Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/10140<br />
die durch die FKVO vorgegebene Zuständigkeit der Europäischen<br />
Kommission strikt ab. Sie wendet sich nachdrücklich<br />
gegen eine nationale Politik, welche die Bildung<br />
von inländischen Champions fördert und die<br />
Belange der Wettbewerbspolitik gegenüber industriepolitischen<br />
Interessen zurückstellt, und erinnert in diesem Zusammenhang<br />
daran, dass derartige Eingriffe letztlich<br />
zulasten der Verbraucher gehen. Nach Ansicht der Monopolkommission<br />
sollte die Europäische Kommission alle<br />
ihr zu Gebote stehenden Mittel ausschöpfen, um Spanien<br />
zur Rücknahme der ausgesprochenen Auflagen zu bewegen<br />
und damit auch ein Zeichen im Hinblick auf andere<br />
Mitgliedstaaten zu setzen.<br />
72.* Im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen<br />
Europäischer Kommission einerseits und den nationalen<br />
Wettbewerbsbehörden andererseits treten die Verweisungen<br />
auf Initiative der Mitgliedstaaten nach Artikel 9 und<br />
22 FKVO immer mehr in den Hintergrund. Dagegen ist<br />
ein erheblicher Zuwachs bei den Verweisungen auf Antrag<br />
der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen<br />
zu verzeichnen. Wesentlich häufiger sind dabei Verweisungen<br />
von den nationalen Wettbewerbsbehörden hin zur<br />
Europäischen Kommission als umgekehrt. Wie schon im<br />
letzten Berichtszeitraum zu beobachten, machen die Mitgliedstaaten<br />
jedoch kaum von ihrem Vetorecht Gebrauch.<br />
73.* Bemerkenswert ist die Entwicklung hin zu einer<br />
weniger starren Marktabgrenzung, die im Berichtszeitraum<br />
zu erkennen ist. In mehreren Fällen – unter anderem<br />
in den Entscheidungen Omya/Huber, Glatfelder/<br />
Crompton und Travelport/Worldspan – definiert die Europäische<br />
Kommission zwar einen relevanten sachlichen<br />
Markt – oft unter explizitem Ausschluss bestimmter benachbarter<br />
Produkte. Gleichzeitig erklärt sie aber, dass<br />
von diesen benachbarten Produkten ein gewisser Wettbewerbsdruck<br />
auf die Zusammenschlussparteien ausgehe<br />
und deshalb bei der weiteren wettbewerblichen Würdigung<br />
zu berücksichtigen sei. Nach Auffassung der Monopolkommission<br />
bleibt abzuwarten, ob diese Vorgehensweise<br />
vor dem EuGH Bestand haben wird. Zweifelhaft ist<br />
das vor allem in Fällen, in denen die Europäische Kommission<br />
bei ihrer wettbewerblichen Würdigung auf das<br />
Kriterium der Marktbeherrschung abstellt. Die Frage<br />
nach der Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />
Stellung setzt die Definition eines sachlich und<br />
räumlich relevanten Marktes als klaren Bezugsrahmen<br />
voraus. Auch die Feststellung einer erheblichen Behinderung<br />
wirksamen Wettbewerbs erfordert Nachvollziehbarkeit<br />
der Entscheidung. Wegen der unscharfen Konturen<br />
des SIEC-Tests sind die Stimmigkeit der Begründung und<br />
die Konsistenz des Verfahrens dort besonders wichtig.<br />
74.* War der letzte Berichtszeitraum noch durch den<br />
Übergang vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test geprägt,<br />
hat sich Letzterer in den vergangenen zwei Jahren<br />
endgültig etabliert. Die Einführung des SIEC-Tests wurde<br />
unter anderem mit möglichen Lücken des Marktbeherrschungskriteriums<br />
bei der Erfassung nicht koordinierter<br />
Effekte im Oligopol begründet. In dem Zusammenschluss<br />
T-Mobile Austria/Tele.ring wendet die Europäische Kommission<br />
den SIEC-Test nunmehr erstmals auf einen sog.<br />
„Lücken“-Fall an. Wie bereits in der Vergangenheit hat<br />
die Europäische Kommission ökonomische Studien und<br />
ökonometrische Analysen zur Beurteilung von einzelnen<br />
Zusammenschlussvorhaben herangezogen. Dies geschah<br />
– z. B. in den Fällen Omya/Huber, Inco/Falconbridge,<br />
Ineos/BP Dormagen sowie Sea-Invest/EMO-EKOM und<br />
Ryanair/Aer Lingus – sowohl im Rahmen der Marktdefinition<br />
als auch bei der weiteren wettbewerblichen Würdigung.<br />
Festzuhalten ist jedoch auch, dass das Marktbeherrschungskriterium<br />
im Rahmen des SIEC-Tests durchaus<br />
bedeutend blieb. Immerhin in fünf von zehn bedingten<br />
Freigabeentscheidungen der zweiten Phase prüfte die<br />
Europäische Kommission die Entstehung oder Verstärkung<br />
von Marktbeherrschung. Schließlich stützte sich die<br />
Wettbewerbsbehörde auch bei der einzigen Verbotsverfügung<br />
während des Berichtszeitraums – Ryanair/Aer<br />
Lingus – auf den Aspekt der Marktbeherrschung. Die<br />
Marktanteile spielen ebenfalls weiterhin eine wichtige<br />
Rolle in der Entscheidungspraxis und bilden regelmäßig<br />
den Ausgangspunkt für die weitere wettbewerbliche Würdigung.<br />
Die Europäische Kommission betont in mehreren<br />
Entscheidungen (z. B. Metso/Aker Kvaerner, Orica/Dyno<br />
und Renolit/Solvay), dass sehr hohe Marktanteile von<br />
50 Prozent und mehr schon für sich allein ein Indiz für<br />
die beherrschende Stellung der Zusammenschlussbeteiligten<br />
bilden.<br />
75.* Die Monopolkommission beurteilt es prinzipiell<br />
positiv, wenn traditionelle Untersuchungsmethoden durch<br />
ökonometrische Analysen ergänzt werden, weil dadurch<br />
Fehlerquellen aufgedeckt und die wettbewerbliche Einschätzung<br />
verbessert werden kann. Insbesondere die beiden<br />
Fälle Ryanair/Aer Lingus und Omya/Huber geben indes<br />
Anlass zu der Frage, ob die durchgeführten Analysen<br />
tatsächlich einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn für die<br />
Beurteilung der Zusammenschlüsse erbracht haben. Nach<br />
Auffassung der Monopolkommission sollte die Europäische<br />
Kommission ihre knappen Ressourcen angesichts<br />
des hohen personellen und zeitlichen Aufwands, der mit<br />
der Erstellung ökonomischer Analysen verbunden ist, auf<br />
wirkliche Zweifelsfälle konzentrieren.<br />
76.* Während des Berichtszeitraums standen die horizontalen<br />
Zusammenschlüsse im Mittelpunkt der Entscheidungspraxis.<br />
Hingegen traten nur wenige Fälle mit<br />
vertikalen Effekten, etwa SFR/Télé2France und Thales/<br />
Finmeccanica/AAS/Telespazio, auf. Konglomerate Auswirkungen<br />
wurden ebenfalls nur selten – beispielsweise<br />
in den Verfahren Metso/Aker Kvaerner und Danone/<br />
Numico – geprüft. In beiden Fällen hat die Europäische<br />
Kommission die Ausweitung des Produktportfolios prinzipiell<br />
positiv bewertet. Aus Sicht der Nachfrager wird es<br />
als vorteilhaft angesehen, wenn diese das ganze „Sortiment“<br />
bei einem einzigen Anbieter beziehen können. Im<br />
Fall Danone/Numico erscheint es allerdings fraglich, ob<br />
dieser Vorteil tatsächlich auf dem Zusammenschluss beruht.<br />
Es fällt außerdem auf, dass die Europäische Kommission<br />
möglichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen, die<br />
mit der Erweiterung der Produktportfolios einhergehen<br />
können, nicht nachgeht.