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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 307 – Drucksache 16/10140<br />

abzuwarten, ob der EuGH diese Einwände als stichhaltig<br />

ansieht.<br />

3.7.2 Impala/Kommission<br />

774. Große Aufmerksamkeit erregte auch das Urteil Impala/Kommission,<br />

mit dem das Gericht erster Instanz die<br />

Entscheidung der Europäischen Kommission in dem Zusammenschlussverfahren<br />

Sony/BMG für nichtig erklärt<br />

hat. 187 Damit steht das Urteil in einer Reihe mit drei Entscheidungen<br />

des EuG – Airtours/Kommission, Schneider<br />

Electric/Kommission sowie Tetra Laval/Kommission –<br />

aus dem Jahr 2002, mit denen ebenfalls Kommissionsverfügungen<br />

aufgehoben worden sind. Im Unterschied zu<br />

diesen Gerichtsentscheidungen, die sich jeweils mit behördlichen<br />

Verboten befassten, betrifft das jetzige Urteil<br />

allerdings eine Freigabeverfügung der Europäischen<br />

Kommission. Es handelt sich jedoch nicht, wie verschiedentlich<br />

in der Presse zu lesen war, um die erste Aufhebung<br />

einer Freigabeentscheidung durch die europäischen<br />

Gerichte. Schon in dem Zusammenschluss RAG/Saarbergwerke/Preussag<br />

Anthrazit hat das Gericht eine Genehmigung<br />

für nichtig erklärt. 188 In den Fällen Kali &<br />

Salz/ Treuhandgesellschaft sowie SEB/Moulinex geschah<br />

dies zumindest teilweise. 189 Das nun vorliegende Urteil<br />

ist vor allem wegen der Ausführungen des Gerichts zum<br />

Beweismaßstab in Freigabeentscheidungen sowie zu den<br />

Begründungs- und Beweispflichten der Europäischen<br />

Kommission bemerkenswert.<br />

775. Hervorzuheben ist, dass das EuG bei Freigabeentscheidungen<br />

dieselben Begründungs- und Beweisanforderungen<br />

stellt wie bei Untersagungsverfügungen. Es fordert<br />

auch im Rahmen von Genehmigungen, dass die<br />

Europäische Kommission sämtliche relevanten Fakten<br />

berücksichtigt, widerspruchsfrei bleibt und ihre Entscheidung<br />

in nachvollziehbarer Weise begründet. Außerdem<br />

hat die Europäische Kommission bei der Prüfung einer<br />

kollektiven Marktbeherrschung dieselben Kriterien<br />

– Markttransparenz, Vergeltungsmechanismen sowie wettbewerbliche<br />

Stärke von Konkurrenten und Nachfragern –<br />

heranzuziehen, egal ob das Verfahren mit einer Freigabe<br />

oder einem Verbot endet. Somit steht der Europäischen<br />

Kommission im Rahmen von Fusionsgenehmigungen<br />

kein größerer Entscheidungsspielraum zu als bei einem<br />

Verbot.<br />

776. Die Monopolkommission befürwortet diese Position<br />

des Gerichts, denn aus wettbewerbspolitischer Sicht<br />

ist kein Grund ersichtlich, warum behördliche Fehler, die<br />

zu einer unrichtigen Genehmigung führen, großzügiger<br />

behandelt werden sollten als solche im Rahmen von Verbotsentscheidungen.<br />

Welche Art von Fehler gravierendere<br />

negative Folgen für den Wettbewerb auslöst, lässt<br />

187 EuG, Urteil vom 13. Juli 2006, Rs. T-464/04, Impala/Kommission.,<br />

Slg. 2006, II-2289.<br />

188 EuG, Urteil vom 31. Januar 2001, Rs. T-156/98, RJB Mining/Kommission,<br />

Slg. 2001, II-337.<br />

189 EuGH, Urteil vom 31. März 1998, Verb. Rs. C-68/94 und C-30/95,<br />

Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375; EuG, Urteil vom<br />

3. April 2003, Rs. T-114/02, Babyliss/Kommission, Slg. 2003, II-1279.<br />

sich nicht verallgemeinern, sondern nur im Einzelfall beurteilen.<br />

Gegen die Ansicht des Gerichts lässt sich auch<br />

nicht anführen, dass die Fusionsbeteiligten im Falle einer<br />

Freigabe größeren Vertrauensschutz genießen als bei einer<br />

Untersagung. Das folgt schon aus der im Gesetz verankerten<br />

Möglichkeit zur Drittklage, aus der sich für die<br />

Fusionsparteien ergibt, dass auch eine vorbehaltlose Genehmigung<br />

möglicherweise gerichtlich angegriffen wird.<br />

777. Das Gericht befasst sich daneben mit der fundamentalen<br />

Kehrtwendung der Europäischen Kommission<br />

zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß<br />

Artikel 18 FKVO, der mündlichen Anhörung der Zusammenschlussbeteiligten<br />

und der abschließenden Entscheidung<br />

nach Artikel 8 Abs. 2 FKVO. 190 Zwar bestätigt das<br />

Gericht ausdrücklich, dass es sich bei den Beschwerdepunkten<br />

lediglich um eine vorläufige Beurteilung im laufenden<br />

Verfahren handelt. Eine Abweichung von den darin<br />

getroffenen Feststellungen und Einschätzungen habe<br />

die Europäische Kommission deshalb nicht im Einzelnen<br />

zu begründen. Die Begründungspflicht beziehe sich lediglich<br />

auf die in der abschließenden Entscheidung getroffenen<br />

Aussagen, die in rechtlich hinreichender Weise<br />

erläutert werden müssten. Nichtsdestoweniger kritisiert<br />

das Gericht im weiteren Verlauf der Urteilsbegründung,<br />

dass sich die im Anschluss an die Anhörung erfolgte Bewertungsänderung<br />

durch die Wettbewerbsbehörde nicht<br />

in ausreichendem Maß in den Gründen der Freigabeentscheidung<br />

wiederfindet und überzeugende Argumente<br />

plötzlich fallen gelassen worden sind. Insbesondere bemängelt<br />

das Gericht, dass die Europäische Kommission<br />

ihre Bedenken auf der Basis der Parteianhörung aufgab,<br />

ohne die dort gemachten Aussagen durch eine neue<br />

Marktuntersuchung zu verifizieren.<br />

778. Auch nach Einschätzung der Monopolkommission<br />

war es überraschend und kaum nachvollziehbar, wie deutlich<br />

und zu welch spätem Zeitpunkt die Europäische<br />

Kommission in dem Verfahren Sony/BMG ihren Standpunkt<br />

wechselte. Die Entscheidung vermittelt den Eindruck,<br />

die Wettbewerbsbehörde habe plötzlich ihre Vorstellung<br />

darüber geändert, welchen Beweismaßstab sie zu<br />

erfüllen habe und sei davon überzeugt gewesen, diesem<br />

strengeren Beweismaßstab nicht gerecht werden zu können.<br />

Festzustellen ist allerdings auch, dass es sich bei<br />

dem dargestellten Vorgang – soweit ersichtlich – eher um<br />

einen Einzelfall in der Entscheidungspraxis der Europäischen<br />

Kommission handelt. Darüber hinaus erscheint<br />

auch die vom EuG geäußerte Kritik in sich unstimmig.<br />

Das Gericht stellt zwar einerseits klar, dass die Beschwerdepunkte<br />

nur eine vorläufige Beurteilung liefern und Abweichungen<br />

in der abschließenden Entscheidung nicht im<br />

Einzelnen zu begründen seien. In der Sache verlangt das<br />

Gericht aber doch Erklärungen für die Meinungsänderung<br />

der Europäischen Kommission von den Beschwerdepunkten<br />

bis hin zur abschließenden Entscheidung.<br />

Nach Auffassung der Monopolkommission muss sich die<br />

Europäische Kommission aufgrund der Ausführungen<br />

190 Urteil, Rn. 282 ff.

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