Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 310 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
tät der Wettbewerbsfälle noch weit höher, nämlich mit<br />
40 bis 50 Prozent, ein. 193<br />
3.8 Reformen<br />
784. Während des Berichtszeitraums hat die Europäische<br />
Kommission verschiedene Mitteilungen zur Fusionskontrolle<br />
überarbeitet und zusammengefasst. Im April<br />
2007 hat sie den Entwurf einer Mitteilung zu Abhilfemaßnahmen<br />
vorgelegt, mit dem die seit 2001 geltenden<br />
Leitlinien überarbeitet werden. 194 Die Konsolidierte Mitteilung<br />
der Kommission zu Zuständigkeitsfragen vom<br />
Juli 2007 löst vier ältere Mitteilungen über Begriff des<br />
Vollfunktionsunternehmens, über den Begriff des Zusammenschlusses<br />
und der beteiligten Unternehmen sowie<br />
über die Berechnung des Umsatzes ab. 195 Zuletzt, im November<br />
2007, hat die Europäische Kommission ihre Mitteilung<br />
zu nichthorizontalen Zusammenschlüssen veröffentlicht.<br />
196<br />
785. Die Mitteilung zu nichthorizontalen Zusammenschlüssen<br />
erfasst sowohl vertikale als auch konglomerate<br />
Zusammenschlüsse und soll die für diese Vorhaben spezifischen<br />
Wettbewerbsaspekte aufzeigen. Die Europäische<br />
Kommission vertritt die Ansicht, dass nichthorizontale<br />
Fusionen in der Regel weniger Anlass zu Wettbewerbsbedenken<br />
als horizontale Zusammenschlüsse geben. Zum<br />
einen resultiere aus nichthorizontalen Fusionen kein<br />
Verlust an direktem Wettbewerb. Zum anderen könnten<br />
vertikale und konglomerate Fusionen mit erheblichen Effizienzgewinnen<br />
einhergehen. So könne eine vertikale Integration<br />
z. B. zur Internalisierung doppelter Margen und<br />
zur Senkung von Transaktionskosten führen sowie eine<br />
bessere Koordinierung hinsichtlich Produktgestaltung<br />
oder Organisation des Herstellungsprozesses bewirken.<br />
Daneben stellt die Europäische Kommission fest, dass ein<br />
erweitertes Produktportfolio wegen der einheitlichen Beschaffungsquelle<br />
für die Kunden von Vorteil sein könne.<br />
Die Europäische Kommission legt als Prüfungsmaßstab<br />
193 Äußerung des ehemaligen EuG-Präsidenten Bo Vesterdorf im Rahmen<br />
der Diskussion zu seinem Vortrag bei der Studienvereinigung<br />
Kartellrecht, Internationales Forum EG-Kartellrecht, Brüssel,<br />
24. Mai 2007.<br />
194 Vgl. Tz. 765 ff.<br />
195 Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen<br />
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle<br />
von Unternehmenszusammenschlüssen, 10. Juli 2007; Mitteilung<br />
der Kommission über den Begriff des Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens<br />
nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/98 des<br />
Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen,<br />
ABl. EG Nr. C 66 vom 2. März 1998, S. 1; Mitteilung der Kommission<br />
über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG)<br />
Nr. 4064/98 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen,<br />
ABl. EG Nr. C 66 vom 2. März 1998, S. 5; Mitteilung<br />
der Kommission über den Begriff der beteiligten Unternehmen in der<br />
Verordnung (EWG) Nr. 4064/98 des Rates über die Kontrolle von<br />
Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG Nr. C 66 vom 2. März<br />
1998, S. 14; Mitteilung der Kommission über die Berechnung des<br />
Umsatzes im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 4064/98 des Rates<br />
über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EG<br />
Nr. C 66 vom 2. März 1998, S. 25.<br />
196 Mitteilung der Kommission, Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler<br />
Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle<br />
von Unternehmenszusammenschlüssen, 28. November 2007.<br />
ausdrücklich den Konsumentenwohlfahrtsstandard an.<br />
Deshalb sieht sie es auch nicht als per se problematisch<br />
an, wenn eine nichthorizontale Fusion die Wettbewerber<br />
der Zusammenschlussbeteiligten beeinträchtigt.<br />
786. Die Europäische Kommission legt ferner dar, wie<br />
sie die Marktanteile und Konzentrationshöhen im Zusammenhang<br />
mit nichthorizontalen Fusionen einschätzt.<br />
Diese bedrohten wirksamen Wettbewerb nur, wenn das<br />
fusionierte Unternehmen über ein deutliches Maß an<br />
Marktmacht in wenigstens einem der betroffenen Märkte<br />
verfüge. Erste nützliche Bezugsgrößen für eine solche<br />
Marktposition stellten die Marktanteile und Konzentrationshöhen<br />
dar. Nach Auffassung der Europäischen Kommission<br />
wird es kaum zu Wettbewerbsbedenken kommen,<br />
wenn der Marktanteil der neuen Unternehmenseinheit in<br />
jedem der betroffenen Märkte unterhalb von 30 Prozent<br />
und der HHI unterhalb von 2.000 liege. Die Europäische<br />
Kommission kündigt allerdings an, dass derartige Fusionen<br />
unter besonderen Umständen dennoch eingehend untersucht<br />
werden. Davon sei beispielsweise auszugehen,<br />
wenn eine Zusammenschlusspartei wahrscheinlich in naher<br />
Zukunft erheblich wachsen werde oder zwischen den<br />
Marktteilnehmern beträchtliche Überkreuzbeteiligungen<br />
bestünden.<br />
787. Nach den Leitlinien können nichthorizontale Fusionen<br />
wirksamen Wettbewerb unter Umständen auch erheblich<br />
behindern. Die Europäische Kommission unterscheidet<br />
in diesem Zusammenhang – wie bei horizontalen<br />
Fusionen – zwischen nicht koordinierten und koordinierten<br />
Auswirkungen. Bei ersteren stellt die Kommission im<br />
Wesentlichen auf mögliche Abschottungseffekte ab, wobei<br />
zwischen zwei Arten des Marktverschlusses – der Abschottung<br />
von Einsatzmitteln und der Abschottung von<br />
den Kunden – unterschieden wird. Die Europäische Kommission<br />
will in derartigen Fällen in drei Schritten prüfen,<br />
ob das fusionierte Unternehmen die Möglichkeit sowie<br />
den Anreiz zur Abschottung hätte und eine Abschottungsstrategie<br />
spürbare nachteilige Auswirkungen auf den<br />
Wettbewerb hätte. Von koordinierten Effekten sei dann<br />
auszugehen, wenn das Wesen des Wettbewerbs auf dem<br />
betroffenen Markt sich insoweit ändere, als eine Koordinierung<br />
zwischen Unternehmen, die vorher keinen entsprechenden<br />
Anreiz hatten, wahrscheinlicher werde, oder<br />
wenn eine vorhandene Koordinierung für die Unternehmen<br />
einfacher, stabiler oder effektiver werde.<br />
Für die Frage, ob Anreize für ein bestimmtes Verhalten<br />
existieren, stellt die Europäische Kommission auf dessen<br />
Profitabilität ab. Sie will hierbei sowohl die positiven Anreize<br />
als auch die Faktoren, die zu einer Schwächung oder<br />
sogar Beseitigung derartiger Anreize führen können, berücksichtigen.<br />
Zu den letztgenannten Faktoren gehört die<br />
Möglichkeit, dass das prognostizierte Verhalten nach europäischen<br />
oder nationalen Maßstäben unrechtmäßig ist.<br />
Bei dieser Bewertung sei jedoch keine erschöpfende und<br />
eingehende Prüfung der Vorschriften der verschiedenen<br />
anwendbaren Rechtsordnungen und der darin vorherrschenden<br />
Durchsetzungssysteme erforderlich. Die Europäische<br />
Kommission habe lediglich zu ermitteln, ob die<br />
Rechtswidrigkeit des Verhaltens anhand einer ersten Ana-