Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 342 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
– Diese wird zugunsten „bestimmter Unternehmen oder<br />
Produktionszweige“ gewährt, wirkt also selektiv.<br />
– Es handelt sich um eine „staatliche oder aus staatlichen<br />
Mitteln gewährte“ Maßnahme. Gemeint ist ausschließlich<br />
ein Transfer von mitgliedstaatlichen Ressourcen<br />
(Beihilfen, welche die EU selbst gewährt,<br />
werden nicht erfasst).<br />
– Die jeweilige Maßnahme muss zudem „Wettbewerb<br />
verfälschen oder zu verfälschen drohen“.<br />
– Darüber hinaus muss sie den „Handel zwischen den<br />
Mitgliedstaaten beeinträchtigen“.<br />
889. Maßnahmen mit Beihilfencharakter sind gemäß<br />
Artikel 87 Abs. 1 EGV grundsätzlich unvereinbar mit<br />
dem Gemeinsamen Markt. Bei jeder beabsichtigten Einführung<br />
oder Umgestaltung von Beihilfen haben die Mitgliedstaaten<br />
die EU-Kommission nach Artikel 88 Abs. 3<br />
Satz 1 EGV so rechtzeitig zu unterrichten, dass diese sich<br />
dazu äußern kann (Anmeldepflicht). 7 Die EU-Kommission<br />
überprüft, ob die betreffende Beihilfe ausnahmsweise<br />
erlaubt ist, denn das Verbot des Artikel 87 Abs. 1<br />
EGV gilt nicht absolut. Vielmehr enthält der EGV verschiedene<br />
Ausnahmetatbestände (Artikel 87 Abs. 2 und 3,<br />
Artikel 86 Abs. 2 EGV), die allgemein formuliert sind<br />
und der EU-Kommission bei der Ausübung ihrer Kontrolle<br />
einen weiten Ermessensspielraum einräumen. Eine<br />
Genehmigung kommt danach zum einen bei Beihilfen mit<br />
wirtschaftspolitischer Zielsetzung in Betracht, z. B. falls<br />
die jeweilige Maßnahme „die Förderung der Entwicklung<br />
gewisser Wirtschaftszweige“ bezweckt (Artikel 87 Abs. 3<br />
Buchstabe c EGV). Zum anderen sehen die Rechtfertigungsgründe<br />
des EGV vor, dass auch Beihilfen mit sozial-<br />
bzw. verteilungspolitischem Hintergrund – insbesondere<br />
Beihilfen zur Förderung benachteiligter Regionen 8<br />
oder solche mit kultureller Zielsetzung 9 – freigestellt werden<br />
können.<br />
890. Dies macht bereits deutlich, dass es sich bei der europäischen<br />
Beihilfenaufsicht – anders als bei der Anwendung<br />
der kartellrechtlichen Bestimmungen (Artikel 81,<br />
82 EGV, Fusionskontrollvorschriften) – um einen politisch<br />
geprägten Teil des europäischen Wettbewerbsrechts<br />
handelt. Neben wettbewerbspolitischen Aspekten spielen<br />
auch sozial- und verteilungspolitische Aspekte eine bedeutende<br />
Rolle. Bei der Bewertung einer Beihilfe hat die<br />
EU-Kommission diese Aspekte gegeneinander abzuwägen<br />
und dabei die Auswirkungen auf den Wettbewerb im<br />
Auge zu halten.<br />
1.2.2 Gesamtwirtschaftliche Bedeutung<br />
891. Die Beihilfen, die durch die Mitgliedstaaten gewährt<br />
werden und unter den Anwendungsbereich der eu-<br />
7 Diese Anmeldepflicht gilt lediglich für „neue Beihilfen“ (vgl. Artikel 1<br />
Buchstabe c der Verfahrensverordnung Nr. 659/1999). Für „bestehende<br />
Beihilfen“ (vgl. Definition in Artikel 1 Buchstabe b der Verfahrensverordnung<br />
Nr. 659/1999) gilt dagegen das in Artikel 88 Abs.<br />
1 und 2 EGV beschriebene Verfahren.<br />
8 Vgl. Artikel 87 Abs. 3 Buchstabe a und c EGV.<br />
9 Vgl. Artikel 87 Abs. 3 Buchstabe d EGV.<br />
ropäischen Beihilfenkontrolle fallen, sind von hoher gesamtwirtschaftlicher<br />
Bedeutung. Die Höhe der in der EU<br />
insgesamt gewährten Beihilfen hat sich zwar von durchschnittlich<br />
104 Mrd. Euro in den Jahren 1993 bis 1995 reduziert,<br />
sie betrug nach Angaben der EU-Kommission<br />
aber im Jahr 2006 immer noch 67 Mrd. Euro. 10 Dies entspricht<br />
einer Quote von etwa 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />
(BIP) der EU.<br />
892. Die Höhe der gewährten Beihilfen variiert in den<br />
Mitgliedstaaten zum Teil erheblich. In absoluten Zahlen<br />
stand Deutschland im Jahr 2006 mit 20 Mrd. Euro, was<br />
30 Prozent des gesamten Beihilfenvolumens in der EU<br />
entspricht, an der Spitze, vor Frankreich (10 Mrd. Euro),<br />
Italien (5,5 Mrd. Euro) und Spanien (5 Mrd. Euro). In<br />
relativer Hinsicht – gemessen am BIP – führen andere<br />
Mitgliedstaaten die Statistik an. Deutschland verwendete<br />
aber immerhin 0,87 Prozent seines BIP für Beihilfen<br />
und lag damit über dem EU-Durchschnitt von<br />
0,58. 11<br />
893. Wie aus einer Statistik der EU zur Aufteilung der<br />
Beihilfen nach Wirtschaftszweigen in Prozent der Gesamtbeihilfen<br />
hervorgeht, fließt der überwiegende Teil<br />
der Beihilfen in Deutschland mit 66 Prozent in das Verarbeitende<br />
Gewerbe (EU-Durchschnitt: 58 Prozent), mit<br />
20 Prozent in die Landwirtschaft (EU-Durchschnitt:<br />
24 Prozent) und mit 11 Prozent in den Kohlenbergbau<br />
(EU-Durchschnitt: 5 Prozent). Von den Beihilfen mit<br />
horizontaler Zielsetzung, die nicht von vornherein auf<br />
bestimmte Branchen beschränkt sind, sondern mit denen<br />
Ziele in allen Sektoren verfolgt werden, liegen in<br />
Deutschland die für Umweltschutzmaßnahmen und<br />
Energieeinsparungen gewährten Beihilfen an erster<br />
10 Vgl. Bericht der Kommission, Anzeiger für staatliche Beihilfen,<br />
Herbstausgabe 2007, KOM(2007) 791 endg., S. 3, Fn. 1. Der angegebene<br />
Wert erfasst Beihilfen für die Bereiche Verarbeitendes Gewerbe,<br />
Dienstleistungssektor, Kohlenbergbau, Landwirtschaft, Fischerei<br />
und Teile des Verkehrssektors. Nicht enthalten sind dagegen Beihilfen<br />
für den Schienensektor und Ausgleichsleistungen für Dienstleistungen<br />
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (vgl. hierzu näher<br />
Abschnitt 5.4.3), da laut EU-Kommission hierfür kein<br />
vergleichbares Datenmaterial zur Verfügung stand. Das nominell<br />
ausgewiesene EU-Beihilfenniveau ist im Vergleich zu dem Subventionsvolumen,<br />
das im 21. Subventionsbericht der Bundesregierung allein<br />
für Deutschland im gleichen Zeitraum (2006) in einer Höhe von<br />
45,8 Mrd. Euro ausgewiesen wird, vergleichsweise niedrig. Diese<br />
Zahl setzt sich aus den Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des<br />
Bundes, der Länder und der Gemeinden ohne die Marktordnungsausgaben<br />
der EU und ohne die ERP-Finanzhilfen zusammen.; vgl. Bericht<br />
der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des<br />
Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2005 bis 2008<br />
(21. Subventionsbericht), S. 22, http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_53848/DE/BMF__Startseite/Service/Broschueren__Bestell<br />
service/Finanz__und__Wirtschaftspolitik/40200,property=publication<br />
File.pdf. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen,<br />
dass in der EU-Statistik, anders als im Subventionsbericht der<br />
Bundesregierung, lediglich der reine Beihilfenanteil berücksichtigt<br />
wird, d.h. bei Austauschverträgen nur das Subventionsäquivalent im<br />
Vergleich zu dem mutmaßlichen Verhalten eines privaten Investors<br />
ermittelt und ausgewiesen wird.<br />
11 Spitzenreiter war Malta mit einem BIP-Anteil von 2,29 Prozent, gefolgt<br />
von Lettland (1,8 Prozent), Finnland (1,53 Prozent) und Schweden<br />
(1,15 Prozent). Ein besonders geringes Niveau war in Großbritannien<br />
(0,22 Prozent), Griechenland (0,26 Prozent) und Luxemburg<br />
(0,32 Prozent) zu verzeichnen.