Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 359 – Drucksache 16/10140<br />
fang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe<br />
Größe des begünstigten Unternehmens die Möglichkeit<br />
einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten<br />
aus. 80 Anders als bei den kartellrechtlichen<br />
Bestimmungen der Artikel 81 und 82 EGV wird eine<br />
Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung somit bislang<br />
nicht als ungeschriebenes Merkmal verlangt. Dies ist<br />
nach Auffassung der Monopolkommission nicht sachgerecht.<br />
Auch innerhalb der Beihilfenkontrolle sollte die<br />
Spürbarkeit der zwischenstaatlichen Handelsbeeinträchtigung<br />
als ungeschriebenes Merkmal vorausgesetzt werden,<br />
um zu verhindern, dass Sachverhalte mit rein lokaler<br />
Bedeutung unter das europäische Beihilfenregime fallen.<br />
978. Anders als im EU-Kartellrecht verfügt die EU-<br />
Kommission im Rahmen der Beihilfenaufsicht bei der<br />
Frage, ob sie ein Verfahren durchführt, nicht über ein<br />
Aufgreifermessen. Vielmehr ist sie verpflichtet, bei sämtlichen<br />
Maßnahmen, bei denen es sich um rechtswidrige<br />
Beihilfenmaßnahmen handeln könnte, einzuschreiten. Für<br />
eine gewisse Entlastung sorgt die sog. De-minimis-Verordnung.<br />
81 Diese sieht vor, dass bestimmte Beihilfen, die<br />
einen festgesetzten Betrag nicht überschreiten, keine Beeinträchtigung<br />
im Sinne von Artikel 87 Abs. 1 EGV auslösen<br />
und infolgedessen nicht bei der EU-Kommission<br />
nach Artikel 88 Abs. 3 EGV angemeldet werden müssen.<br />
82 Darüber hinaus werden in Gruppenfreistellungsverordnungen<br />
bestimmte Beihilfen pauschal von der Anmeldepflicht<br />
befreit.<br />
5.2.5 Wettbewerbsverfälschung<br />
979. Mitgliedstaatliche Beihilfen fallen nach dem Wortlaut<br />
des Artikel 87 Abs. 1 EGV nur dann unter das Beihilfenverbot,<br />
wenn sie „den Wettbewerb verfälschen oder zu<br />
verfälschen drohen“. Nach der Rechtsprechung der europäischen<br />
Gerichte ist das Merkmal der Wettbewerbsverfälschung<br />
des Artikel 87 Abs. 1 EGV erfüllt, wenn eine<br />
Beihilfe die Stellung des Begünstigten gegenüber (aktuellen<br />
oder potenziellen) Wettbewerbern stärkt. 83 Die EU-<br />
Kommission vertrat zunächst die Auffassung, sie brauche<br />
die Umstände, die nach ihrer Ansicht im konkreten Fall<br />
eine (drohende) Wettbewerbsverfälschung begründen,<br />
nicht darzulegen. Eine Beihilfe habe stets eine Verfälschung<br />
zur Folge. 84 Der EuGH entschied im Jahr 1985,<br />
die Kommission habe „diese Umstände in der Begründung<br />
ihrer Entscheidung zumindest anzugeben“, obwohl<br />
80 EuGH, Urteil vom 3. März 2005, Rs. C-172/03, Heiser/Finanzamt<br />
Innsbrück, Slg. 2005, I-1627, Rn. 25.<br />
81 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember<br />
2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf<br />
„De-minimis-Beihilfen“, ABl. EU Nr. L 379 vom 28. Dezember<br />
2006, S. 5.<br />
82 Die Obergrenze ist inzwischen angehoben worden. Früher galten Finanzhilfen,<br />
die einen Gesamtbetrag von 100 000 Euro innerhalb von<br />
drei Jahren nicht überschreiten, nicht als staatliche Beihilfen. In der<br />
neuen De-minimis-Verordnung ist dieser Betrag nun auf 200 000 Euro<br />
angehoben worden. Kreditsicherheiten werden in einer Höhe von bis<br />
zu 1,5 Mio. Euro zugelassen.<br />
83 Vgl. EuG, Urteil vom 13. Juni 2000, Rs. T-204/97, EPAC/Kommission,<br />
Slg. 2000, II-2267, Rn. 87 ff.<br />
84 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Elfter Wettbewerbsbericht<br />
1981, Brüssel, Luxemburg 1982, Rn. 176.<br />
sich „in bestimmten Fällen bereits aus den Umständen,<br />
unter denen eine Beihilfe gewährt worden sei, ergeben<br />
könne, dass sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten<br />
beeinträchtigt oder zu verfälschen droht“. 85 An diese Darlegungspflicht<br />
der EU-Kommission stellt der EuGH jedoch<br />
keine hohen Anforderungen. Eine summarische<br />
Darlegung der wettbewerbsrelevanten Umstände sowie<br />
eine plausible Begründung der tatsächlichen oder drohenden<br />
Wettbewerbsverfälschung werden für den „Nachweis“<br />
einer zumindest drohenden Wettbewerbsverfälschung<br />
als ausreichend betrachtet. 86 Die EU-Kommission<br />
hat nur darzulegen, welche Sektoren von der Beihilfe potenziell<br />
betroffen sind, dass in diesen Sektoren Wettbewerb<br />
herrscht, Wettbewerber durch die fraglichen Beihilfen<br />
in unterschiedlicher Weise betroffen sind und die<br />
Begünstigung geeignet ist, sich im Wettbewerb auszuwirken.<br />
87 . Eine quantitative Analyse der möglichen Auswirkungen<br />
der Beihilfe auf den Wettbewerb und eine genaue<br />
Marktabgrenzung verlangt der EuGH nicht. 88<br />
980. Der EU-Kommission wird von der Rechtsprechung<br />
im Zusammenhang mit Artikel 87 Abs. 1 EGV somit<br />
traditionell ein weitreichender Beurteilungsspielraum<br />
eingeräumt. Anders als bei Artikel 81 und 82 EGV verlangt<br />
der EuGH keine bestimmte Intensität bzw. Spürbarkeit<br />
der Wettbewerbverfälschung als ungeschriebenes<br />
Tatbestandsmerkmal. 89 Im Ergebnis wird eine grenzüberschreitende<br />
Wettbewerbsverfälschung pauschal vermutet,<br />
sobald feststeht, dass eine selektive Begünstigung bestimmter<br />
Unternehmen oder Produktionszweige im Sinne<br />
der oben genannten Rechtsprechung vorliegt. Diese Vermutung<br />
wird auch nicht durch den Wortlaut der Norm<br />
vorgegeben. Durch die Verwendung des Begriffs „zu verfälschen<br />
drohen“ in Artikel 87 Abs. 1 EGV kommt zwar<br />
zum Ausdruck, dass bereits die Möglichkeit einer Wettbewerbsverfälschung<br />
ausreicht und eine solche nicht tatsächlich<br />
eintreten muss, um das Verbot auszulösen. Hieraus<br />
ist jedoch nicht abzuleiten, dass eine konkrete<br />
Darlegung der Wettbewerbssituation und der Tatsachen,<br />
aus denen sich die Gefahr nachteiliger Effekte für den<br />
Wettbewerb ergibt, entbehrlich wäre.<br />
981. Das Wettbewerbskriterium ist in Artikel 87 Abs. 1<br />
EGV anders formuliert als in der kartellrechtlichen Norm<br />
des Artikel 81 Abs. 1 EGV. So wird dort nicht der Ausdruck<br />
„den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen<br />
drohen“ verwendet, sondern vielmehr darauf abgestellt,<br />
dass bestimmte Verhaltensweisen „eine Verhinderung,<br />
85 EuGH, Urteil vom 13. März 1985, Verb. Rs. 296 und 318/82, Niederlande<br />
und Leeuwarder Papierwarenfabriek, Slg. 1985, 809, Rn. 24.<br />
86 EuG, Urteil vom 15. Juni 1999, Rs. T-288/97, Friuli Venezia Giulia/<br />
Kommission, Slg. 1999, II-1871, Rn. 48/50; Urteil vom 15. Juni<br />
2000, Rs. T-298/97, Alzetta Mauro/Kommission, Slg. 2000, II-2319,<br />
Rn. 95; Urteil vom 13. Juni 2000, Rs. T-204/97, EPAC/Kommission,<br />
Slg. 2000, II-2267, Rn. 35/47 f.; Urteil vom 29. September 2000,<br />
Rs. T-55/99, CETM/Kommission, Slg. 2000, II-3207, Rn. 102 ff.<br />
87 Vgl. EuG, Urteil vom 13. Juni 2000, Rs. T-204/97, EPAC/Kommission,<br />
Slg. 2000, II-2267, Rn. 87 ff.<br />
88 Vgl. EuGH, Urteil vom 17. September 1980, Rs. 730/79, Philip Morris/<br />
Kommission, Slg. 1980, 2671, Rn. 9 und 11 f.<br />
89 Vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2000, Rs. C-156/98, Deutschland/Kommission,<br />
Slg. 2000, I-6857, Rn. 32/29.