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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 301 – Drucksache 16/10140<br />

henen Zusagen ihre Bedenken gegen den Zusammenschluss<br />

zerstreuen konnten. Das EuG bestätigt daneben<br />

die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit und Prüfung<br />

von Verhaltenszusagen. Hiernach sind verhaltensbezogene<br />

Verpflichtungszusagen nicht schon ihrem Wesen<br />

nach unzulänglich, um die Begründung oder Verstärkung<br />

einer beherrschenden Stellung zu verhindern. Vielmehr<br />

seien sie ebenso wie strukturelle Verpflichtungszusagen<br />

von Fall zu Fall zu prüfen. Veräußerungsverpflichtungen<br />

seien zwar entsprechend der Mitteilung über die Abhilfemaßnahmen<br />

vorzugswürdig, sie stellten jedoch nicht die<br />

einzige mögliche Maßnahme dar. Insbesondere wenn sich<br />

eine Veräußerung als unmöglich erweise, müsse die Europäische<br />

Kommission entscheiden, ob auch andere Arten<br />

von Abhilfemaßnahmen ausreichten, um wirksamen<br />

Wettbewerb wiederherzustellen. Im vorliegenden Fall<br />

habe die Kommission hinreichend dargelegt, dass weder<br />

ein lebensfähiger Geschäftsteil zur Veräußerung zur Verfügung<br />

stand noch dass die Veräußerung von Flugzeugen<br />

die aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme wirksam beheben<br />

konnte. Die Wettbewerbsbehörde habe in nachvollziehbarer<br />

Weise begründet, dass die Hauptschranke für<br />

den Marktzutritt die begrenzte Anzahl von Slots auf den<br />

großen Flughäfen darstelle. Die Europäische Kommission<br />

habe daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler<br />

begangen, als sie Zusagen entgegennahm, die sich auf<br />

die Begrenzung von Marktzutrittsschranken und nicht auf<br />

die Veräußerung von Vermögensgegenständen bezogen.<br />

Insgesamt stuft das Gericht die dauerhafte Abgabe von<br />

Slots unter den Bedingungen des vorliegenden Falles als<br />

strukturelle Abhilfemaßnahme ein.<br />

Zuletzt führt das Gericht erster Instanz aus, dass die Europäische<br />

Kommission nicht verpflichtet war, einen neuen<br />

Marktteilnehmer konkret zu benennen, da sich im Verwaltungsverfahren<br />

verschiedene Wettbewerber interessiert<br />

gezeigt hatten, die angebotenen Slots zu übernehmen.<br />

Das Gericht hält es außerdem für unerheblich, dass<br />

bislang kein neuer Teilnehmer in die betroffenen Märkte<br />

eingetreten ist. Die angefochtene Entscheidung sei nämlich<br />

anhand der tatsächlichen Umstände zu prüfen, die<br />

zum Zeitpunkt ihres Erlasses vorlagen und nicht unter<br />

Berücksichtigung späterer Umstände. Das EuG geht weiter<br />

davon aus, dass die Durchdringung eines neuen Marktes<br />

gewisse Zeit in Anspruch nehmen könne. Neue<br />

Marktteilnehmer müssten in der Lage sein zu prüfen, ob<br />

der Eintritt in diesen Markt für sie rentabel sei. Nach der<br />

Mitteilung über Abhilfemaßnahmen dürften zwar nur solche<br />

Zusagen in der ersten Verfahrensphase entgegengenommen<br />

werden, die innerhalb kurzer Zeit durchführbar<br />

sind. Diese Vorgabe hält das Gericht aber für erfüllt, da<br />

die Slots einen Monat nach Durchführung des Zusammenschlusses<br />

angeboten werden mussten.<br />

755. Bemerkenswert ist vor allem, dass das Gericht die<br />

im vorliegenden Fall getroffene Abhilfemaßnahme<br />

durchaus für wirksam hält. Seiner Auffassung nach resultiert<br />

aus der Verpflichtung zur Slot-Abgabe ein gewisser<br />

Wettbewerbsdruck für die Zusammenschlussparteien,<br />

selbst wenn kein neuer Teilnehmer in die betroffenen<br />

Märkte eintreten sollte. Jedenfalls bei einer von den Parteien<br />

durchgeführten Preissteigerung würde sich laut EuG<br />

die Attraktivität eines Markteintritts für Dritte erhöhen.<br />

Maßgeblich für die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahme<br />

ist nach Ansicht des Gerichts somit schon die Bereitstellung<br />

der Slots zur Abgabe, nicht erst die Übertragung auf<br />

einen Wettbewerber. Nach Auffassung der Monopolkommission<br />

kann dem Gericht zwar insoweit gefolgt werden,<br />

als mit der Verpflichtung zur Slot-Abgabe eine Senkung<br />

der Marktzutrittsbarrieren und somit – jedenfalls prinzipiell<br />

– eine Stärkung des Wettbewerbsdrucks einhergeht.<br />

Denn ohne verfügbare Zeitnischen ist ein Markteintritt<br />

von vornherein ausgeschlossen. Ferner trifft es zu, dass<br />

potenziellen Wettbewerbern ein gewisser Zeitraum für<br />

eine Rentabilitätsprüfung zugebilligt werden muss.<br />

Nichtsdestoweniger verbleibt es bei dem Umstand, dass<br />

zwischen der Kommissionsentscheidung und dem Erlass<br />

des vorliegenden Urteils über zwei Jahre vergangen sind,<br />

ohne dass tatsächlich ein Wettbewerber die angebotenen<br />

Slots oder einen Teil derselben übernommen hätte. Das<br />

Gericht hat sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt,<br />

ob dies auch als Indiz dafür gewertet werden könnte, dass<br />

die auferlegten Abhilfemaßnahmen unzureichend waren<br />

und z. B. eine zu geringe Anzahl von Slots umfassten, unattraktive<br />

Strecken einbezogen oder in sonstiger Weise<br />

ungeeignet waren, potenzielle Wettbewerber anzulocken.<br />

Nach Ansicht der Monopolkommission bedeutet die Abgabe<br />

von Slots zunächst nur eine rechtliche Chance von<br />

Konkurrenten, einen Flughafen zu bedienen. Es ist jedoch<br />

nicht gesagt, dass die geringe Verfügbarkeit von Slots die<br />

einzige Marktzutrittsschranke bildet und keine weiteren<br />

Hindernisse bestehen. Problematisch erscheint des Weiteren<br />

die Dauer der Abhilfemaßnahme im geschilderten<br />

Fall. Sie ist auf unbefristete Zeit angelegt, was eine dauerhafte<br />

Überwachung durch den bestellten Treuhänder<br />

impliziert. Diese Überwachung endet laut Zusagenvereinbarung<br />

erst dann, wenn sich die gegenwärtigen Verhältnisse<br />

so grundlegend ändern, dass die Abhilfemaßnahme<br />

im Rahmen der vorgesehenen Überprüfungsklausel aufgehoben<br />

werden kann.<br />

756. Zu bedenken ist darüber hinaus, dass den Parteien<br />

im Rahmen von Abhilfemaßnahmen, mit deren Hilfe<br />

Marktzutrittsschranken abgebaut werden sollen, im Allgemeinen<br />

maßgebliche Gestaltungsspielräume sowie erhebliches<br />

Diskriminierungspotenzial im Hinblick auf die<br />

konkreten Zugangsmodalitäten verbleiben. Daraus resultieren<br />

häufig beträchtliche Schwierigkeiten beim praktischen<br />

Vollzug des Zugangs, die die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahme<br />

insgesamt infrage stellen können. Bei der<br />

Abgabe von Slots sind die Wettbewerber zwar zunächst<br />

auf die Infrastruktur des neutralen Flughafenbetreibers<br />

angewiesen, Vollzugsprobleme können in der Praxis aber<br />

dennoch eine Rolle spielen. So sind die Parteien etwa bei<br />

den Umsteigemöglichkeiten an den Hubs oder bei der<br />

Aufnahme in Frequent-Flyer-Programme zur Einflussnahme<br />

imstande.<br />

757. Einige der genannten Bedenken greift die Europäische<br />

Kommission selbst in ihrer Untersagungsentscheidung<br />

Ryanair/Aer Lingus auf. 184 Die Tätigkeit der Betei-<br />

184 Vgl. Tz. 630 ff., 692 ff., 737 ff.

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