ihr dies im Kartellrecht<br />

möglich ist. Das Informationsproblem wird<br />

dadurch weiter verschärft, dass im Verhältnis zur EU-<br />

Kommission allein die zentrale Regierung des Mitgliedstaats<br />

als Ansprechpartner gilt, auch wenn die Beihilfen<br />

auf regionaler und lokaler Ebene geplant oder gewährt<br />

werden.<br />

1013. Das Beihilfenrecht enthält zwar bestimmte Fristenregelungen<br />

für solche Kommissionsverfahren, die ordnungsgemäß<br />

angemeldete Beihilfen betreffen. Diese<br />

Fristen sind jedoch deutlich länger als in der Fusionskontrolle.<br />

Während für das vorläufige und förmliche Vorverfahren<br />

in der Beihilfenkontrolle Fristen von zwei bzw.<br />

18 Monaten vorgesehen sind, darf in Fusionsfällen das<br />

Vorprüfverfahren höchstens 25 Arbeitstage und das<br />

Hauptprüfverfahren regelmäßig höchstens 105 Arbeitstage<br />

andauern (Artikel 10 Abs. 1 und 3 der Fusionskontrollverordnung<br />

140 (FKVO)). Anders als in der Fusionskontrolle<br />

(Artikel 10 Abs. 6 FKVO) bleibt die<br />

Nichteinhaltung der Frist in der Beihilfenkontrolle im<br />

förmlichen Prüfverfahren für die EU-Kommission sanktionslos,<br />

da keine Genehmigungsfiktion eintritt. 141<br />

139 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur<br />

Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EGV niedergelegten<br />

Wettbewerbsregeln, ABl. EG Nr. L 1 vom 4. Januar 2003, S. 1.<br />

140 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über<br />

die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EU Nr. L 24<br />

vom 29. Januar 2004, S. 1.<br />

141 Beihilfenverfahren, die bereits im vorläufigen Prüfverfahren abgeschlossen<br />

werden, dauern nach Auskunft der Generaldirektion Wettbewerb<br />

im Durchschnitt 5,2 Monate. Die Verfahren, bei denen die<br />

EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren einleitet, werden<br />

durchschnittlich in 21,4 Monaten abgeschlossen.

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