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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 355 – Drucksache 16/10140<br />

welche die Kohäsion zwischen den verschiedenen Regionen<br />

und verschiedenen Mitgliedstaaten verbessern sollen,<br />

hatten einen Anteil von 35,9 Prozent am EU-Haushalt im<br />

Jahr 2007. Im Haushaltsplan wurden hierfür 45,5 Mrd.<br />

Euro eingeplant, wobei 35,3 Mrd. Euro auf die wirtschaftlich<br />

schwächsten Regionen in der EU entfallen sollten.<br />

Der Anteil der Beihilfen im Bereich Landwirtschaft<br />

und ländliche Entwicklung am EU-Haushalt sollte im<br />

gleichen Zeitraum bei 44,4 Prozent (56,3 Mrd. Euro) liegen.<br />

62<br />

960. Trotz ihrer Bedeutung fallen Beihilfen der EU<br />

nicht unter das Verbot des Artikel 87 Abs. 1 EGV. Das<br />

dortige Merkmal „staatliche oder aus staatlichen Mitteln“<br />

erfasst ausschließlich Maßnahmen der Mitgliedstaaten<br />

und von ihnen gewährte Zuwendungen. Die Beihilfen der<br />

Gemeinschaft, die zu einem erheblichen Anteil keine horizontale<br />

Zielsetzung verfolgen, sondern vielmehr bestimmten<br />

Sektoren (Landwirtschaft) zufließen und damit<br />

aus wettbewerbspolitischer Sicht als besonders problematisch<br />

einzustufen sind, unterliegen also nicht der strengen<br />

EU-Beihilfenkontrolle nach Artikel 87 ff. EGV. Sie unterstehen<br />

allein den Beihilfenregeln des WTO-Rechts. Entsprechende<br />

Regeln sind sowohl im Allgemeinen Zollund<br />

Handelsabkommen 1994 (GATT 1994) als auch im<br />

Übereinkommen über Beihilfen und Ausgleichsmaßnahmen<br />

(Agreement on Subsidies and Countervailing<br />

Measures, SCM-Agreement) enthalten. 63 Neben den Mitgliedstaaten<br />

ist die EG diesen völkerrechtlichen Verträgen<br />

gemäß Artikel 133 EGV beigetreten, so dass diese für die<br />

Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich<br />

sind (Artikel 300 Abs. 7 EGV). Das europäische<br />

Beihilfenrecht stellt im Vergleich zum WTO-Recht das<br />

wesentlich ausdifferenziertere Regelungsregime dar, dessen<br />

Anwendung umfassend auf die Verwirklichung des<br />

Gemeinsamen Marktes unter Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen<br />

angelegt ist. 64<br />

62 Die Direktzahlungen an die Landwirte und Marktordnungsmaßnahmen<br />

machen hiervon 45,8 Mrd. Euro aus.<br />

63 Vgl. ABl. EG Nr. L 336 vom 23. Dezember 1994, S. 3, hier: S.156–183<br />

(Anhang 1A, Übereinkommen und Ausgleichsmaßnahmen).<br />

64 Das SCM-Agreement unterscheidet drei Kategorien von Beihilfen<br />

(sog. Ampelansatz):<br />

– Verbotene (ROTE) Beihilfen (Part II SCM-Agreement). Dabei<br />

handelt es sich um Beihilfen, die an die Ausfuhr von Waren oder<br />

an die Verwendung inländischer Waren geknüpft sind. Diese sind<br />

per se verboten. Wenn die eingesetzte „Sondergruppe“ des DSB<br />

(Dispute Settlement Body, ein WTO-Streitbeilegungsorgan) zu<br />

dem Ergebnis kommt, dass die jeweilige Maßnahme eine verbotene<br />

Beihilfe darstellt, so „empfiehlt“ sie dem betreffenden Staat, die<br />

Beihilfe unverzüglich zurückzunehmen; geschieht dies nicht, darf<br />

der beeinträchtigte Staat keine Gegenmaßnahmen ergreifen.<br />

– Anfechtbare (GELBE) Beihilfen (Part III SCM-Agreement). Voraussetzung<br />

für Anfechtbarkeit ist, dass die jeweiligen Beihilfen<br />

nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder<br />

verursachen(Artikel 5 SCM-Agreement). Hier hat das die Beihilfe<br />

gewährende WTO-Mitglied die Möglichkeit, die Beihilfe zurückzunehmen<br />

oder die nachteiligen Auswirkungen zu beseitigen; erfolgt<br />

dies nicht, dürfen Gegenmaßnahmen (Ausgleichszölle (countervailing<br />

duties)) als Schutzmaßnahme gegen subventionierte<br />

Einfuhren (Artikel 10 ff. SCM-Agreement) ergriffen werden.<br />

– Nichtanfechtbare (GRÜNE) Beihilfen (Part IV SCM-Agreement).<br />

Hierunter fallen bestimmte Forschungsbeihilfen, Beihilfen für benachteiligte<br />

Regionen und Umweltbeihilfen.<br />

961. Das gegenwärtige System der EU-eigenen Beihilfen<br />

ist durch ein Nebeneinander verschiedener Fonds gekennzeichnet,<br />

deren Aufgabenbereiche zum Teil nicht<br />

klar abgegrenzt sind. Gemeinschaftsbeihilfen werden institutionell<br />

etwa von dem Europäischen Ausrichtungsund<br />

Garantiefonds für die Landwirtschaft (Artikel 34<br />

Abs. 3 EGV), dem Europäischen Sozialfonds (Artikel<br />

146 EGV), den Strukturfonds zur Erzielung der Kohäsion<br />

und Konvergenz (Artikel 158 ff. EGV), der Europäischen<br />

Investitionsbank (Artikel 266 f. EGV) sowie im<br />

Bereich Forschung und Entwicklung (Artikel 163 ff.<br />

EGV) gewährt. 65 Die Höhe der Finanzierung der einzelnen<br />

Fonds durch die Mitgliedstaaten ist vielfach das Ergebnis<br />

politischer Kompromisse.<br />

962. Da sich die Kriterien für die Vergabe von Beihilfen<br />

durch die EU aus Sicht potenzieller Begünstigter als komplex<br />

und unübersichtlich darstellen, besteht die Gefahr<br />

überhöhter Bürokratiekosten und mangelnder Effizienz<br />

der gegenwärtigen EU-Förderung. Zudem bestehen Defizite<br />

bei der Überwachung der EU-Beihilfen, so dass Mitnahmeeffekte<br />

sowie missbräuchliche Betrugshandlungen<br />

drohen. 66 Angesichts der Intransparenz des Systems und<br />

der Höhe der gewährten Gelder können EU-Beihilfen<br />

nach Auffassung der Monopolkommission erhebliche<br />

Wettbewerbsverzerrungen im europäischen Binnenmarkt<br />

hervorrufen. Die gegenwärtigen, wenig ausdifferenzierten<br />

WTO-Bestimmungen, die vor allem im Verhältnis zu<br />

nicht EU-angehörigen Drittstaaten von Bedeutung sind,<br />

bieten nur einen rudimentären Schutz.<br />

963. Teilweise wird vorgeschlagen, das in Artikel 87 ff.<br />

EGV geregelte Kontrollregime auf den Bereich der EU-<br />

Beihilfen zu erstrecken. 67 Eine solche Ausweitung wäre<br />

65 Die EU-Kommission strebt auch im Bereich der EU-Beihilfen Reformen<br />

an. So ist beispielsweise für 2008 eine Grundsatzdebatte über<br />

die Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik der EU geplant,<br />

die frühestens 2013 erfolgen wird. Die EU hat 1992 mit der ersten<br />

von mittlerweile drei Reformen begonnen, sich schrittweise aus der<br />

Markt- und Preisstützung zurückzuziehen. Bei der letzten Agrarreform<br />

2003 hatten die Mitgliedstaaten beschlossen, die Beihilfen von<br />

der Produktion zu entkoppeln und durch ein System der direkten Einkommensstützung<br />

zu ersetzen. Die pauschalen Zahlungen, welche<br />

die Landwirte inzwischen erhalten, orientieren sich der Höhe nach an<br />

den in den Vorjahren gewährten betrieblichen Beihilfen. Die EU-<br />

Kommission regt an, die Beihilfen für große Agrarbetriebe zu begrenzen<br />

und die EU-Direktzahlungen an die Bauern zugunsten einer<br />

Politik zur Förderung ländlicher Regionen zu kürzen. Vgl. näher<br />

Maas, S., Schmidt, P., Gemeinsame Agrarpolitik der EU, Wirtschaftsdienst<br />

87, 2007, S. 94–100 sowie o. V., EU-Kommission stellt<br />

Basis für Agrarhilfen in Frage, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom<br />

31. Oktober 2007, S. 15.<br />

66 Der Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften kommt in seinem<br />

Jahresbericht über die Ausführung des Haushaltsplans zum<br />

Haushaltsjahr 2006 (ABl. EU Nr. C 273 vom 15. November 2007,<br />

S. 1, S. 132, l. Sp., Ziff. 6.39) zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2006 etwa<br />

im Bereich der Strukturpolitik mindestens 12 Prozent der Fördergelder<br />

nie hätten genehmigt werden dürfen. Ursache für die hohe<br />

Fehlerquote seien zum einen Fahrlässigkeit und unzulängliche<br />

Kenntnisse aufseiten der auszahlenden Stellen und zum anderen gezielte<br />

Betrugsversuche, die durch mangelnde Qualität und Anzahl<br />

der Kontrollen erleichtert würden. In Deutschland ist der Beihilfenbetrug<br />

nach § 264 StGB strafbar.<br />

67 Vgl. etwa Schwintowski, H.-P., Staatlich veranlaßte Wettbewerbsbeschränkungen<br />

auf europäischen und internationalen Märkten, Rabels<br />

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 58,<br />

1994, S. 232–291, 245.

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