Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 365 – Drucksache 16/10140<br />
Artikel 87 Abs. 1 EGV zu verneinen, falls die Finanzierungsmaßnahme<br />
eindeutig, transparent und unmittelbar<br />
eine Gegenleistung für klar definierte Gemeinwohlverpflichtungen<br />
beinhaltet und der Begünstigte nicht von<br />
vornherein feststeht. Sind diese Voraussetzungen im Einzelfall<br />
erfüllt, geht die EU-Kommission davon aus, dass<br />
der Ausgleich, der für die Erbringung von Dienstleistungen<br />
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse gewährt<br />
wird, keine tatbestandliche Begünstigung nach<br />
Artikel 87 Abs. 1 EGV darstellt. Sofern eine anmeldepflichtige<br />
Beihilfe vorliegt, kann diese nach Artikel 86<br />
Abs. 2 EGV gerechtfertigt sein, wobei entscheidend ist,<br />
ob die in Rede stehenden Finanzierungsmaßnahmen als<br />
Ausgleich für die Erfüllung des öffentlichen Versorgungsauftrags<br />
erforderlich und diesem Zweck angemessen<br />
gewesen sind.<br />
999. Im Gemeinschaftsrahmen vom November 2005 119<br />
werden die Grundsätze für die Anwendung des Artikel 86<br />
Abs. 2 EGV konkretisiert. Danach darf die Höhe des Ausgleichs<br />
nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist,<br />
um die durch die Erfüllung der Gemeinwohlverpflichtung<br />
verursachten Kosten 120 unter Berücksichtigung der dabei<br />
erzielten Einnahmen und einer angemessenen Rendite aus<br />
der Erfüllung dieser Verpflichtungen abzudecken. Zudem<br />
darf der Ausgleich nur für das Funktionieren der betref-<br />
119 Zweitens sind die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet<br />
wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern,<br />
dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der<br />
das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden<br />
Unternehmen begünstigt.<br />
Gleicht daher ein Mitgliedstaat, ohne dass zuvor die Parameter dafür<br />
aufgestellt worden sind, die Verluste eines Unternehmens aus, wenn<br />
sich nachträglich herausstellt, dass das Betreiben bestimmter Dienste<br />
im Rahmen der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen<br />
nicht wirtschaftlich durchführbar war, so stellt dies ein finanzielles<br />
Eingreifen dar, das unter den Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne<br />
von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag fällt.<br />
Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich<br />
ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen<br />
Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen<br />
und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen<br />
ganz oder teilweise zu decken. Nur bei Einhaltung dieser<br />
Voraussetzung ist gewährleistet, dass dem betreffenden<br />
Unternehmen kein Vorteil gewährt wird, der dadurch, dass er die<br />
Wettbewerbsstellung dieses Unternehmens stärkt, den Wettbewerb<br />
verfälscht oder zu verfälschen droht.<br />
Wenn viertens die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher<br />
Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten<br />
Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher<br />
Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers<br />
ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit<br />
erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs<br />
auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen,<br />
die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen<br />
mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten<br />
gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung<br />
der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten<br />
Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser<br />
Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.“<br />
119 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für<br />
die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden,<br />
ABl. EU Nr. C 297 vom 29. November 2005, S. 4.<br />
120 Diese umfassen nach Rn. 16 des Gemeinschaftsrahmens 2005:<br />
– die durch die Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse verursachten variablen Kosten,<br />
fenden Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse verwendet werden. Ein Ausgleich, der dazu verwendet<br />
wird, um auf anderen Märkten tätig zu werden, ist<br />
nicht gerechtfertigt und wird als eine mit dem Gemeinsamen<br />
Markt unvereinbare staatliche Beihilfe qualifiziert.<br />
Solche Quersubventionen können im europäischen Wettbewerbsrecht<br />
sowohl beihilfenrechtlich als auch kartellrechtlich<br />
relevant werden. Gegen eine Quersubventionierung,<br />
bei der das betreffende Unternehmen über eine<br />
marktbeherrschende Stellung verfügt und durch einen<br />
Gewinntransfer versucht, seine Marktmacht auf einen angrenzenden<br />
Wettbewerbsmarkt zu übertragen, können die<br />
EU-Kommission bzw. die nationalen Wettbewerbsbehörden<br />
gestützt auf Artikel 82 EGV vorgehen. Sofern es sich<br />
bei den eingesetzten Mitteln um staatliche Zuwendungen<br />
handelt, kann die EU-Kommission unter Berufung auf<br />
das Beihilfenrecht einschreiten. Die Problematik der<br />
Quersubventionierung durch staatliche Daseinsvorsorgeleistungen<br />
tritt insbesondere in den liberalisierten Wirtschaftssektoren<br />
wie Post-, Telekommunikations- und<br />
Energiesektor auf. 121 Der Nachweis einer Quersubventionierung<br />
ist in der Praxis häufig mit erheblichen Schwierigkeiten<br />
verbunden.<br />
5.4 Verfahrensrechtliche Aspekte<br />
5.4.1 Verfahren vor der EU-Kommission<br />
5.4.1.1 Ordnungsgemäß angemeldete<br />
Beihilfen<br />
1000. Soweit nicht in einer Gruppenfreistellungsverordnung<br />
eine Ausnahme vorgesehen ist, sind die Mitgliedstaaten<br />
dazu verpflichtet, die EU-Kommission über die<br />
121 – einen angemessenen Beitrag zu den sowohl dienstleistungsbezogenen<br />
als auch anderweitig anfallenden Fixkosten und<br />
– eine der jeweiligen Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem<br />
Interesse zurechenbare angemessene Rendite auf das Eigenkapital.<br />
Die Ermittlung der angemessenen Rendite durch Gewinnvergleich<br />
erfolgt nach den in Rn. 18 des Gemeinschaftsrahmens niedergelegten<br />
Grundsätzen:<br />
– Unter angemessener Rendite ist ein angemessener Kapitalertrag<br />
unter Berücksichtigung des von dem Unternehmen aufgrund des<br />
staatlichen Eingreifens eingegangenen Risikos, sofern vorhanden,<br />
zu verstehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Staat ausschließliche<br />
oder besondere Rechte gewährt.<br />
– Die angemessene Rendite entspricht der im Sektor verzeichneten<br />
Rentabilität und darf in der Regel die in dem betreffenden Sektor in<br />
den Jahren zuvor erzielte durchschnittliche Rendite nicht übersteigen.<br />
– Bei Sektoren, in denen es an Unternehmen fehlt, die als Vergleichsmaßstab<br />
für das mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem<br />
wirtschaftlichem Interesse betraute Unternehmen dienen<br />
könnten, können Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten oder<br />
gegebenenfalls auch aus anderen Wirtschaftszweigen zu Vergleichszwecken<br />
herangezogen werden unter der Voraussetzung,<br />
dass die besonderen Charakteristika des jeweiligen Sektors berücksichtigt<br />
werden.<br />
Zur Problematik von Kostenstandards vgl. Monopolkommission,<br />
Preiskontrollen in Energiewirtschaft und Handel? Zur Novellierung<br />
des GWB, Sondergutachten 47, Baden-Baden 2007, Tz. 20.<br />
121 Vgl. Mestmäcker, E.-J., Schweitzer, H., a. a. O., § 43 Rn. 35 f.