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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 344 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

von Marktversagen ist der klassische ökonomische<br />

Rechtfertigungsgrund für die Vergabe von Beihilfen und<br />

anderen Subventionen. Diese klassischen Marktversagenstatbestände<br />

werden in Abschnitt 2.2 erörtert. Darüber hinaus<br />

gibt es aber auch außerökonomische Ziele, welche<br />

durch die Vergabe von Beihilfen erreicht werden sollen.<br />

Diese außerökonomischen Ziele sind Gegenstand von<br />

Abschnitt 2.3.<br />

2.2 Kompensation von Marktversagen als<br />

Zweck für die Gewährung von Beihilfen<br />

902. Beihilfen können prinzipiell dazu beitragen, ein<br />

Markt- bzw. Wettbewerbsversagen einzudämmen. In der<br />

ökonomischen Literatur werden als Ursachen für ein<br />

Markt- bzw. Wettbewerbsversagen gravierende externe<br />

Effekte, öffentliche Güter, natürliche Monopole, asymmetrische<br />

Informationen und Anpassungsmängel genannt.<br />

Dabei bleibt stets zu beachten, dass durch den<br />

staatlichen Eingriff oftmals selbst Ineffizienzen entstehen,<br />

die zu Staats- oder Politikversagen führen können.<br />

Ursachen eines Staats- oder Politikversagens bei der Vergabe<br />

von Beihilfen können insbesondere Informationsdefizite,<br />

fehlerhafte Analysen und Prognosen, Entscheidungs-<br />

und Wirkungsverzögerungen beim Mitteleinsatz<br />

sowie Fehlanreize innerhalb der Politik und der öffentlichen<br />

Bürokratie darstellen. Vor diesem Hintergrund sollte<br />

im Vorfeld einer Beihilfenvergabe eine Prüfung im Sinne<br />

eines komparativ-institutionenökonomischen Ansatzes<br />

durchgeführt werden, in der das etwaige Marktversagen<br />

mit dem drohenden Staatsversagen abgewogen wird.<br />

Schließlich ist eine Beihilfenvergabe nicht bereits dann<br />

gerechtfertigt, wenn ein Marktversagen vorliegt, sondern<br />

nur wenn sich die Beihilfe zur Korrektur dieses Marktversagens<br />

in besonderem Maße eignet. 19<br />

2.2.1 Externe Effekte<br />

903. Positive und negative externe Effekte entstehen,<br />

wenn von der Aktivität (z. B. Produktion oder Konsum)<br />

eines Wirtschaftssubjekts Wirkungen auf den Nutzen (Erhöhung<br />

bzw. Beeinträchtigung) anderer Wirtschaftssubjekte<br />

ausgehen, ohne dass diese Wirkungen im marktlichen<br />

Preissystem berücksichtigt werden oder eine<br />

anderweitige Kompensation erfolgt. 20 Externe Effekte<br />

sind die unmittelbare Folge unzureichend definierter bzw.<br />

definierbarer oder nicht hinreichend durchsetzbarer Verfügungsrechte.<br />

904. Negative externe Effekte sind aus der Umweltpolitik<br />

bekannt. Haben von einer Umweltverschmutzung Betroffene<br />

keine durchsetzungsfähigen Eigentumsrechte an<br />

dem Gut Umwelt, so wird es ihnen typischerweise nicht<br />

gelingen, den Verursacher an der Umweltverschmutzung<br />

zu hindern bzw. ihm die Kosten für die Umweltver-<br />

19 Vgl. dazu schon Coase, R. H., The Problem of Social Cost, Journal of<br />

Law and Economics 3, 1960, S. 1-44 sowie Demsetz, H., Information<br />

and Efficiency: Another Viewpoint, Journal of Law and Economics<br />

12, 1969, S. 1-22.<br />

20 Da diese Effekte außerhalb der freiwilligen Marktbeziehungen auftreten,<br />

werden sie als externe Effekte bezeichnet.<br />

schmutzung (externe Kosten) anzulasten. Diese fehlende<br />

Einbeziehung der externen Kosten in den marktlichen<br />

Preismechanismus (fehlende Internalisierung) hat eine<br />

übermäßige Umweltverschmutzung zur Folge. Zum Beispiel<br />

sind CO 2-Emissionen, die etwa im Rahmen der<br />

Stromproduktion (insbesondere bei Kohlekraftwerken)<br />

anfallen, mit negativen externen Effekten verbunden, sofern<br />

diese Kosten nicht durch geeignete politische Maßnahmen<br />

(z. B. Steuern oder Emissionszertifikate) internalisiert<br />

werden.<br />

905. Das Auftreten positiver externer Effekte wird z. B.<br />

im Bereich der Grundlagenforschung vermutet. Die<br />

Grundlagenforschung ist dadurch gekennzeichnet, dass<br />

Dritte kaum von der Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse<br />

ausgeschlossen werden können, da aufgrund der<br />

mangelnden Möglichkeit der Patentierung keine durchsetzungsfähigen<br />

Eigentumsrechte existieren. Aufgrund<br />

der fehlenden Ausschlussmöglichkeit profitieren auch<br />

Dritte von der Grundlagenforschung, ohne dass sie dafür<br />

eine Kompensation leisten müssten.<br />

906. Die fehlende Zuordnung der Eigentumsrechte führt<br />

sowohl im Falle negativer als auch im Falle positiver externer<br />

Effekte dazu, dass der Preismechanismus allein<br />

nicht für effiziente Marktergebnisse sorgen kann. So<br />

würde bei einer reinen Marktlösung mehr als die volkswirtschaftlich<br />

effiziente Menge an CO 2 ausgestoßen und<br />

weniger als volkswirtschaftlich effizient für Grundlagenforschung<br />

ausgegeben. Ein staatlicher Eingriff muss im<br />

Fall gravierender externer Effekte darauf abzielen, dass<br />

die Divergenz zwischen einzelwirtschaftlich berücksichtigten<br />

und tatsächlich für die Gesamtgesellschaft anfallenden<br />

Kosten und Erträgen durch Maßnahmen zur Internalisierung<br />

der externen Effekte beseitigt wird.<br />

907. Prinzipiell kann eine Beihilfe, die z. B. in Form<br />

einer Investitionsprämie für die Reduktion von Umweltbelastungen<br />

gewährt wird, zur Internalisierung negativer<br />

externer Effekte beitragen. Eine ähnliche Wirkung können<br />

Beihilfen im Bereich der Grundlagenforschung haben.<br />

Jedoch bleibt zu beachten, dass der externe Effekt<br />

zunächst als gravierend identifiziert und in Form von externen<br />

Kosten quantifiziert werden muss. 21 Dabei ist die<br />

Bewertung des externen Effektes durch das subjektive<br />

Empfinden und den Informationsstand des Entscheidungsträgers<br />

beeinflusst. Zusätzlich ist der Betrachtungszeitraum<br />

für das Ausmaß des externen Effektes bzw. die<br />

Höhe der externen Kosten relevant. Schließlich ist das<br />

wirtschaftspolitische Instrument der Beihilfe auf seine<br />

besondere Eignung zur Internalisierung der externen Effekte<br />

zu untersuchen. Ähnlich wie bei Steuern lässt sich<br />

die Gütermenge im sozialen Optimum nur näherungsweise<br />

bzw. in einem langwierigen Trial-and-Error-Verfahren<br />

erreichen. Darüber hinaus erscheint die Gewäh-<br />

21 Streng genommen, lässt sich kaum eine ökonomische Aktivität vorstellen,<br />

bei der keinerlei positive oder negative Externalitäten auftreten<br />

(Ubiquität externer Effekte). Würde der Staat versuchen, sämtliche<br />

Externalitäten zu internalisieren, käme dies einem umfassenden<br />

Interventionismus gleich, der die private Wirtschaftsaktivität vielfach<br />

lähmen würde.

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