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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 356 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

jedoch nach Ansicht der Monopolkommission mit<br />

Schwierigkeiten verbunden. Problematisch wäre insbesondere,<br />

dass die EU sich selbst kontrollieren würde und<br />

überdies dasselbe Organ zuständig wäre. Denn die EU-<br />

Kommission ist nicht nur mit der Durchführung der Beihilfenkontrolle<br />

betraut, vielmehr fällt auch die Verwaltung<br />

der europäischen Fördermittel und Fonds in ihren<br />

Aufgabenbereich. Denkbar wäre eine Übertragung der<br />

Kontrollfunktion auf die europäischen Gerichte. Allerdings<br />

gestehen diese der EU-Kommission in politisch geprägten<br />

Entscheidungen traditionell einen weiten Ermessensspielraum<br />

zu. Deshalb erscheint fraglich, ob auf diese<br />

Weise eine effiziente Kontrolle der EU-Beihilfen erzielt<br />

werden könnte. Vorzugswürdig wäre es demgegenüber,<br />

die Kontrolle auf eine neu zu errichtende, unabhängige<br />

europäische Aufsichtsbehörde zu übertragen, die frei von<br />

politischer Einflussnahme agieren kann. Neben etwaigen<br />

EU-bezogenen Maßnahmen ist zu erwägen, sich verstärkt<br />

auf internationaler Ebene für die Einführung eines verbesserten<br />

Kontrollregimes innerhalb des WTO-Rahmens<br />

einzusetzen.<br />

964. Zum Schutz des grenzüberschreitenden Wettbewerbs<br />

im EU-Binnenmarkt erfüllt die europäische Beihilfenkontrolle<br />

eine wichtige und tragende Funktion. In<br />

außereuropäischen Staaten fehlen entsprechende Schutzmechanismen<br />

häufig, so dass die Vergabe von Beihilfen<br />

durch die politischen Entscheidungsträger keiner strengen<br />

Kontrolle wie in der EU unterliegt. Infolgedessen besteht<br />

bei international umworbenen Großprojekten die Möglichkeit,<br />

dass Drittstaaten den Unternehmen höhere Beihilfenbeträge<br />

(Subventionen) in Aussicht stellen können<br />

als die an Artikel 87 ff. EGV gebundenen EU-Mitgliedstaaten.<br />

Nach Ansicht der Monopolkommission sollten<br />

die EU-Beihilfenregeln jedoch auch in solchen Konstellationen<br />

keine Einschränkung erfahren und nicht aufgeweicht<br />

werden. Vielmehr sollte angestrebt werden, bessere<br />

Schutzstandards auf internationaler Ebene zu<br />

etablieren und die Einführung strengerer Subventionsregeln<br />

(insbesondere im Rahmen der WTO) auch im Verhältnis<br />

zu Drittstaaten zu erwirken.<br />

5.2 Tatbestandsebene (Artikel 87 Abs. 1 EGV)<br />

5.2.1 Gewährung einer Begünstigung<br />

965. Obwohl Artikel 87 Abs. 1 EGV eine Definition des<br />

Begriffs der Beihilfe enthält, handelt es sich bei den dort<br />

genannten Merkmalen um unbestimmte Rechtsbegriffe,<br />

die unterschiedlich auslegbar sind und einer Konkretisierung<br />

bedürfen. Um zu verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen<br />

eine Maßnahme bislang als Beihilfe qualifiziert<br />

wird und dem europäischen Kontrollregime<br />

unterworfen ist, werden im Folgenden die Merkmale des<br />

Artikel 87 Abs. 1 EGV im Einzelnen sowie ihre traditionelle<br />

Auslegung durch die EU-Organe dargestellt.<br />

966. Eine Maßnahme stellt nur dann eine Beihilfe dar,<br />

wenn sie eine „Begünstigung“ im Sinne des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV beinhaltet. Diese kann aus positiven staatlichen<br />

Leistungen resultieren. Insoweit wird ein breites<br />

Spektrum von Beihilfenformen unter den Begriff der Beihilfe<br />

subsumiert. So werden – im Gegensatz zum Beihil-<br />

fenbericht der Bundesregierung – auch Staatsbürgschaften<br />

erfasst. Darüber hinaus gelten Maßnahmen als<br />

Beihilfe, welche die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen<br />

normalerweise zu tragen hat. Unter die europäische<br />

Beihilfenaufsicht fallen somit z. B. auch die Gewährung<br />

von Krediten zu Vorzugsbedingungen sowie<br />

Zahlungserleichterungen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.<br />

967. Das Beihilfenverbot des Artikel 87 Abs. 1 EGV erstreckt<br />

sich nicht nur auf einseitige staatliche Maßnahmen,<br />

sondern auch auf Vorteile, die der Staat einem Unternehmen<br />

im Rahmen einer Austauschbeziehung gewährt.<br />

Die Mitgliedstaaten dürfen zwar durchaus als<br />

Investoren mit Gewinnerzielungsabsicht am Wirtschaftsleben<br />

teilnehmen (Artikel 295 EGV). Um jedoch Umgehungen<br />

zu vermeiden, wird eine Begünstigung im Sinne<br />

von Artikel 87 Abs. 1 EGV auch dann angenommen, wenn<br />

die staatliche Leistung nicht mit einer angemessenen Gegenleistung<br />

einhergeht (sog. teilweise Unentgeltlichkeit,<br />

z. B. Verkauf eines Grundstücks unter Marktpreis). Inwiefern<br />

eine Kapitalzuführung, ein Verlustausgleich oder ein<br />

Gewinnverzicht eine Beihilfe darstellt oder aber als<br />

marktgerechtes Verhalten anzusehen ist, wird von der<br />

EU-Kommission im Einzelfall näher geprüft. Für die Abgrenzung<br />

zwischen tatbestandlicher Begünstigung und<br />

marktgerechtem staatlichem Verhalten ist nach ständiger<br />

Rechtsprechung das Kriterium des marktwirtschaftlich<br />

handelnden Privatinvestors heranzuziehen („private investor<br />

test“). 68<br />

968. Lediglich bei dieser Voraussetzung des Artikel 87<br />

Abs. 1 EGV nimmt die ökonomische Analyse bereits seit<br />

längerem breiten Raum ein. Die Erstellung und Verwendung<br />

ökonomischer Gutachten ist zumindest in problematischen<br />

Fällen bei der Prüfung, ob eine Begünstigung vorliegt<br />

(insbesondere im Rahmen des „private investor<br />

test“), – anders als bei den übrigen Tatbestandsmerkmalen<br />

– in der Praxis üblich.<br />

5.2.2 Begünstigung „bestimmter Unternehmen<br />

oder Produktionszweige“<br />

5.2.2.1 Mögliche Begünstigte<br />

969. Das Vorliegen einer Beihilfe setzt ferner voraus,<br />

dass der betreffende Vorteil einem Unternehmen oder<br />

Produktionszweig zugute kommt. Der Begriff des Unternehmens<br />

in Artikel 87 Abs. 1 EGV entspricht dem Unternehmensbegriff<br />

in den anderen Bestimmungen des EU-<br />

Wettbewerbsrechts. Ebenso wie etwa bei Artikel 81<br />

Abs. 1 EGV erfasst der Begriff des Unternehmens „jede<br />

eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig<br />

von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“<br />

(sog. funktionaler Unternehmensbegriff). 69 Zuwen-<br />

68 Der EuGH hat in diesem Zusammenhang präzisiert, dass die Mitgliedstaaten<br />

weniger an einer kurzfristigen als an einer längerfristigen<br />

Rentabilität ihrer Investitionen interessiert sind. Ihr Verhalten als<br />

öffentliche Investoren müsse daher mit dem von Holdinggesellschaften<br />

oder privaten Unternehmensgruppen verglichen werden, deren<br />

Rentabilitätsdenken auf längere Sicht angelegt sei.<br />

69 EuGH, Urteil vom 17. Februar 1993, Verb. Rs. 159/91 und 160/91,<br />

Poucet/AGF und Camulrac und Pistre/Cancava, Slg. 1993, I-637, Rn 17.

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