29.11.2012 Aufrufe

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

Deutscher Bundestag Unterrichtung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 331 – Drucksache 16/10140<br />

direkten Verhältnis zum Umsatz und zu der Höhe der gewährten<br />

Ausgleichszahlungen. Ausgleichszahlungen an<br />

Krankenhäuser werden daher als unproblematisch im<br />

Sinne von Artikel 86 Abs. 2 EGV angesehen, wenn die betroffenen<br />

Krankenhäuser Tätigkeiten ausführen, die von<br />

dem jeweiligen Mitgliedstaat als Dienstleistungen von allgemeinem<br />

wirtschaftlichem Interesse eingestuft wurden. 51<br />

In Deutschland wird in diesem Zusammenhang regelmäßig<br />

auf die Notwendigkeit zur sog. Daseinsvorsorge verwiesen.<br />

Daseinsvorsorge ist ein verwaltungsrechtlicher<br />

Ausdruck, der die Sicherstellung einer Grundversorgung<br />

der Bevölkerung durch die öffentliche Hand meint. Die<br />

Monopolkommission betont, dass es bei der Daseinsvorsorge<br />

auf Krankenhausmärkten wohl in erster Linie nicht<br />

um die Korrektur eines ökonomisch fundierten Marktversagens<br />

geht, sondern vielmehr um die Bereitstellung eines<br />

politisch gewünschten, flächendeckenden Umfangs an<br />

Krankenhausleistungen nach dem Prinzip der Tarifgleichheit<br />

im Raum. Sofern dieser politisch gewünschte Umfang<br />

nicht dem ökonomisch effizienten Umfang entspricht,<br />

kann seine Bereitstellung in einer Demokratie dennoch legitim<br />

sein, denn es spielen hierbei neben ökonomischen<br />

Effizienzzielen auch an Wertvorstellungen anknüpfende<br />

Zielsetzungen eine Rolle.<br />

853. Bestimmte Formen der Dualistik in der Krankenhausfinanzierung<br />

besitzen in politischen Vorgaben zu<br />

Höchstentfernungen und Versorgungsstufen bereits eine<br />

gewisse Rechtfertigung. Insbesondere ist zu berücksichtigen,<br />

dass ein Teil der Krankenhausversorgung Eigenschaften<br />

öffentlicher Güter besitzt. Dies gilt für den Optionsnutzen,<br />

den die Bevölkerung aus der Vorhaltung von<br />

Reservekapazitäten für den Katastrophenfall und aus der<br />

Bereitstellung einer effektiven Notfallversorgung schöpft<br />

und von dem de facto – vornehmlich aus ethischen Gründen<br />

– niemand ausgeschlossen werden kann, daher auch<br />

keine Konsumrivalität auftreten soll. Der Monopolkommission<br />

erscheint es nicht sinnvoll, den Sicherstellungsauftrag<br />

für Reservekapazitäten und die Notfallversorgung<br />

den Krankenkassen zu übertragen, gerade weil bei der gemeinschaftlichen<br />

Bereitstellung dieser Güter im Hinblick<br />

auf ihren Optionsnutzen ein Trittbrettfahrerproblem aufzutreten<br />

droht und daher der sensible Bereich allgemeiner<br />

Versorgungssicherheit auf dem Krankenhausmarkt potenziell<br />

einem privaten Bereitstellungsproblem ausgesetzt<br />

ist. Auch eine bundeszentrale Organisation der allgemeinen<br />

Notfallversorgung erscheint unangemessen. Gegen<br />

sie und für die Organisation durch die Länder, Kreise und<br />

Gemeinden sprechen insbesondere die hierdurch besseren<br />

Wahrnehmungsmöglichkeiten für lokale Präferenzen und<br />

die hierdurch erreichte Übereinstimmung der Zahler- und<br />

Empfängerkreise.<br />

854. Sollte daher die politisch motivierte, staatliche Daseinsvorsorge<br />

in bestimmten Regionen ein höheres Ver-<br />

51 Vgl. Entscheidung der Kommission über die Anwendung von Artikel<br />

86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten<br />

mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem<br />

Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt<br />

werden, ABl. EU Nr. L 312 vom 29. November 2005, S. 67 ff.<br />

sorgungsniveau als das durch den Markt bereitgestellte<br />

gebieten, ließe sich das Zusatzangebot in effizienter<br />

Weise durch wettbewerbskonforme, wiederkehrende<br />

Ausschreibungen sicherstellen. 52 Wettbewerb findet hierbei<br />

als Wettbewerb um den Markt in transparenten Ausschreibungsverfahren<br />

seinen Platz, die ineffizient hohe<br />

und diskriminierende Beihilfenintensitäten vermeiden.<br />

Die Ausschreibungsverfahren sind in einer Weise zu gestalten,<br />

dass stets jener Bieter mit dem Zusatzangebot betraut<br />

wird, der dieses in der gewünschten Qualität und im<br />

gewünschten Umfang mit dem geringsten Bedarf an öffentlichen<br />

Zuschüssen bereitstellt. Entsprechend wettbewerbskonform<br />

gewährte Zuschüsse wären dann auch im<br />

Sinne von Artikel 87 Abs. 1 EGV nicht als Beihilfen zu<br />

qualifizieren und es bedürfte daher auch keiner Klassifikation<br />

der Angebote des Krankenhaussektors als Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse.<br />

Im Ergebnis entstünde auf dem Krankenhausmarkt also<br />

wieder eine Form dualer Finanzierung, die diesmal allerdings<br />

auf die im Hinblick auf die Investitionsanreize<br />

problematische Trennung von staatlich getragenen Investitionskosten<br />

einerseits und durch die Krankenkassen<br />

getragenen Krankenhausbetriebskosten andererseits verzichtete.<br />

Stattdessen wäre im Krankenhaussektor nun<br />

zwischen den wettbewerblich bereitgestellten und vollständig<br />

aus dem einheitlichen DRG-Abrechnungssystem<br />

zu finanzierenden Leistungsangeboten sowie den politisch<br />

gewollten und staatlich bezuschussten Zusatzangeboten<br />

zu unterscheiden.<br />

4. Mehr Wettbewerb durch<br />

Opting-out-Möglichkeiten<br />

855. Die Analyse des DRG-Fallpauschalensystems hat<br />

auf institutionelle Fehler in der Krankenhausversorgung<br />

aufmerksam gemacht, die eine präferenzgerechte Bereitstellung<br />

von Krankenhausleistungen zu niedrigen Kosten<br />

erschweren. Die gesetzlich versicherten Patienten genießen<br />

in dem bestehenden Vollversicherungssystem das<br />

Recht auf Behandlung in sämtlichen Plankrankenhäusern<br />

und den Vertragskrankenhäusern. § 39 SGB V sichert<br />

weitgehende Wahlfreiheiten, die lediglich formal durch<br />

die Empfehlungen des jeweils einweisenden Arztes begrenzt<br />

sind. Der niedergelassene behandelnde Arzt verordnet<br />

dem Patienten eine Krankenhausbehandlung in einem<br />

von zwei nächstgelegenen Krankenhäusern, die er<br />

selbst für geeignet hält. Wählt der Versicherte dennoch<br />

ein anderes als ein in der Einweisung genanntes Krankenhaus,<br />

können ihm gemäß § 39 Abs. 2 SGB V die Mehrkosten<br />

ganz oder teilweise auferlegt werden. Solange sich<br />

der einweisende Arzt jedoch bei seiner Entscheidung<br />

auch auf vergleichsweise teure Anbieter, etwa auf eines<br />

der in der Regel teuren Universitätskrankenhäuser bezieht,<br />

ist der gesetzlich Versicherte ohne zusätzliche finanzielle<br />

Beschränkungen in der Wahl seines Krankenhauses<br />

frei. Die Krankenkassen als Kostenträger im<br />

52 Vgl. hierzu auch die Erörterungen eines „more economic approach“<br />

in der europäischen Beihilfenkontrolle im Kapitel VI dieses Gutachtens.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!