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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 308 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

des Gerichts zu den Beschwerdepunkten in Zukunft verstärkt<br />

bemühen, Meinungsänderungen im Verlauf eines<br />

Fusionskontrollverfahrens plausibel zu begründen. Es ist<br />

jedenfalls zu gewährleisten, dass die Parteien zu allen<br />

entscheidungserheblichen Punkten Stellung nehmen können.<br />

Hingegen dürfte es schwierig sein, die Forderung des<br />

Gerichts nach Durchführung einer Marktuntersuchung im<br />

Anschluss an die Parteienanhörung zu erfüllen. Wie die<br />

Erfahrung zeigt, lassen die engen Fristen im Fusionskontrollverfahren,<br />

insbesondere zwischen Versendung der<br />

Beschwerdepunkte, Anhörung der Zusammenschlussbeteiligten<br />

und abschließender Entscheidung, eine umfassende<br />

Marktuntersuchung zu diesem Zeitpunkt kaum zu.<br />

Eine zeitliche Vorverlagerung der Beschwerdepunkte erscheint<br />

ebenfalls unwahrscheinlich, da die den Beschwerdepunkten<br />

vorausgehenden Ermittlungen schon jetzt unter<br />

großem Zeitdruck erfolgen. Gegebenenfalls muss die<br />

Europäische Kommission auf die Anforderungen des Gerichts<br />

damit reagieren, die Verfahrensfristen zu verlängern.<br />

Dies ist allerdings gemäß Artikel 10 Abs. 3<br />

UnterAbs. 2 FKVO nur mit Zustimmung der Anmelder<br />

möglich. Denkbar sind daher auch erneute Vorstöße legislativer<br />

Art hin zu einer weiteren Verlängerung der Fusionskontrollfristen.<br />

Abzulehnen wäre jedenfalls eine Reaktion,<br />

bei der die Europäische Kommission selbst<br />

fundierte Gegenargumente, die erst zu einem relativ späten<br />

Zeitpunkt in das Verfahren eingebracht werden, nicht<br />

mehr berücksichtigen und eine einmal eingenommene<br />

Einschätzung beibehalten würde. Ebenso negativ wäre es<br />

zu beurteilen, wenn die Europäische Kommission auf die<br />

Versendung von Beschwerdepunkten verzichten würde,<br />

obwohl in einer früheren Verfahrensphase ernsthafte Bedenken<br />

gegen einen Zusammenschluss bestehen.<br />

779. Im Anschluss an das Urteil wurden auch Forderungen<br />

laut, die Möglichkeit von Drittklagen einzudämmen.<br />

Dies könne im Wege von Artikel 10 Abs. 6 FKVO erreicht<br />

werden, wonach ein Zusammenschluss als genehmigt<br />

gilt, wenn die Europäische Kommission nicht innerhalb<br />

der vorgesehenen Fristen zu einer Entscheidung<br />

gelangt. Eine solche Freigabefiktion sei mangels behördlicher<br />

Verfügung nicht gerichtlich angreifbar und biete<br />

den Zusammenschlussparteien somit ohne Verzögerung<br />

ein hohes Maß an Rechtssicherheit. Außerdem versetze<br />

dieses Vorgehen die Europäische Kommission in die<br />

Lage, sich auf die schwerwiegenden, bedenklichen Fälle<br />

zu konzentrieren. Die nötige Transparenz des Verfahrens<br />

sei mittels Veröffentlichung von Presseerklärungen erreichbar.<br />

780. Die Monopolkommission verkennt nicht die<br />

grundsätzlich bestehende Gefahr missbräuchlich erhobener<br />

Drittklagen im Rahmen der Fusionskontrolle. Sie ist<br />

sich auch des Zielkonflikts zwischen zügiger Rechtssicherheit<br />

einerseits und Drittrechtsschutz andererseits bewusst.<br />

Die Monopolkommission wendet sich jedoch ausdrücklich<br />

gegen die regelmäßige Verwendung des<br />

Artikel 10 Abs. 6 FKVO zur Genehmigung von Zusammenschlüssen.<br />

Die Regelung ist Ausfluss des Beschleunigungsgrundsatzes<br />

in der europäischen Fusionskontrolle<br />

und sanktioniert Verzögerungen aufseiten der Europäischen<br />

Kommission. Schließt die Wettbewerbsbehörde ein<br />

Verfahren in der ersten oder zweiten Phase nicht rechtzeitig<br />

ab, wird eine Entscheidung fingiert. Es handelt sich<br />

somit um ein Instrument, mit dem die Parteien vor Verzögerungen<br />

seitens der Wettbewerbsbehörde geschützt werden<br />

sollen, nicht um ein Instrument zur Vermeidung von<br />

Klagen. Deshalb ist jedenfalls bislang gegen – fingierte –<br />

Entscheidungen nach Artikel 10 Abs. 6 FKVO die Nichtigkeitsklage<br />

statthaft. Dies sollte nach Auffassung der<br />

Monopolkommission auch nicht geändert werden. Gegen<br />

den vorgeschlagenen Weg sprechen die damit einhergehende<br />

Intransparenz – eine notwendigerweise relativ<br />

oberflächliche Presseerklärung kann detaillierte Behördenentscheidungen<br />

nicht ersetzen – sowie die erhöhte Gefahr<br />

politischer Einflussnahme. Außerdem bezieht sich<br />

Artikel 10 Abs. 6 FKVO erkennbar nur auf Ausnahmefälle<br />

und kann eine behördliche Entscheidung nach<br />

Artikel 2 FKVO nicht generell ersetzen. Dies belegt auch<br />

Erwägungsgrund 35 der Fusionskontrollverordnung, wonach<br />

im Gesetz Fristen vorzusehen sind, innerhalb derer<br />

die Europäische Kommission abschließend zu entscheiden<br />

hat.<br />

Die Fusionskontrollverordnung schützt zudem nicht nur<br />

die Institution des Wettbewerbs als solche, sondern auch<br />

das Vertrauen Dritter auf den Erhalt des Wettbewerbs.<br />

Daher müssen Dritte in gleicher Weise wie die Zusammenschlussbeteiligten<br />

auf die Richtigkeit der Ergebnisse<br />

bauen und sie gegebenenfalls auch angreifen können.<br />

Darüber hinaus würde ein wichtiges Instrument zur Gewährleistung<br />

korrekter Entscheidungen entfallen, wenn<br />

die Möglichkeit von Drittklagen beseitigt würde. Gäbe es<br />

keine Möglichkeit zur Drittklage, würde schließlich auch<br />

die Wachsamkeit von Wettbewerbern und sonstigen<br />

Marktteilnehmern in Bezug auf die Richtigkeit von Entscheidungen<br />

nachlassen. Bislang ist nicht erkennbar, dass<br />

der Dritten zustehende Rechtsschutz in der europäischen<br />

Fusionskontrolle missbräuchlich genutzt wurde. Dies belegt<br />

gerade der vorliegende Fall, in dem das Gericht den<br />

Argumenten der Klägerin weitgehend folgt. Berücksichtigt<br />

werden sollte in diesem Zusammenhang auch, dass<br />

die Drittklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet, die<br />

Parteien also durch die Klage nicht am Vollzug des Zusammenschlusses<br />

gehindert sind. Eine systematische Verzögerung<br />

der Fusionskontrollverfahren zum Zweck der<br />

Genehmigungsfiktion gemäß Artikel 10 Abs. 6 FKVO<br />

wäre nach Auffassung der Monopolkommission grob verfahrensfehlerhaft<br />

und würde einen qualifizierten Rechtsverstoß<br />

darstellen, der nach Artikel 288 Abs. 2 EGV die<br />

Amtshaftung der Gemeinschaft auslösen würde. 191<br />

781. Schließlich ist anzumerken, dass der Prozess auf<br />

Antrag der Klägerin im beschleunigten Verfahren durchgeführt<br />

wurde. Das Gericht hatte sich allerdings vorbehalten,<br />

jederzeit in das normale Verfahren zurückkehren<br />

zu können. Aus dem Urteil geht hervor, dass Impala das<br />

Verfahren in mehrfacher Hinsicht verzögert und aufgehalten<br />

hat. Dennoch hat das Gericht keinen Gebrauch von<br />

seiner Möglichkeit zur Rückkehr in das normale Verfahren<br />

gemacht. Das Verhalten Impalas hatte allerdings zur<br />

191 Vgl. Tz. 771 ff.

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