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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 352 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

stärken. Eine europäische Beihilfenaufsicht kann dazu<br />

beitragen, grenzüberschreitende Wettbewerbsverzerrungen<br />

im EU-Binnenmarkt zu verringern.<br />

945. Weil das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz nicht<br />

hinreichend verwirklicht ist und die mit Prognoseproblemen<br />

belastete Vergabe von Beihilfen grenzüberschreitende<br />

Wettbewerbsverzerrungen auf den Produkt- und<br />

Dienstleistungsmärkten auslösen kann, spricht sich die<br />

Monopolkommission nicht für eine Abschaffung der europäischen<br />

Beihilfenkontrolle aus. Zu berücksichtigen ist<br />

insoweit auch, dass das in Artikel 87 Abs. 1 EGV<br />

normierte Beihilfenverbot nicht absolut gilt, sondern vielmehr<br />

zahlreiche Ausnahmen vorgesehen sind. Den<br />

Mitgliedstaaten ist somit eine Gewährung von Ansiedlungsbeihilfen<br />

im bestehenden System nicht von vornherein<br />

verwehrt. Allerdings sollte die EU-Kommission die<br />

positiven Auswirkungen, die ein Wettbewerb der Standorte<br />

im Bereich von Neuansiedlungen auslösen kann,<br />

stärker als bisher berücksichtigen.<br />

4. Aufgaben der EU-Kommission bei der<br />

Beihilfenkontrolle nach Artikel 87 ff. EGV<br />

4.1 Mögliche ökonomische Gründe für die<br />

Verlagerung der Beihilfenkontrolle<br />

auf eine supranationale Instanz<br />

946. Aus ökonomischer Sicht gibt es zwei mögliche Beweggründe,<br />

die Aufsicht über die Vergabe von Beihilfen<br />

auf eine supranationale Ebene wie die EU zu übertragen.<br />

Mit der Einräumung einer entsprechenden Kompetenz<br />

kann der Zweck verfolgt werden, negative Effekte zu verhindern,<br />

die eine Beihilfenvergabe durch Wettbewerbsverzerrungen<br />

in anderen Staaten auslöst. Ein weiterer<br />

möglicher Grund kann darin bestehen, den effizienten<br />

Einsatz öffentlicher Ressourcen extern überprüfen zu lassen<br />

und durch diese Form der Haushaltskontrolle sog.<br />

Bindungsprobleme (commitment problems) zu vermeiden.<br />

49 Hoheitsträgern fällt es wegen des politischen<br />

Drucks mitunter schwer, Beihilfen zu verweigern und<br />

sich im Voraus auf langfristige Beihilfenverbote und ein<br />

fixes Budget festzulegen. Politiker können daher geneigt<br />

sein, Beihilfen zu vergeben, die im Hinblick auf eine bevorstehende<br />

Wahl kurzfristig einen Zuwachs an Wählerstimmen<br />

versprechen, jedoch aus ökonomischer Sicht<br />

nicht effizient sind und letztlich eine Verschwendung öffentlicher<br />

Gelder darstellen. Die Delegierung der Kontrolle<br />

staatlicher Zuwendungen an eine höhere Instanz<br />

ohne politische Abhängigkeit kann dazu beitragen, entsprechende<br />

Bindungsprobleme zu vermeiden.<br />

4.2 Wettbewerb im EU-Binnenmarkt als<br />

alleiniger Schutzzweck – keine<br />

haushaltspolitische Kompetenz<br />

947. Sowohl die gesetzessystematische Stellung der Artikel<br />

87 ff. EGV als auch der Wortlaut des Artikel 87<br />

49 Vgl. Friederiszick, H.W., Röller, L.-H.,Verouden, V., European State<br />

Aid Control: an Economic Framework, in: Buccirossi, P. (Hrsg.), Handbook<br />

of Antitrust Economics, Cambridge, Mass. 2008, S. 625–669.<br />

Abs. 1 EGV sprechen dafür, dass die Beihilfenkontrolle<br />

ausschließlich auf den Schutz des Wettbewerbs im Binnenmarkt<br />

ausgerichtet ist. Die Beihilfenvorschriften (Artikel<br />

87 ff. EGV) sind Bestandteil des mit „Wettbewerbsregeln“<br />

überschriebenen Kapitels 1 des VI. Titels des EG-<br />

Vertrages. Sie sind somit ebenso wie die gleichfalls dort<br />

verankerten kartellrechtlichen Bestimmungen der Artikel 81,<br />

82 EGV auf das in Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe g EGV genannte<br />

Ziel bezogen, ein System zu errichten, „das den<br />

Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen<br />

schützt“. Artikel 87 Abs. 1 EGV nennt denn<br />

auch das Vorliegen einer Wettbewerbsverfälschung und<br />

die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels<br />

ausdrücklich als maßgebliche Kriterien. Die Verhinderung<br />

negativer Spillover-Effekte in Form von Wettbewerbsverzerrungen<br />

im EU-Binnenmarkt bildet folglich<br />

den Schutzzweck der europäischen Beihilfenkontrolle.<br />

Mit ihrer Einführung sollte die Errichtung eines einheitlichen<br />

Binnenmarktes gefördert und verhindert werden,<br />

dass die Mitgliedstaaten den Abbau von Handelshemmnissen<br />

und die Verwirklichung der im EG-Vertrag genannten<br />

Grundfreiheiten durch den Einsatz von Beihilfen<br />

konterkarieren. Beihilfen an nationale Unternehmen können<br />

eine vergleichbare marktabschottende Wirkung wie<br />

Schutzzölle entfalten. 50 In den letzten Jahren sind Versuche<br />

der Mitgliedstaaten zu beobachten, den Verlust staatlicher<br />

Kontrolle bei den früheren Staatsmonopolen bzw.<br />

Netzindustrien durch den vermehrten Einsatz von Beihilfen<br />

und durch die Genehmigung nationaler Großfusionen<br />

zu kompensieren und den EU-Binnenmarkt insoweit zu<br />

behindern. Die Monopolkommission lehnt eine solche<br />

protektionistische Industriepolitik ab, die auf die Förderung<br />

heimischer Industrien und die Abschottung nationaler<br />

Märkte gerichtet ist.<br />

948. Eine Kompetenz zur Kontrolle der Haushalte der<br />

Mitgliedstaaten hat die Gemeinschaft dagegen nicht. Der<br />

EU ist eine solche Zuständigkeit zur Haushaltskontrolle<br />

bislang nur in Bezug auf die Überwachung der<br />

Maastricht-Kriterien (Artikel 121 EGV) verliehen worden.<br />

Im Rahmen der Beihilfenkontrolle nach Artikel 87<br />

ff. EGV gehört es indes nicht zu den Aufgaben der EU-<br />

Kommission, die richtige Verwendung mitgliedstaatlicher<br />

Ressourcen als solche zu überwachen. 51 Solange keine<br />

solche Kompetenz besteht, obliegt es den Mitgliedstaaten,<br />

im innerstaatlichen Bereich wirksame Kontrollmechanismen<br />

und ein stringentes System zu schaffen, um<br />

eine volkswirtschaftlich schädliche Verschwendung staatlicher<br />

Mittel durch eine ineffiziente Beihilfenvergabe zu<br />

verhindern. Entsprechend dem in Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe<br />

g EGV formulierten Ziel besteht der alleinige<br />

Schutzzweck der europäischen Beihilfenvorschriften darin,<br />

Verzerrungen für den Wettbewerb auf den Produktund<br />

Dienstleistungsmärkten im europäischen Binnenmarkt<br />

zu vermeiden.<br />

50 Vgl. Mestmäcker, E.-J., Schweitzer, H., Europäisches Wettbewerbsrecht,<br />

2. Aufl., München 2004, § 42 Rn. 20.<br />

51 Vgl. Bartosch, A., Der More Economic Approach in Beihilfesachen,<br />

Recht der Internationalen Wirtschaft 53, 2007, S. 681–690.

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