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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 360 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb<br />

des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken“.<br />

Gleichwohl wird auch Artikel 81 Abs. 1 EGV in<br />

der Tatbestandsvariante der die Wettbewerbsbeeinträchtigung<br />

bezweckenden Verhaltensweise als Gefährdungsdelikt<br />

zum Schutz des Wettbewerbs interpretiert. 90 Beide<br />

Bestimmungen – sowohl Artikel 87 Abs. 1 EGV als auch<br />

Artikel 81 Abs. 1 EGV – sind zudem auf das in Artikel 3<br />

Abs. 1 Buchstabe c EGV genannte Ziel bezogen, den<br />

Wettbewerb im Binnenmarkt vor Verfälschungen zu<br />

schützen. Aus der unterschiedlichen Formulierung des<br />

Wettbewerbskriteriums in Artikel 81 Abs. 1 EGV einerseits<br />

und in Artikel 87 Abs. 1 EGV andererseits folgt daher<br />

nicht zwingend, dass dieses Merkmal im Beihilfenrecht<br />

anders als im Kartellrecht auszulegen ist.<br />

982. Die Monopolkommission hält den im Beihilfenrecht<br />

erfolgenden weitgehenden Verzicht auf eine Untersuchung<br />

der Wettbewerbssituation aus mehreren Gründen<br />

für fragwürdig: erstens, weil das Merkmal des zwischenstaatlichen<br />

Handels sehr weit ausgelegt und auf Fälle mit<br />

lokalem Schwerpunkt erstreckt wird, zweitens, weil bei<br />

dem Merkmal des selektiven Vorteils (der Begünstigung<br />

„bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“) bereits<br />

ein sehr geringer Grad an Selektivität als ausreichend<br />

angesehen und etwa auch bei Maßnahmen bejaht<br />

wird, die allen Unternehmen in einer Region oder mit einer<br />

bestimmten Unternehmensgröße zugute kommen sowie<br />

drittens, weil die Höhe der gewährten Beihilfen sehr<br />

niedrig ausfallen kann. 91<br />

5.2.6 Fazit<br />

983. Das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung wurde<br />

in der Vergangenheit von der EU-Kommission keiner differenzierten<br />

ökonomischen Untersuchung unterzogen.<br />

Die Anforderungen der europäischen Gerichte an die<br />

ökonomische Beweisführung für dieses Merkmal sind<br />

– anders als im Bereich der Fusionskontrolle und der kartellrechtlichen<br />

Bestimmungen der Artikel 81 und 82 EGV –<br />

bisher minimal. Dementsprechend hat sich die EU-Kommission<br />

bei dem Merkmal der Wettbewerbsverfälschung<br />

regelmäßig auf eine sektorspezifische allgemeine Prüfung<br />

beschränkt. Sofern die Merkmale der Selektivität und der<br />

Begünstigung nach ihrer Ansicht vorliegen, wird die<br />

wettbewerbsverzerrende Wirkung und Handelsbeeinträchtigung<br />

regelmäßig vermutet und dies, obwohl infolge<br />

der weiten Auslegung des Merkmals der Selektivität<br />

eine Vielzahl von Maßnahmen mit horizontaler<br />

90 Eine Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen ist nach der Rechtsprechung<br />

der europäischen Gerichte bei Artikel 81 Abs. 1 EGV entbehrlich,<br />

wenn die jeweilige Vereinbarung objektiv geeignet ist, eine<br />

Wettbewerbsbeeinträchtigung herbeizuführen. Für das Merkmal des<br />

Bezweckens ist es somit ausreichend, dass nachteilige Wettbewerbseffekte<br />

typischerweise eintreten, ohne dass den Beteiligten eine entsprechende<br />

subjektive Zielsetzung nachgewiesen werden muss. Vgl.<br />

näher Bechtold, R. u. a., EG-Kartellrecht. Kommentar, München<br />

2005, Artikel 81 EGV Rn. 70 ff.<br />

91 Nach der neu gefassten De-minimis-Verordnung werden nur Beihilfen<br />

mit einer Förderungshöhe von bis zu 200 000 Euro freigestellt.<br />

Zielsetzung und erheblicher Breitenwirkung unter den<br />

Anwendungsbereich des Artikel 87 Abs. 1 EGV fällt. Bei<br />

den Merkmalen der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung<br />

und der Wettbewerbsverfälschung wird – anders<br />

als bei den kartellrechtlichen Bestimmungen der Artikel<br />

81 und 82 EGV – nicht als ungeschriebene<br />

Voraussetzung verlangt, dass die drohende Beeinträchtigung<br />

zumindest „spürbar“ ist. Infolgedessen erstreckt<br />

sich der Anwendungsbereich des Artikel 87 Abs. 1 EGV<br />

auch auf Sachverhalte mit lokalem Schwerpunkt. Die<br />

Monopolkommission spricht sich demgegenüber dafür<br />

aus, im Beihilfenkontrollverfahren – wie auch bei Artikel<br />

81 Abs. 1 EGV – die objektive Eignung einer Beihilfe<br />

zur spürbaren Wettbewerbsverfälschung und zur spürbaren<br />

Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu<br />

prüfen.<br />

984. Die weite Auslegung des Beihilfenbegriffs und die<br />

geringen Nachweisanforderungen bringen es mit sich,<br />

dass die EU-Kommission auch Fällen von geringer Relevanz<br />

nachgehen muss. So hat sie gemäß Artikel 10 Abs. 1<br />

der Verfahrensverordnung Nr. 659/1999 92 (im Folgenden:<br />

VVO) alle „Informationen gleich welcher Herkunft über<br />

angebliche rechtswidrige Beihilfen“ unverzüglich zu prüfen.<br />

Meist wird die EU-Kommission durch Beschwerden<br />

von Wettbewerbern des begünstigten Unternehmens über<br />

nicht angemeldete, rechtswidrige Beihilfen informiert.<br />

Die Prüfungspflicht nach Artikel 10 Abs. 1 VVO geht<br />

sehr weit. Sobald die Prüfung der Informationen bestätigt,<br />

dass möglicherweise eine rechtswidrige Beihilfe vorliegt,<br />

muss die EU-Kommission das Verfahren wie bei angemeldeten<br />

Beihilfen weiterführen und eine Entscheidung<br />

treffen. 93<br />

5.3 Rechtfertigungsebene – Vereinbarkeitsprüfung<br />

(Artikel 87 Abs. 2 und 3 EGV,<br />

Artikel 86 Abs. 2 EGV)<br />

985. Maßnahmen, die unter den Anwendungsbereich<br />

des Beihilfenverbots nach Artikel 87 Abs. 1 EGV fallen,<br />

können durch eine Ausnahme gerechtfertigt sein. Rechtfertigungsgründe<br />

sind im EGV insbesondere in Artikel 87<br />

Abs. 2 und 3 sowie Artikel 86 Abs. 2 enthalten. 94 Über<br />

die Frage, ob die jeweilige Maßnahme ausnahmsweise erlaubt<br />

ist, entscheidet die EU-Kommission entweder im<br />

Rahmen eines individuellen Verfahrens oder aber pauschal<br />

in einer Gruppenfreistellungsverordnung. Die EU-<br />

Kommission muss bei der ihr übertragenen Vereinbarkeitsprüfung<br />

die beabsichtigten und die voraussichtlichen<br />

positiven Folgen mit den drohenden negativen Folgen der<br />

jeweiligen Beihilfe für den Wettbewerb gegeneinander<br />

abwägen.<br />

92 Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über<br />

besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-<br />

Vertrags. ABl. EG Nr. L 83 vom 27. März 1999, S. 1.<br />

93 Vgl. Artikel 13 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 4 VVO.<br />

94 Daneben bestehen beihilfenrechtliche Spezialregelungen für die Bereiche<br />

Landwirtschaft (Artikel 36 EGV) und Verkehr (Artikel 73, 76<br />

EGV).

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