Deutscher Bundestag Unterrichtung
Deutscher Bundestag Unterrichtung
Deutscher Bundestag Unterrichtung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Drucksache 16/10140 – 354 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
könnte im Rahmen einer Ex-ante-Kontrolle entweder mit<br />
Anhörungs-, Äußerungs- und Berichtsrechten ausgestattet<br />
werden und Empfehlungen aussprechen. Ihr könnte<br />
aber auch in Anlehnung an die Möglichkeiten der EU-<br />
Kommission in der europäischen Beihilfenkontrolle ein<br />
Einspruchsrecht eingeräumt werden.<br />
955. Ferner sollten Beihilfen – ebenso wie dies für die<br />
Vergabe öffentlicher Aufträge vorgeschrieben ist (§§ 97 ff.<br />
GWB) – grundsätzlich im Rahmen eines offenen und<br />
transparenten Verfahrens vergeben werden. Sofern es sich<br />
um ein allgemein-abstraktes Beihilfenprogramm handelt,<br />
sollte die Zuwendung allen Unternehmen zugänglich<br />
sein, die bestimmte Kriterien erfüllen. Bei Einzelbeihilfen<br />
sollte ein Wettbewerb im Rahmen eines transparenten<br />
Ausschreibungsverfahrens stattfinden. Hierdurch ließen<br />
sich ineffizient hohe und diskriminierende Beihilfen sowie<br />
unnötige zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen vermeiden.<br />
956. Schließlich sollten subjektive Rechte potenzieller<br />
Beihilfenempfänger, betroffener Wettbewerber und ihrer<br />
Verbände sowie ein effizientes Rechtsschutzsystem geschaffen<br />
werden. Durch die Zulassung einer privaten<br />
Rechtsdurchsetzung kann nach Auffassung der Monopolkommission<br />
die Effizienz einer gesamtwirtschaftlichen<br />
nationalen Beihilfenkontrolle gesteigert werden. Als Vorbild<br />
könnten die Bestimmungen zur Überprüfung der Vergabe<br />
öffentlicher Aufträge dienen (§§ 104 ff. GWB). Danach<br />
können Unternehmen, die einen öffentlichen<br />
Auftrag nicht erhalten haben, bei Erreichen oder Übersteigen<br />
bestimmter Schwellenwerte nach §§ 107 ff. GWB<br />
Rechtsschutz vor unabhängigen Vergabekammern im<br />
Rahmen eines förmlichen Nachprüfungsverfahrens erlangen.<br />
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die<br />
sofortige Beschwerde zulässig, über die ein Vergabesenat<br />
des Oberlandesgerichts entscheidet, das für den Sitz der<br />
Vergabekammer zuständig ist (§ 116 GWB). In diesen<br />
Verfahren stellt sich ebenfalls die Thematik des Schutzes<br />
vertraulicher Geschäftsdaten. Um zu verhindern, dass Betriebs-<br />
und Geschäftsgeheimnisse des Begünstigten gegenüber<br />
dem klagenden Wettbewerber preisgegeben werden<br />
müssen, ist vorgesehen, dass die Vergabekammern<br />
und -senate das Recht zur Akteneinsicht bei entsprechenden<br />
Daten verweigern können. 56 Darüber hinaus könnten<br />
in Anlehnung an das Vergaberecht Beschleunigungsvorschriften<br />
eingeführt werden, damit Verzögerungen und<br />
Rechtsunsicherheiten vermieden werden. 57<br />
957. Beihilfen, die von vornherein auf individuelle Unternehmen<br />
zugeschnitten sind und bei denen daher kein<br />
Ausschreibungsverfahren durchgeführt wird, sowie Beihilfen<br />
zugunsten bestimmter, bereits etablierter Branchen<br />
sollten auf nationaler Ebene grundsätzlich verboten und<br />
allenfalls in Ausnahmefällen erlaubt werden. Derartige<br />
Beihilfen stellen sich aus gesamtvolkswirtschaftlicher<br />
56 Vgl. § 111 GWB, der in § 120 Abs. 2 GWB für das sofortige Beschwerdeverfahren<br />
vor den Vergabesenaten für entsprechend anwendbar<br />
erklärt wird.<br />
57 Eine Beschleunigung des Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern<br />
ist in § 113 GWB vorgesehen.<br />
Sicht regelmäßig als besonders problematisch dar. Dies<br />
gilt etwa für Rettungsbeihilfen, die auf den Erhalt eines<br />
speziellen Unternehmens gerichtet sind. Neben dem Risiko,<br />
dass entsprechende Beihilfen die angestrebte Wirkung<br />
(Erhalt von Arbeitsplätzen) verfehlen, in zu hohem<br />
Umfang gewährt werden oder aber durch ein eigennütziges<br />
Handeln der verantwortlichen Politiker bedingt sind,<br />
können solche Beihilfen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen<br />
führen, indem ineffiziente Unternehmen gefördert<br />
und effizienten Newcomern der Markteintritt erschwert<br />
wird.<br />
958. Im Hinblick auf die oben in Abschnitt 2.2.3 erläuterten<br />
politökonomischen Zusammenhänge ist die Einführung<br />
einer effektiven Beihilfenkontrolle auf nationaler<br />
Ebene nicht unbedingt wahrscheinlich. Zu groß sind die<br />
Interessen politischer Handlungsträger an der Bewahrung<br />
von finanziellen Spielräumen, in denen sie ihre eigene<br />
Klientel bedienen können. Es ist vermutlich auf diese Zusammenhänge<br />
zurückzuführen, dass die europäische Beihilfenkontrolle<br />
ihren eigenen Anwendungsbereich durch<br />
eine weite Auslegung der Tatbestandselemente des Artikel<br />
87 Abs. 1 EGV relativ stark erweitert hat. 58 Sie füllt<br />
gleichsam eine Lücke im institutionellen Gefüge der Mitgliedstaaten.<br />
Weil diese einerseits ihre eigene Subventionspraxis<br />
nicht wirksam kontrollieren, andererseits aber<br />
das haushaltspolitische Bedürfnis für eine Beschränkung<br />
sehen, akzeptieren sie es in der Regel ohne großen Protest,<br />
wenn die EU-Kommission die Beihilfenvergabe<br />
auch dort überprüft, wo sich eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung<br />
und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen<br />
Handels gar nicht ernsthaft feststellen lässt, wo es<br />
also letztlich um haushaltspolitische Disziplin geht. Die<br />
Monopolkommission versteht ihre Vorschläge zur Rückführung<br />
der europäischen Beihilfenkontrolle auf wettbewerbsrelevante<br />
Beihilfen. 59 und zur Schaffung einer nationalen<br />
Beihilfenkontrolle als ein Paket komplementärer<br />
Maßnahmen, das nur insgesamt zu verwirklichen ist.<br />
5. Rechtliche Rahmenbedingungen und<br />
ihre traditionelle Auslegung durch die<br />
europäischen Organe<br />
5.1 Subventionen der EU und von Drittstaaten:<br />
keine Anwendbarkeit von<br />
Artikel 87 EGV<br />
959. Die EU selbst gewährt Subventionen in nicht unerheblicher<br />
Größenordnung. Im Haushaltsplan 2007 wurden<br />
sie mit 126,5 Mrd. Euro angegeben. 60 Dagegen haben<br />
etwa die 25 EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2006 „lediglich“<br />
Beihilfen mit einem Volumen von insgesamt 66,5 Mrd.<br />
Euro gewährt. 61 Die größte Bedeutung kommt bislang<br />
den verteilungspolitischen und landwirtschaftlichen EU-<br />
Maßnahmen zu. Die regionalen Strukturmaßnahmen,<br />
58 Vgl. näher unten Abschnitt 5.2.4 und Abschnitt 5.2.5.<br />
59 Vgl. unten Abschnitt 5.2 und Abschnitt 7.1.<br />
60 EU-Kommission: Übersicht EU-Haushalt 2007, http://ec.europa.eu/<br />
budget/publications/budget_in_fig_de.htm.<br />
61 Vgl. Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen,<br />
Herbstausgabe 2007, a. a. O., S. 10.