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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 309 – Drucksache 16/10140<br />

Konsequenz, dass ihr trotz des Erfolges in der Sache ein<br />

Viertel ihrer Kosten auferlegt wurde. Möglicherweise hat<br />

das Gericht im vorliegenden Fall auf eine Rückkehr in<br />

das normale Verfahren nur deshalb verzichtet, weil es<br />

sich um eine Drittklage handelte und die Verzögerung<br />

von dem Drittkläger ausging. Die Fusionsbeteiligten hingegen,<br />

die an einer zügigen Entscheidung besonders interessiert<br />

sind, trugen für die Verzögerung keine Verantwortung.<br />

Zweifelhaft ist jedoch, ob sich das Gericht<br />

künftig genauso großzügig verhalten wird, wenn die Fusionsparteien<br />

selbst gegen eine Untersagung vorgehen und<br />

das beschleunigte Verfahren in ungebührlicher Weise aufhalten.<br />

782. Gegen das vorliegende Urteil haben Bertelsmann<br />

und Sony am 10. Oktober 2006 Rechtsmittel beim EuGH<br />

eingelegt. Unter anderem führen die Kläger an, das Gericht<br />

habe falsche und übertrieben hohe Anforderungen<br />

an die Nachweispflicht und die Entscheidungsbegründung<br />

gestellt und rechtsfehlerhaft die Mitteilung der Beschwerdepunkte<br />

als Bezugspunkt für die materielle Beurteilung<br />

der Entscheidung verwendet. Parallel zu dem<br />

Verfahren vor dem EuGH hat die erneute Prüfung des Zusammenschlussfalls<br />

Sony/BMG durch die Europäische<br />

Kommission stattgefunden. Dieser Prüfung waren zwar<br />

die aktuellen Marktbedingungen zugrunde zu legen, sie<br />

erfolgte aber wiederum auf der Basis der Verordnung<br />

4064/89, weil es insoweit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses<br />

zwischen den Parteien ankommt. Die Europäische<br />

Kommission hat inzwischen ihre erste Freigabeentscheidung<br />

bestätigt und den Zusammenschluss nach<br />

Durchführung der zweiten Verfahrensphase ohne Bedingungen<br />

und Auflagen genehmigt.<br />

3.7.3 easyJet/Kommission<br />

783. Weniger Aufsehen erlangte das Urteil easyJet/<br />

Kommission, mit dem die behördliche Entscheidung in<br />

dem Zusammenschlussvorhaben Air France/KLM bestätigt<br />

worden ist. 192 Die Europäische Kommission hatte am<br />

11. Februar 2004 das Zusammenschlussvorhaben von Air<br />

France und KLM mit einer Zusagenentscheidung in der<br />

ersten Verfahrensphase genehmigt. Am 14. Mai 2004<br />

legte easyJet Drittklage gegen die Freigabeentscheidung<br />

ein. Das Urteil vom 4. Juli 2006 ist verfahrensrechtlich<br />

von besonderem Interesse, weil es die Darlegungspflichten<br />

des Klägers in Verfahren, die sich gegen eine Entscheidung<br />

der Europäischen Kommission richten, verdeutlicht.<br />

Nach Auffassung von easyJet hat die Europäische Kommission<br />

unter anderem deshalb einen offensichtlichen Beurteilungsfehler<br />

begangen, weil sie ihre Untersuchung<br />

nicht auf Märkte/Flugverbindungen erstreckt hatte, auf<br />

denen keine Überschneidungen zwischen den Tätigkeiten<br />

der Fusionsbeteiligten existierten. Ebenso habe die Europäische<br />

Kommission es versäumt, die Auswirkungen des<br />

Zusammenschlusses auf den Markt für Freizeitflugreisen<br />

192 EuG, Urteil vom 4. Juli 2006, Rs. T-177/04, easyJet/Kommission.,<br />

Slg. 2006, II-1931.<br />

zu untersuchen. Das Gericht folgt diesem Vorbringen<br />

nicht, weil die Klägerin die Märkte, deren Existenz sie<br />

geltend mache, nicht näher definiert habe. Ohne eine solche<br />

Definition könne das Gericht nicht beurteilen, ob die<br />

Wettbewerbsbehörde die genannten Märkte hätte untersuchen<br />

müssen. Soweit der Europäischen Kommission vorgeworfen<br />

werde, sie habe ein etwaiges Wettbewerbsproblem<br />

auf Märkten, auf denen keine Überschneidungen<br />

zwischen den Tätigkeiten der Parteien bestehen, nicht berücksichtigt,<br />

habe ein Kläger zudem zuverlässige Indizien<br />

vorzutragen, mit denen auf konkrete Weise die Existenz<br />

eines Wettbewerbsproblems bewiesen würden. Um diesem<br />

Erfordernis zu genügen, müsse ein Kläger die betreffenden<br />

Märkte bezeichnen, die Wettbewerbslage ohne<br />

Zusammenschluss beschreiben und angeben, welche<br />

Auswirkungen ein Zusammenschluss vermutlich im Hinblick<br />

auf die Wettbewerbslage auf diesen Märkten hätte.<br />

Dies sei im vorliegenden Fall unterblieben. Auch die weiteren<br />

Klagegründe wies das Gericht zurück, da die Klägerin<br />

ihr Vorbringen nicht hinreichend belegt habe. Bloße<br />

Behauptungen, zu deren Stützung nichts vorgetragen<br />

werde, genügten keinesfalls als Basis für die Nichtigerklärung<br />

einer Kommissionsentscheidung. An verschiedenen<br />

Stellen des Urteils weist das Gericht außerdem ausdrücklich<br />

darauf hin, dass die Vorwürfe der Klägerin<br />

gegenüber der Kommission unberechtigt sind, weil diese<br />

bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Aspekte berücksichtigt<br />

habe.<br />

Das EuG stützt sich bei seiner Argumentation auf<br />

Artikel 44 § 1 lit. c der Verfahrensverordnung des Gerichts,<br />

demzufolge die Klageschrift den Streitgegenstand<br />

und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten<br />

muss. Nach Auffassung des Gerichts muss diese Darstellung<br />

hinreichend klar und deutlich sein, um dem Beklagten<br />

die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht<br />

gegebenenfalls ohne weitere Informationen die Entscheidung<br />

über die Klage zu ermöglichen. Für die Zulässigkeit<br />

einer Klage sei es erforderlich, dass sich die wesentlichen<br />

tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die<br />

Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend<br />

und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift<br />

ergeben. Das Gericht stellt somit klar, dass eine<br />

Klage keinen Erfolg haben kann, wenn sie auf bloßen Behauptungen<br />

basiert, die nicht durch entsprechende Fakten<br />

und Informationen untermauert werden. Vielmehr trifft<br />

den Kläger eine weitgehende Substantiierungspflicht.<br />

Das vorliegende Urteil kann auch als Warnung des Gerichts<br />

vor der Erhebung offensichtlich unbegründeter<br />

Klagen verstanden werden. Das Gericht dürfte diese Gelegenheit<br />

vor dem Hintergrund der stark steigenden Zahl<br />

von Klagen in Wettbewerbsfällen wahrnehmen. Allein im<br />

Jahr 2006 hatte das Gericht über 400 neu anhängige<br />

Rechtssachen zu verzeichnen und liegt damit zwar in<br />

etwa gleichauf mit dem Jahr 2005. Im Vergleich von 2005<br />

und 2006 hat sich jedoch die Zahl der neu anhängigen<br />

Fälle im Bereich Wettbewerb von 40 auf 81 verdoppelt.<br />

Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen machen somit ca.<br />

20 Prozent aller neu anhängigen Rechtssachen aus. Die<br />

damit verbundene Arbeitsbelastung des Gerichts schätzt<br />

der ehemalige Präsident des EuG aufgrund der Komplexi-

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