Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 300 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
hörde insbesondere den Wegfall des jeweils stärksten<br />
Wettbewerbers der Parteien durch den Zusammenschluss.<br />
So würde das Vorhaben in Belgien zu sehr hohen gemeinsamen<br />
Marktanteilen führen und GdF als wichtigsten<br />
Konkurrenten von Distrigaz (Gas) und Electrabel (hauptsächlich<br />
Strom) eliminieren. Kein anderer Wettbewerber<br />
könnte den Druck, der bislang von GdF ausgehe, aufrecht<br />
erhalten. In Bezug auf Frankreich würde mit dem Zusammenschluss<br />
der von Distrigaz ausgehende Wettbewerb<br />
entfallen. Die jeweiligen marktbeherrschenden Stellungen<br />
der Parteien würden unter anderem wegen der hohen<br />
Marktzutrittsschranken erheblich verstärkt. Um diese Bedenken<br />
zu beseitigen, hat Suez angeboten, ihre Tochtergesellschaft<br />
Distrigaz zu veräußern. GdF wird seine<br />
Beteiligung an SPE, dem zweitgrößten belgischen Stromproduzenten,<br />
abgeben. Hinzu tritt die Verpflichtung, den<br />
belgischen Netzbetreiber Fluxys umzustrukturieren und<br />
jede Kontrolle an ihm aufzugeben. Die Parteien sagen unter<br />
anderem zu, nicht mehr als 60 Prozent der Geschäftsanteile<br />
an Fluxys International und nicht mehr als<br />
45 Prozent der Anteile an Fluxys s. a. zu halten.<br />
752. Es ist nach Auffassung der Monopolkommission<br />
zu begrüßen, dass die Europäische Kommission im Rahmen<br />
der Fusionskontrolle überwiegend strukturelle Zusagen<br />
entgegengenommen hat. In dem Verfahren Dong/<br />
Elsam/Energi E2 ermöglicht die eigentumsrechtliche<br />
Trennung der Gasspeicheranlage einen Zutritt auf dem<br />
Markt für Speicher- und Flexibilitätsleistungen. Die zusätzliche<br />
Freigabe von Gasmengen wird die Liquidität auf<br />
dem dänischen Gasmarkt verbessern. Positiv ist zu werten,<br />
dass das Gasfreigabeprogramm immerhin 10 Prozent<br />
der jährlichen dänischen Gesamtnachfrage umfasst. Vielversprechend<br />
erscheinen die Abhilfemaßnahmen vor<br />
allem deshalb, weil in Dänemark die Übertragungsleitungen<br />
von Dong bereits entbündelt sind. Mit den Veräußerungszusagen<br />
in dem Verfahren GdF/Suez entfallen die<br />
horizontalen Überschneidungen auf dem belgischen Gasund<br />
Strommarkt weitgehend. Zweifelhaft ist jedoch, ob<br />
die Abhilfemaßnahme bezüglich der Kontrollausübung<br />
bei Fluxys trotz fortbestehender Beteiligung geeignet ist,<br />
die Wettbewerbsbedenken auszuräumen. Eine solche Verpflichtung<br />
der Parteien dürfte von der Europäische Kommission<br />
kaum zu überwachen sein. Damit besteht nach<br />
wie vor die Gefahr der Behinderung von Wettbewerbern<br />
beim Zugang zur Infrastruktur. Hinzuweisen ist ferner<br />
darauf, dass mit dem Zusammenschluss das Privatunternehmen<br />
Suez jedenfalls zum Teil in den staatlichen Einflussbereich<br />
fällt. Vor dem Zusammenschluss wurde das<br />
Erwerberunternehmen GdF vom französischen Staat kontrolliert.<br />
Im Zuge des Vorhabens verringerte sich zwar der<br />
Anteil Frankreichs an GdF, nichtsdestoweniger verfügt<br />
der französische Staat weiterhin über erhebliche Anteile<br />
und Vetorechte an der neuen Unternehmenseinheit. Problematisch<br />
erscheint der verbleibende Einfluss des Staates<br />
unter dem Gesichtspunkt, dass Eigentümer- und Regulierungsinteressen<br />
in einer Person zusammenfallen.<br />
3.6.3 Abbau von Marktzutrittsschranken<br />
durch Slot-Abgabe<br />
753. In dem Urteil easyJet/Kommission vom 4. Juli<br />
2006 setzt sich das Gericht erster Instanz mit der Bewer-<br />
tung von Abhilfemaßnahmen, die die Abgabe von Slots<br />
fordern, auseinander. 182 Die Europäische Kommission<br />
hatte am 11. Februar 2004 das Zusammenschlussvorhaben<br />
von Air France und KLM mit einer Zusagenentscheidung<br />
unter Bedingungen und Auflagen in der ersten Verfahrensphase<br />
genehmigt. Die Zusammenschlussparteien<br />
hatten sich unter anderem zeitlich unbefristet verpflichtet,<br />
eine bestimmte Anzahl von Zeitnischen, sog. Slots, auf<br />
mehreren Flugstrecken zur Verfügung zu stellen. Für die<br />
neun betroffenen innereuropäischen Strecken sollten<br />
26 Slot-Paare abgegeben werden, davon alleine sechs<br />
Paare für die Strecke Paris-Amsterdam. 183 Die Abgabe<br />
hatte auf Antrag neuer oder aktueller Wettbewerber kostenlos<br />
zu erfolgen. Wettbewerber mussten ihre Anträge<br />
zwar für jede Flugplanperiode erneuern, Air France/KLM<br />
hatte den neuen Anträgen aber nachzukommen, wenn die<br />
entsprechenden Slots mit in früheren Flugplanperioden<br />
abgegebenen Slots übereinstimmten. Es wurde ein Treuhänder<br />
eingesetzt, der überwachen sollte, ob die abgegebenen<br />
Slot-Paare tatsächlich auf den Strecken genutzt<br />
wurden, die in der fusionskontrollrechtlichen Entscheidung<br />
vorgegeben waren. Wurden abgegebene Slots nicht<br />
oder anders als vorgesehen genutzt, mussten sie unverzüglich<br />
an die Parteien zurückgegeben werden. Diese hatten<br />
sie auf Antrag erneut an Wettbewerber abzugeben.<br />
Diese Maßnahme wurde durch eine Reihe weiterer Zusagen<br />
ergänzt, die unter anderem Vereinbarungen zum Interlining,<br />
zum Vielfliegerprogramm sowie zur Freihaltung<br />
von Sitzplatzkontingenten beinhalteten. Am 14. Mai<br />
2004 hatte easyJet Drittklage gegen die Freigabeentscheidung<br />
eingelegt. EasyJet wendete sich mit ihrer Klage unter<br />
anderem gegen die von der Europäischen Kommission<br />
getroffenen Abhilfemaßnahmen. Die Klägerin hielt die<br />
Zusagen insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der abzugebenden<br />
Slots für unzureichend. Die zur Slot-Abgabe<br />
hinzutretenden Zusagen stufte sie als verhaltensorientiert<br />
und damit als von vornherein unzulässig ein. Daneben bemängelte<br />
sie, dass die Europäische Kommission keine<br />
Veräußerungsverpflichtung ausgesprochen und den neuen<br />
Marktteilnehmer nicht konkret benannt hatte; zudem<br />
fehle eine Fristbestimmung für dessen Markteintritt. Das<br />
EuG wies die Klage ab.<br />
754. Das Gericht erklärte zunächst, dass die Nichtberücksichtigung<br />
der von der Klägerin vorgeschlagenen Zusagen<br />
seitens der Europäischen Kommission für sich allein<br />
keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler darstelle.<br />
Des Weiteren führe der Umstand, dass auch andere Zusagen<br />
hätten akzeptiert werden können, nicht zur Nichtigkeit<br />
der Entscheidung. Dies gelte selbst für den Fall, dass<br />
diese Zusagen für den Wettbewerb günstiger gewesen<br />
wären, sofern die Wettbewerbsbehörde vernünftigerweise<br />
annehmen durfte, dass die in der Entscheidung vorgese-<br />
182 EuG, Urteil vom 4. Juli 2006, Rs. T-177/04, easyJet/Kommission,<br />
Slg. 2006, II-1931.<br />
183 Außer den Slots für die Strecke Paris-Amsterdam, waren folgende<br />
Slot-Paare vorgesehen: vier auf der Strecke Mailand-Amsterdam, je<br />
drei auf den Strecken Lyon-Amsterdam und Rom-Amsterdam, je<br />
zwei auf den Strecken Marseille-Amsterdam, Toulouse-Amsterdam,<br />
Bordeaux-Amsterdam sowie Venedig-Amsterdam und Bologna-<br />
Amsterdam.