Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 353 – Drucksache 16/10140<br />
949. Dieses Ziel wurde aus der endgültigen Fassung des<br />
künftigen EU-Reformvertrags gestrichen. 52 Die Monopolkommission<br />
hält dies wegen der hiervon ausgehenden<br />
negativen Signalwirkung für die europäische Wettbewerbspolitik<br />
für bedenklich. Juristisch betrachtet, werden<br />
sich jedoch keine unmittelbaren Änderungen für den<br />
Vollzug der EU-Wettbewerbsvorschriften im Kartellrecht<br />
und Beihilfenrecht ergeben. 53 So gehört nach Artikel 3<br />
Abs. 3 des EU-Reformvertrags die Verwirklichung des<br />
Binnenmarkts zu den Primärzielen der Gemeinschaft, und<br />
in einem dem Reformvertrag angefügten Protokoll ist<br />
festgehalten, dass zum Binnenmarkt auch „ein System<br />
gehört, das den Wettbewerb vor Verfälschungen<br />
schützt“. 54 Protokolle, die den primärrechtlichen Gemeinschaftsverträgen<br />
beigefügt sind, entfalten rechtsverbindliche<br />
Wirkung und haben denselben primärrechtlichen Rang.<br />
4.3 Verbesserung der nationalen<br />
Kontrollmöglichkeiten<br />
950. Für Beihilfen gewährende öffentliche Stellen ist<br />
es entscheidend, die voraussichtlichen Auswirkungen einer<br />
Beihilfenvergabe für die Gesamtwohlfahrt zu kennen<br />
(gesamtwohlfahrtsorientierter Kosten-Nutzen-Vergleich).<br />
Wie oben dargelegt, ist die EU-Kommission<br />
indes im Rahmen der Beihilfenkontrolle lediglich dazu<br />
berufen, diejenigen Kosten zu würdigen und mit dem angestrebten<br />
Nutzen abzuwägen, die in Form von Wettbewerbsbeeinträchtigungen<br />
durch die Beihilfe im Binnenmarkt<br />
entstehen können.<br />
951. Auf nationaler Ebene sind demgegenüber neben<br />
den voraussichtlichen Wettbewerbsverzerrungen auch die<br />
weiteren durch eine Beihilfenvergabe induzierten volkswirtschaftlichen<br />
Kosten zu berücksichtigen. So obliegt<br />
den Mitgliedstaaten die Aufgabe, die Finanzierungskosten<br />
der Beihilfen und die hierdurch entstehenden Opportunitätskosten<br />
und Nettowohlfahrtsverluste (Schattenpreise<br />
der Besteuerung) zu ermitteln und sicherzustellen,<br />
dass Beihilfen effizient vergeben und eine Verschwendung<br />
öffentlicher Gelder vermieden wird.<br />
952. In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Förderprogrammen<br />
mit sich zum Teil überschneidender Zielsetzung,<br />
die von verschiedenen öffentlichen Stellen und unterschiedlichen<br />
Hoheitsträgern (EU, Bund, Länder und<br />
Kommunen) initiiert sind. Infolge der sich daraus ergebenden<br />
Intransparenz ist es für Unternehmen (insbesondere<br />
für kleine und mittlere Unternehmen) schwer zu<br />
überblicken, ob und in welcher Höhe sie Fördermittel erlangen<br />
können. Sie müssen zum Teil erhebliche Ressourcen<br />
zur Klärung dieser Frage aufwenden. Aufgrund der<br />
fehlenden Koordinierung besteht zudem die Gefahr, dass<br />
52 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische<br />
Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen<br />
Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007,<br />
ABl. EU Nr. C 306 vom 17. Dezember 2007, S. 1.<br />
53 Die Artikel 81, 82 und Artikel 87 ff. EGV wurden bis auf wenige<br />
Modifikationen beibehalten; vgl. Artikel 2 Ziff. 75 ff. des Vertrags<br />
von Lissabon.<br />
54 Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, ABl. EU Nr. C<br />
306 vom 17. Dezember 2007, S. 156.<br />
Beihilfen zur Erreichung bestimmter Ziele in ineffizient<br />
hohem Umfang gewährt oder gegenläufige Ziele verfolgt<br />
werden. Die Abstimmung ließe sich verbessern, wenn<br />
Beihilfen und Beihilfenprogramme unter Beschreibung<br />
ihrer Zielsetzung, ihres Umfangs und der Eigenschaften<br />
ihrer tatsächlichen bzw. potenziellen Empfänger auf einer<br />
zentralen Plattform im Internet von sämtlichen Stellen<br />
vorab eingestellt werden müssten. Aus Gründen der Praktikabilität<br />
sollte diese Verpflichtung nur für Beihilfen gelten,<br />
die ein näher zu definierendes Volumen überschreiten.<br />
Eine solche zentrale Plattform könnte zur Senkung der<br />
Transaktionskosten für die Informationsbeschaffung aus<br />
Sicht potenzieller Beihilfenempfänger beitragen. Eine<br />
weitere Möglichkeit zur Senkung der Transaktionskosten<br />
– insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen –<br />
ließe sich verwirklichen, wenn die Unternehmen im Rahmen<br />
ihrer Steuererklärungen Beihilfen beantragen könnten,<br />
die in klar zu formulierenden Fördertatbeständen beschrieben<br />
und in Form einer Steuersenkung gewährt<br />
würden.<br />
953. Die Monopolkommission empfiehlt, die nationalen<br />
Beihilfenprogramme einer regelmäßigen Erfolgskontrolle<br />
zu unterziehen, bei der eine unabhängige Einrichtung untersucht,<br />
ob die zuvor eindeutig zu formulierenden Ziele<br />
erreicht wurden und welche nachteiligen Effekte durch<br />
die Beihilfenvergabe aufgetreten sind. Um die Entstehung<br />
einer Subventionsmentalität zu vermeiden und eine<br />
effiziente Überprüfung sicherzustellen, sollten Beihilfen<br />
von vornherein befristet werden (sunset regulation). Darüber<br />
hinaus ist eine degressive Ausgestaltung längerfristiger<br />
Beihilfen zu befürworten.<br />
954. Neben einer nachträglichen Erfolgskontrolle besteht<br />
die Möglichkeit, in besonders gravierenden Fällen,<br />
in denen das jeweilige Beihilfenprogramm oder die beabsichtigte<br />
Einzelbeihilfe ein näher zu definierendes Volumen<br />
erreicht, eine Ex-ante-Kontrolle vorzuschreiben, bei<br />
der die gesamten volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer<br />
Beihilfe, einschließlich der Folgen für den Wettbewerb,<br />
prognostiziert werden. Die überprüfende Instanz<br />
wäre nicht befugt, eine politische Entscheidung anstelle<br />
des jeweiligen öffentlichen Beihilfengebers zu treffen.<br />
Sie sollte jedoch überprüfen, ob der Beihilfengeber sämtliche<br />
prognostizierbaren volkswirtschaftlichen Kosten der<br />
Beihilfe im Rahmen der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung<br />
berücksichtigt, ob die Beihilfe ein grundsätzlich<br />
geeignetes und erforderliches Mittel zu Erreichung<br />
des angestrebten Zwecks darstellt und ob die zu<br />
erwartenden Kosten nicht außer Verhältnis zu dem voraussichtlichen<br />
Nutzen stehen. Die Zuständigkeit zu dieser<br />
Form einer gesamtwirtschaftlich angelegten nationalen<br />
Beihilfenkontrolle und -bewertung könnte z. B. den nationalen<br />
Rechnungshöfen übertragen werden, die bereits<br />
gegenwärtig die Aufgabe haben, die Haushalts- und Wirtschaftsführung<br />
der öffentlichen Verwaltung zu überprüfen.<br />
Alternativ wäre die Errichtung eines unabhängigen<br />
nationalen Sachverständigengremiums (Subventionskontrollrats)<br />
zu erwägen. 55 Die zuständige Einrichtung<br />
55 Vgl. hierzu schon Monopolkommission, Wettbewerbspolitik in Zeiten<br />
des Umbruchs, Hauptgutachten 1994/1995, Baden-Baden 1996,<br />
Tz. 154.