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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 362 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

989. Bei den genannten Kriterien des Artikel 87 Abs. 3<br />

EGV, nach denen eine Freistellung nicht nur aus wirtschaftspolitischen<br />

Gründen, sondern insbesondere auch<br />

aus außerökonomischen Erwägungen (regionalpolitischer,<br />

sozialer, kultureller Art) in Betracht kommt, handelt<br />

es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der EU-<br />

Kommission einen erheblichen Ermessensspielraum einräumen.<br />

Infolgedessen wird die Gefahr intransparenter<br />

Entscheidungsfindung und (industrie-)politischer Einflussnahme<br />

trotz supranationaler Beihilfenkontrolle nicht<br />

ausgeräumt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund,<br />

dass die EU-Kommission nicht als unabhängige Wettbewerbsbehörde<br />

konzipiert ist, sondern vielmehr als ein politisches<br />

Gremium, das mit weitreichenden legislativen<br />

und exekutiven Befugnissen ausgestattet ist und sich aus<br />

zahlreichen Generaldirektionen zusammensetzt. Die Generaldirektionen<br />

verfolgen zum Teil naturgemäß auch gegenläufige<br />

Ziele (z. B. GD Umwelt und GD Unternehmen<br />

und Industrie). Darüber hinaus verfolgen auch die<br />

Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene häufig nationale<br />

Interessen und versuchen, entsprechenden Einfluss zu<br />

nehmen. In der Praxis werden die meisten Freistellungen,<br />

die die EU-Kommission im Einzelfall oder pauschal innerhalb<br />

von Gruppenfreistellungsverordnungen erteilt,<br />

auf der Basis von Artikel 87 Abs. 3 Buchstabe a oder c<br />

EGV erteilt.<br />

5.3.3 Bisherige Veröffentlichungen zwecks<br />

Konkretisierung der Genehmigungspraxis<br />

der EU-Kommission<br />

990. Die EU-Kommission hat 100 in der Vergangenheit<br />

eine Vielzahl von Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen<br />

erlassen, in denen sie die Genehmigungsbedingungen<br />

konkretisiert und die Abwägungsvorgänge typisiert. Sie<br />

bezweckt hiermit, bei der Anwendung des Artikel 87<br />

Abs. 3 EGV und der dort – insbesondere in den Buchstaben<br />

a und c – enthaltenen Rechtfertigungsgründe Transparenz<br />

und Rechtssicherheit zu gewährleisten. So ist ein<br />

komplexes System verschiedener Regelwerke entstanden,<br />

in denen zumeist an die Zielsetzung der Beihilfen angeknüpft<br />

und zwischen folgenden Kategorien unterschieden<br />

wird (vgl. Übersicht VI.1).<br />

991. Für die in der Vergangenheit ergangenen Veröffentlichungen<br />

(Gemeinschaftsrahmen, Mitteilungen, Leitlinien)<br />

101 ist kennzeichnend, dass mehrere, vergleichsweise<br />

leicht feststellbare und kumulativ zu erfüllende<br />

Bedingungen aufgestellt werden, an deren Vorliegen automatisch<br />

bestimmte Rechtsfolgen (wie die Vereinbarkeit<br />

einer Beihilfe mit Artikel 87 Abs. 3 EGV) geknüpft sind.<br />

Die Rechtsfolgen hängen dementsprechend nicht von den<br />

ökonomischen Auswirkungen der betreffenden Maßnahme<br />

ab. Vielmehr spielt die richtige Kategorisierung<br />

100 Dies geschah zum Teil unter Mitwirkung des Rates der EU.<br />

101 Nur bei den Gemeinschaftsrahmen handelt es sich um allgemeine<br />

Rechtsakte, nicht dagegen bei den Leitlinien und Mitteilungen der<br />

EU-Kommission. Diese Instrumente, bei denen die EU-Kommission<br />

eine Selbstbindung eingeht, sind vergleichbar mit den aus dem deutschen<br />

Recht bekannten sog. „Verwaltungsvorschriften“.<br />

der jeweiligen Maßnahme (etwa als horizontale Umweltschutzbeihilfe<br />

oder als Regionalbeihilfe) eine entscheidende<br />

Rolle. Deshalb wird die bisherige Vorgehensweise<br />

auch als „form-based approach“ bezeichnet. 102<br />

992. Neben diesen – die Vereinbarkeitsprüfung nach<br />

Artikel 87 Abs. 3 EGV betreffenden – Maßnahmen<br />

(Rechtfertigungsebene), hat die EU-Kommission 103 Mitteilungen<br />

und Verordnungen veröffentlicht, die folgende<br />

Bereiche betreffen:<br />

– die Auslegung des Verbotstatbestands des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV (Beispiel: De-minimis-Verordnung 104),<br />

– die Anmeldepflicht nach Artikel 88 Abs. 3 EGV (insbesondere<br />

Gruppenfreistellungsverordnungen 105),<br />

– bestimmte Formen von Beihilfen (z. B. Haftungsverpflichtungen<br />

und Bürgschaften),<br />

– finanzielle Transfers an öffentliche Unternehmen und<br />

an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse erbringen sowie<br />

– das durchzuführende Verfahren (Vor- und Hauptprüfverfahren<br />

der EU-Kommission, Rückforderung zu<br />

Unrecht gewährter Beihilfen durch die Mitgliedstaaten).<br />

106<br />

993. Die genannten Sekundärrechtsakte und Maßnahmen<br />

ergänzen sich und verfolgen zum Teil überschneidende<br />

Zielsetzungen. So werden Regionalbeihilfen für<br />

strukturschwache Regionen, die horizontale Ziele verfolgen,<br />

privilegiert. Ferner gibt es mehrere Regelungen, die<br />

Privilegierungen für kleine und mittlere Unternehmen<br />

(KMU) enthalten. 107 Im State Aid Action Plan (SAAP –<br />

Aktionsplan Staatliche Beihilfen), in dem die EU-Kommission<br />

ihr neues Reformkonzept vorstellt, trifft sie selbst<br />

die zutreffende Feststellung, dass es im Lauf der Zeit zu<br />

einer zunehmenden Unübersichtlichkeit und Vielzahl von<br />

Texten gekommen sei, die eine Revision erforderlich<br />

machten. 108<br />

102 Vgl. Lowe, P., Some Reflections on the European Commission’s State<br />

Aid Policy, Competition Policy International 2, 2006, S. 77 ff.<br />

103 Teilweise unter Mitwirkung des Rates der EU.<br />

104 Hierin ist vorgesehen, dass bestimmte Beihilfen, die einen festgesetzten<br />

Betrag nicht überschreiten, keine Beeinträchtigung im Sinne von<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV auslösen und infolgedessen nicht bei der EU-<br />

Kommission nach Artikel 88 Abs. 3 Satz 1 EGV angemeldet werden<br />

müssen.<br />

105 Der Rat der Europäischen Union hat die EU-Kommission in der auf<br />

Artikel 89 EGV gestützten Verordnung Nr. 994/98, ABl. EG Nr. L 142<br />

vom 14. Mai 1998, S. 1, zum Erlass von Gruppenfreistellungsverordnungen<br />

für bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen ermächtigt.<br />

Die Kommission darf demnach für bestimmte horizontale Sachgebiete<br />

diejenigen Beihilfevorhaben bestimmen, die per se mit dem Gemeinsamen<br />

Markt vereinbar sind.<br />

106 Vgl. Verfahrensverordnung Nr. 659/1999.<br />

107 Z. B. die Leitlinien über staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen<br />

in kleine und mittlere Unternehmen (ABl. EU<br />

Nr. C 194 vom 18. August 2006, S. 2), die Leitlinien für staatliche<br />

Beihilfen mit regionaler Zielsetzung 2007 bis 2013 (ABl. EU Nr. C 54<br />

vom 4. März 2006, S. 13), die unter anderem sog. Unternehmensbeihilfen<br />

für kleine Unternehmen in Fördergebieten für ihre Entwicklung<br />

in der Start-up- und Frühphase vorsehen.<br />

108 Vgl. SAAP, Tz. 17.

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