Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 343 – Drucksache 16/10140<br />
Stelle. 12 Die überdurchschnittlich hohen Beihilfen für den<br />
Umweltschutz und den Kohlenbergbau sind ein wesentlicher<br />
Grund für das hohe Beihilfenniveau in Deutschland<br />
im Vergleich zu den übrigen EU-Mitgliedstaaten. 13<br />
1.3 Auswirkungen auf den Wettbewerb<br />
894. Die Vergabe von Beihilfen ist mit unterschiedlichen<br />
Kosten und Auswirkungen verbunden. Auf der Kostenseite<br />
sind zunächst die entstehenden Finanzierungsoder<br />
Opportunitätskosten sowie die Wohlfahrtsverluste,<br />
die infolge der notwendigen Steuererhebung in anderen<br />
Bereichen auftreten (Schattenpreis der Besteuerung), in<br />
Rechnung zu stellen. Zudem können Beihilfen, bedingt<br />
durch Mitnahmeeffekte und Fehlprognosen, zu einer ineffizienten<br />
Verwendung öffentlicher Mittel führen.<br />
895. Neben diesen volkswirtschaftlichen Kosten besteht<br />
auch die Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf den Wettbewerb.<br />
Aus wettbewerbspolitischer Sicht sind die erheblichen<br />
Wettbewerbsverzerrungen, die durch Beihilfen auf<br />
den betroffenen Produkt- und Dienstleistungsmärkten<br />
hervorgerufen werden können, von herausragender Bedeutung.<br />
Eine so induzierte Wettbewerbsbeschränkung<br />
setzt Fehlanreize in allokativer, produktiver und dynamischer<br />
Hinsicht.<br />
896. In allokativer Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass<br />
vorhandene Ressourcen durch Beihilfen in weniger nutzenstiftende<br />
Verwendungen gezogen werden können. Ist<br />
der Wettbewerb funktionsfähig, sendet der Markt klare<br />
Signale an die Anbieter darüber, welche Produkte und<br />
Dienstleistungen von den Konsumenten erwünscht sind.<br />
Sollte die Beihilfe das begünstigte Unternehmen dazu<br />
veranlassen, den Preis zu senken, können diese Signale<br />
verzerrt und deshalb mehr Ressourcen für die subventionierte<br />
Tätigkeit verwendet werden. Wird ein ganzer Sektor<br />
begünstigt, kann dies nachteilige Wirkungen auf andere<br />
Sektoren zur Folge haben. Hinzu kommt, dass<br />
Marktteilnehmern anderer Branchen in ihrer Funktion als<br />
Steuerzahler finanzielle Mittel entzogen werden. Diese<br />
allokative Fehlsteuerung ist z. B. im Kohlenbergbau evident.<br />
897. Beihilfen können ferner dazu führen, dass weniger<br />
leistungsfähige Unternehmen künstlich am Leben gehalten<br />
werden und dadurch neuen, effizienten Unternehmen<br />
der Markteintritt erschwert wird. Die produktive Effizienz<br />
von Unternehmen kann auch dadurch beeinträchtigt<br />
werden, dass diese ihre Ressourcen für Rent-seeking-Aktivitäten<br />
verwenden, die sie bei einem Wirken freier<br />
Marktkräfte produktiv einsetzen könnten. Zudem beste-<br />
12 Dies dürfte insbesondere auf die Ausnahmeregelungen zurückzuführen<br />
sein, die selektiv für deutsche energieintensive Unternehmen geschaffen<br />
wurden. Denn Maßnahmen, die sämtliche Unternehmen<br />
gleichermaßen betreffen, stellen keine Beihilfen dar; es fehlt insoweit<br />
an dem von Artikel 87 Abs. 1 EGV geforderten Merkmal der Selektivität.<br />
Wenn alle in Deutschland produzierenden Unternehmen gleichermaßen<br />
belastet würden, handelte es sich dementsprechend um<br />
eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme, die nicht in der<br />
Beihilfenstatistik ihren Niederschlag fände.<br />
13 Vgl. 21. Subventionsbericht der Bundesregierung, a. a. O., S. 43.<br />
hen für Unternehmen geringere Anreize, effizient zu produzieren<br />
und zu investieren, wenn sie davon ausgehen<br />
können, dass der Staat ihnen bei finanziellen Engpässen<br />
(zum Erhalt von Arbeitsplätzen) zu Hilfe kommt (Verringerung<br />
des Kostendrucks).<br />
898. Sofern eine Beihilfe die Profitabilität einer Investition<br />
ändert, kann dies Unternehmen dazu veranlassen,<br />
Höhe, Art und Zeitpunkt der Investition zu verändern.<br />
Auf diese Weise können verzerrende Investitionsentscheidungen<br />
getroffen und die dynamische Effizienz beeinträchtigt<br />
werden.<br />
899. Besonders problematisch sind Beihilfen, die zur<br />
Förderung der Marktmacht eines einzelnen Unternehmens<br />
beitragen. Die Vergabe von Beihilfen an etablierte<br />
Unternehmen kann eine Markteintrittsbarriere für Newcomer<br />
bewirken, zu einer Abschottung des Heimatmarktes<br />
beitragen und Verdrängungspraktiken erleichtern. Ist<br />
es dem Unternehmen zudem möglich, eine so erlangte<br />
Marktmacht durch eine Quersubventionierung auf angrenzende<br />
Märkte zu übertragen, wird das wettbewerbliche<br />
Problem weiter verschärft.<br />
2. Mögliche Zwecke einer Beihilfenvergabe<br />
2.1 Arten von Beihilfen<br />
900. Beihilfen sind in vielerlei Formen anzutreffen; die<br />
Unterschiede betreffen<br />
– die Form der Begünstigung 14 ,<br />
– die Bindung an bestimmte Projekte 15 ,<br />
– die absolute Höhe und relative Größe im Verhältnis zu<br />
den Kosten der geförderten Tätigkeit,<br />
– die Art und Weise der Vergabe 16 ,<br />
– die Dauer 17 ,<br />
– die Breitenwirkung 18 sowie<br />
– die mit der Beihilfenvergabe verfolgten Zwecke.<br />
901. Nachfolgend werden die Zwecke für die Vergabe<br />
von Beihilfen näher erläutert, anhand derer sich die Eignung<br />
dieses wirtschaftspolitischen Instruments untersuchen<br />
lässt. Diese Zwecke spielen für die Rechtmäßigkeit<br />
einer Beihilfe eine große Rolle. Beihilfen können dazu<br />
dienen, sog. Marktversagen zu kurieren. Die Beseitigung<br />
14 So können Beihilfen beispielsweise in Form eines Darlehens oder einer<br />
Steuervergünstigung gewährt werden.<br />
15 Beihilfen können an eine bestimmte Tätigkeit gebunden sein oder<br />
aber als Betriebsbeihilfen, über die das begünstigte Unternehmen frei<br />
verfügen kann, gewährt werden.<br />
16 Beihilfen können beispielsweise in einem transparenten Ausschreibungsverfahren<br />
vergeben werden.<br />
17 Beihilfen können als Einmalzahlung oder aber wiederholt gewährt<br />
werden.<br />
18 Eine Beihilfenmaßnahme kann individuellen Charakter aufweisen<br />
und lediglich ein bestimmtes Unternehmen begünstigen. Daneben<br />
gibt es Beihilfenmaßnahmen, die alle Unternehmen eines bestimmten<br />
Sektors begünstigen. Schließlich gibt es Beihilfen mit horizontaler<br />
Zielsetzung, die nicht von vornherein auf einen bestimmten Wirtschaftszweig<br />
beschränkt sind.