Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 346 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
samten Marktes durch einen Anbieter führen. 27 Ein bekanntes<br />
Beispiel für ein nachfrageseitig induziertes<br />
(Quasi-)Monopol stellt die Anwendungssoftware Microsoft<br />
Office dar.<br />
916. Oftmals liegen bei einem natürlichen Monopol die<br />
Grenzkosten unter den Durchschnittskosten, so dass ein<br />
Grenzkostenpreis zu einem Defizit bei dem Betreiber des<br />
Monopols führen würde. Ein Abweichen vom Grenzkostenpreis<br />
hingegen führt gegenüber dem theoretischen<br />
Idealzustand zu einem allokativen Effizienzverlust. Theoretisch<br />
ließe sich daher eine Beihilfe ökonomisch rechtfertigen.<br />
In der Praxis bedingen natürliche Monopole jedoch<br />
in aller Regel nicht die Notwendigkeit staatlicher<br />
Beihilfen. Der allokative Effizienzverlust ist eher theoretischer<br />
Natur und ohne praktische Relevanz. In vielen<br />
Fällen erfordern natürliche Monopole sogar vielmehr eine<br />
staatliche Preisaufsicht, um die Nachfrager vor einer Ausbeutung<br />
durch zu hohe Preise zu schützen. Diese Fälle<br />
treten dann ein, wenn der monopolistische Anbieter durch<br />
hohe Marktzutrittsschranken vor potenziellen Konkurrenten<br />
geschützt ist und so seinen Preis dauerhaft über das<br />
wettbewerbliche Niveau anheben kann.<br />
2.2.4 Asymmetrische Informationen<br />
917. Asymmetrische Informationen liegen vor, wenn<br />
von den relevanten Akteuren am Markt eine Seite besser<br />
informiert ist als die andere. Sie können als unerwünschte<br />
Wirkungen moralisches Risiko 28 und negative Auslese<br />
hervorrufen.<br />
918. Asymmetrische Informationen liegen z. B. auf<br />
Kreditmärkten vor. Die Anbieter von Krediten haben<br />
keine volle Kenntnis über das exakte Ausfallrisiko des jeweiligen<br />
Kreditnachfragers. Folglich werden sie ihren<br />
Kreditzins (den Preis für den Kredit) am geschätzten<br />
durchschnittlichen Ausfallrisiko ausrichten. Nachfrager<br />
mit einem geringen individuellen Ausfallrisiko (sog. gute<br />
Risiken) werden diesen Preis als zu hoch ansehen und<br />
sich gegebenenfalls gegen die Kreditaufnahme entscheiden.<br />
Nachfrager mit überdurchschnittlichen Risiken (sog.<br />
schlechte Risiken) profitieren hingegen von der für sie<br />
vergleichsweise günstigen Preisgestaltung. Die systematische<br />
Verdrängung der guten durch die schlechten Risiken<br />
(negative Auslese) kann im Extremfall zu einem Markt-<br />
27 Dieser Fall tritt dann ein, wenn bei mehreren inkompatiblen proprietären<br />
Technologien eine dieser Technologien eine sog. kritische Masse<br />
an Nachfragern erreicht hat. Aufgrund des dann einsetzenden positiven<br />
Rückkopplungseffekts wird diese Technologie nach dem<br />
Erreichen der kritischen Masse die gesamte Marktnachfrage auf sich<br />
ziehen (winner takes all/winner takes most). Diese Form des nachfrageseitig<br />
induzierten Wettbewerbs um die dominante Marktstellung<br />
ist insbesondere auf Märkten für virtuelle Netzwerkgüter zu beobachten,<br />
da hier keine angebotsseitigen Restriktionen vorliegen. So ist<br />
es z. B. einem Anbieter von Software nahezu in jeder beliebigen Geschwindigkeit<br />
möglich, sein Angebot an Nachfrageänderungen anzupassen<br />
(sog. instant scalability).<br />
28 Moralisches Risiko liegt vor, wenn eine Marktseite über die Möglichkeit<br />
verfügt, wesentliche transaktionsrelevante Sachverhalte nach<br />
Vertragsschluss (ex post) unbemerkt (aufgrund der Informationsasymmetrie)<br />
zulasten der anderen Marktseite zu verändern.<br />
versagen führen, da nutzenstiftende Transaktionen ausbleiben.<br />
29<br />
919. Insbesondere bei der Kapitalbeschaffung für kleine<br />
und mittlere Unternehmen wird vermutet, dass bedeutende<br />
Informationsasymmetrien vorliegen, die ein Marktversagen<br />
bedingen können. Sowohl für Risikokapitalmärkte<br />
als auch für die private Kreditvergabe von Banken<br />
wird davon ausgegangen, dass die Anbieter des Kapitals<br />
das Ausfallrisiko von Krediten an diese Unternehmensgruppe<br />
systematisch überschätzen und so den Preis für<br />
die Kapitalbeschaffung zu hoch ansetzen. 30 Als Folge<br />
wird kleineren und mittleren Unternehmen die Kapitalbeschaffung<br />
im Vergleich zu größeren Unternehmen erschwert,<br />
so dass sie erhebliche Wettbewerbsnachteile erleiden<br />
können.<br />
920. Mit dem Ziel, diese Wettbewerbsnachteile zu kompensieren,<br />
gewährt die öffentliche Hand kleinen und mittleren<br />
Unternehmen häufig Kredite zu vergünstigten Konditionen.<br />
Aufgrund der selektiven Begünstigung nehmen<br />
diese Kredite einen Beihilfencharakter an. Deshalb sollte<br />
im Vorfeld eines staatlichen Eingriffs, z. B. durch eine<br />
günstige Kreditgewährung, stets geprüft werden, ob sich<br />
nicht auf dem Markt selbst Schutzmechanismen herausbilden,<br />
die ein Marktversagen verhindern können. Mögliche<br />
Schutzmechanismen stellen dabei ein wirkungsvolles<br />
Screening oder Signalling dar, durch welche die Gefahren<br />
von moralischem Risiko und negativer Auslese vermindert<br />
werden. Eine genaue Prüfung ist auch vor dem Hintergrund<br />
angezeigt, dass Informationsasymmetrien an Kapitalmärkten<br />
nicht notwendigerweise zu einer zu geringen<br />
Kreditvergabe führen, da sich auch ineffizient hohe Kredite<br />
als Folge nachweisen lassen, wenn Risiken unterschätzt<br />
werden. In diesem Fall würde eine staatliche Kreditvergabe<br />
zu zusätzlichen Effizienzverlusten führen.<br />
2.2.5 Anpassungsmängel<br />
921. Als Anpassungsmängel werden zum einen Situationen<br />
verstanden, in denen ein Marktgleichgewicht aufgrund<br />
ungünstiger Angebots- und Nachfragekonstellationen<br />
nicht existiert oder ein neues Gleichgewicht nicht<br />
oder nicht in der gewünschten Geschwindigkeit – insbesondere<br />
infolge von Flexibilitätsmängeln der Marktakteure<br />
– zustande kommt. Ein Beispiel für Flexibilitätsmängel<br />
stellt die ruinöse Konkurrenz dar, die durch die<br />
„falsche“ Reihenfolge des Marktaustritts von Anbietern<br />
hervorgerufen wird (z. B. in den Bereichen Binnenschifffahrt<br />
und Landwirtschaft).<br />
29 Das klassische Beispiel für negative Auslese, die durch Informationsasymmetrien<br />
zu Lasten der Nachfrager hervorgerufen wird,<br />
stellt der Markt für Gebrauchtwagen dar. Vgl. hierzu Akerlof, G., The<br />
Market for ,Lemons’: Quality Uncertainty and the Market Mechanism,<br />
Quarterly Journal of Economics 84, 1970, S. 488–500.<br />
30 Eine Ursache liegt darin, dass potenzielle Investoren vor vergleichsweise<br />
größeren Problemen stehen, einen Zugang zu verlässlichen Informationen<br />
über die Geschäftsaussichten von kleinen und mittleren<br />
Unternehmen zu erhalten, als dies bei Großunternehmen der Fall ist.<br />
Vgl. EU-Kommission, Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche<br />
Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in kleine und<br />
mittlere Unternehmen, ABl. EU Nr. C 194 vom 18. August 2006,<br />
S. 2.