Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 36 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
77.* Im November 2007 hat die Europäische Kommission<br />
Leitlinien zu nichthorizontalen Fusionen veröffentlicht.<br />
Die Monopolkommission teilt die Auffassung, dass<br />
von nichthorizontalen Zusammenschlüssen in der Regel<br />
geringere Risiken für den Wettbewerb als von horizontalen<br />
Fusionen ausgehen. Sie gibt allerdings zu bedenken,<br />
dass eine Unterscheidung zwischen horizontalen und<br />
nichthorizontalen Zusammenschlüssen in der Praxis erhebliche<br />
Schwierigkeiten aufwerfen kann. Vor diesem<br />
Hintergrund wird ein rein verhaltensbezogener Ansatz bei<br />
der Prüfung nichthorizontaler Zusammenschlüsse skeptisch<br />
gesehen. Schon früher hat die Monopolkommission<br />
sich dafür ausgesprochen, auch bei konglomeraten Zusammenschlüssen<br />
Marktstrukturkriterien, wie sie z. B.<br />
§ 19 Abs. 2 GWB vorsieht, zu berücksichtigen. Die Monopolkommission<br />
wendet sich ferner gegen die Untersuchung<br />
von Missbrauchspraktiken im Rahmen der Fusionskontrolle.<br />
78.* Eine wesentliche Neuerung der Verordnung<br />
Nr. 139/2004 besteht darin, dass die Europäische Kommission<br />
nach Erwägungsgrund 29 begründeten und wahrscheinlichen<br />
Effizienzvorteilen Rechnung tragen soll. Die<br />
Europäische Kommission hat sich gleich in mehreren Fällen<br />
– Korsnäs/Cartonboard, T-Mobile Austria/Tele.ring<br />
sowie Inco/Falconbridge und Ryanair/Aer Lingus – mit<br />
möglichen Effizienzvorteilen auseinandergesetzt. Eine<br />
eingehende Prüfung findet in den Zweite-Phase-Verfahren<br />
Inco/Falconbridge und Ryanair/Aer Lingus statt. In<br />
keinem der genannten Fälle wurde das Ergebnis der Wettbewerbsanalyse<br />
aufgrund der geltend gemachten Effizienzen<br />
revidiert. In Fällen, in denen die Europäische<br />
Kommission erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigungen<br />
befürchtete, wurde der Effizienzeinwand abgelehnt, weil<br />
die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren.<br />
Eine echte Abwägung zwischen Wettbewerbsbeschränkung<br />
auf der einen Seite und Effizienzgewinnen auf der<br />
anderen Seite musste die Europäische Kommission daher<br />
noch nicht vornehmen.<br />
79.* Die Monopolkommission bewertet das Vorgehen<br />
der Europäischen Kommission in dem Fall Korsnäs/<br />
Cartonboard, der in der ersten Verfahrensphase ohne Bedingungen<br />
und Auflagen freigegeben wurde, kritisch. Obwohl<br />
die Wettbewerbsbehörde bereits im ersten Schritt<br />
das Vorliegen wettbewerblicher Bedenken verneinte,<br />
setzte sie sich in einem zweiten Schritt mit den geltend<br />
gemachten Effizienzvorteilen auseinander. Die Monopolkommission<br />
spricht sich nachdrücklich für eine Trennung<br />
zwischen der vorrangigen Untersuchung wettbewerbsbeschränkender<br />
Wirkungen und der nachfolgenden Effizienzprüfung<br />
aus. Eine Effizienzprüfung ist nur dann<br />
vorzunehmen, wenn die Wettbewerbsanalyse ernsthafte<br />
Bedenken gegen den Zusammenschluss ergeben hat. Diesem<br />
Ansatz ist auch die Europäische Kommission in den<br />
Fällen Inco/Falconbridge und Ryanair/Aer Lingus gefolgt.<br />
80.* In dem Verfahren Ryanair/Aer Lingus erfüllt nach<br />
Ansicht der Europäischen Kommission keiner der vorgetragenen<br />
Effizienzvorteile sämtliche erforderlichen Voraussetzungen.<br />
Die Entscheidung macht deutlich, dass die<br />
reine Behauptung oder Annahme der Parteien, es werde<br />
durch den Zusammenschluss zu Effizienzvorteilen kommen,<br />
nicht für einen positiven Bescheid der Wettbewerbsbehörde<br />
ausreicht. Ein wichtiges Indiz für die Seriosität<br />
der dargelegten Vorteile stellen Dokumente dar, die vor<br />
dem konkreten Zusammenschluss erstellt worden sind<br />
und die vorgebrachte Argumentation stützen. Die Verfügung<br />
bestätigt ferner, dass nur solche Effizienzvorteile<br />
berücksichtigt werden, die aus dem Zusammenschluss<br />
hervorgehen. Keine Berücksichtigung finden hingegen<br />
Kosteneinsparungen, die auch ein Unternehmen alleine<br />
erzielen könnte. Zudem stellt die Europäische Kommission<br />
klar, dass nur zusätzliche Effizienzgewinne berücksichtigt<br />
werden. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies,<br />
dass sie aus erhöhter Nachfragemacht resultierende Kosteneinsparungen<br />
nicht als effizienzfördernd im Fusionskontrollverfahren<br />
geltend machen können.<br />
81.* Während des Berichtszeitraums sind 31 Erste-<br />
Phase- und zehn Zweite-Phase-Entscheidungen unter Bedingungen<br />
und Auflagen ergangen. In fast allen Zweite-<br />
Phase-Verfahren hat die Europäische Kommission strukturelle<br />
Zusagen entgegengenommen. Zum Teil tritt neben<br />
die Veräußerung von Produktionsanlagen die Abgabe von<br />
Lieferverträgen, Marken oder Technologie. Vereinzelt<br />
bilden jedoch auch verhaltensorientierte Verpflichtungen<br />
den Schwerpunkt der den Parteien auferlegten Maßnahmen,<br />
so z. B. in den Verfahren SFR/Télé2France und<br />
Axalto/Gemplus. Nur in einem einzigen Verfahren<br />
– Ryanair/Aer Lingus – hielt die Europäische Kommission<br />
die angebotenen Zusagen nicht für ausreichend und<br />
sprach eine Untersagung aus. Die Zahl der Untersagungen<br />
bleibt damit auf einem anhaltend niedrigen Niveau.<br />
Der Eindruck verfestigt sich, dass die Europäische Kommission<br />
eher bereit ist, umfangreiche Zusagen entgegenzunehmen<br />
als ein Verbot zu erteilen. Die Monopolkommission<br />
bewertet dieses Vorgehen insbesondere vor dem<br />
Hintergrund der in der Vergangenheit festgestellten Defizite<br />
bei der Umsetzung von Abhilfemaßnahmen skeptisch.<br />
Sie weist auch auf die Gefahr hin, dass die Wettbewerbsbehörde<br />
das Instrument der Abhilfemaßnahmen zu<br />
einer aktiven Industriepolitik nutzen kann.<br />
82.* Im April 2007 hat die Europäische Kommission<br />
den Entwurf von überarbeiteten Leitlinien zu Abhilfemaßnahmen<br />
vorgelegt. Sie reagierte damit vornehmlich<br />
auf eine im Jahr 2005 veröffentlichte Studie, die erhebliche<br />
Defizite bei der Zusagendurchsetzung festgestellt<br />
hatte. Die Monopolkommission begrüßt die Initiative der<br />
Europäischen Kommission insbesondere vor dem Hintergrund<br />
der aufgedeckten Mängel. Ein strengerer Ansatz<br />
bei der Entgegennahme von Zusagen, wie er in dem Entwurf<br />
zum Ausdruck kommt, ist notwendig, da sich in der<br />
Vergangenheit nur etwa die Hälfte der Abhilfemaßnahmen<br />
als wirkungsvoll erwiesen hat. Besonders bedeutsam<br />
ist ein solcher Ansatz vor dem Hintergrund, dass die Europäische<br />
Kommission eher dazu neigt, umfangreiche<br />
Verpflichtungen aufzuerlegen als Untersagungen auszusprechen.<br />
Im Einzelnen teilt die Monopolkommission die grundsätzlichen<br />
Bedenken der Europäischen Kommission ge-