Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 30 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
Konzentration ergab sich gegenüber der Vorperiode im<br />
Kredit- und Versicherungsgewerbe. Dagegen sank die<br />
Bedeutung der Großunternehmen im Handel und im Verkehrs-<br />
und Dienstleistungsgewerbe. Entgegen der gesamtwirtschaftlichen<br />
Entwicklung verringerte sich die<br />
Anzahl der von den Großunternehmen zur Verfügung gestellten<br />
Arbeitsplätze.<br />
Tendenziell rückläufig sind ebenfalls die Beteiligungsverflechtungen<br />
sowie die personellen Verbindungen unter<br />
den „100 Größten“, was zu einer Auflösung des Großteils<br />
des Netzwerks aus gegenseitigen Verflechtungen führte.<br />
Der leichte Anstieg der Kapitalbeteiligungen resultiert im<br />
Wesentlichen aus Veränderungen in der Zusammensetzung<br />
des Untersuchungskreises. Die Anzahl der Verflechtungen<br />
über Gemeinschaftsunternehmen verringerte sich<br />
im Berichtszeitraum ebenso wie die Beteiligung der<br />
Großunternehmen an den dem Bundeskartellamt angezeigten<br />
Zusammenschlüssen und der Zahl der Freigabeentscheidungen.<br />
IV. Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende<br />
Unternehmen und<br />
Zusammenschlusskontrolle<br />
53.* Im Rahmen der Missbrauchsaufsicht hat das Bundeskartellamt<br />
im Berichtszeitraum mehrere Verfahren mit<br />
kartellrechtlicher Bedeutung geführt. Traditionell stellt<br />
der Energiesektor einen Schwerpunkt der Arbeiten des<br />
Bundeskartellamtes dar. Im Berichtszeitraum hat die Novellierung<br />
des Energiewirtschaftsgesetzes auf die Amtspraxis<br />
Einfluss genommen. Mit Beginn der Regulierung<br />
der Gas- und Elektrizitätsnetze nach den Vorschriften des<br />
novellierten EnWG durch die Bundesnetzagentur entfällt<br />
die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes, Missbrauchsfälle<br />
beim Netzzugang und Netzanschluss nach nationalem<br />
Recht gemäß § 111 EnWG zu ahnden. Der Schwerpunkt<br />
der Kartellamtstätigkeit liegt nunmehr in den nicht<br />
regulierten Beschaffungs-, Erzeugungs- und Absatzmärkten.<br />
Das Bundeskartellamt hat wegen des Verdachts des<br />
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung unter<br />
anderem Verfahren gegen langfristige Gaslieferverträge<br />
mit Weiterverteilern und gegen die Berücksichtigung bestimmter<br />
Kostenelemente auf der Grundlage des CO 2-<br />
Emmissionshandels bei der Strompreisbildung geführt.<br />
Die Monopolkommission sieht in der Untersagung von<br />
langfristigen Gaslieferverträgen ein wirksames Instrument<br />
der Wettbewerbsförderung, rät allerdings dazu, die<br />
Wirkungen auf die Anreizstrukturen der Ferngasunternehmen<br />
zu beachten und nach Ablauf der Untersagungsbefristung<br />
sorgfältig zu prüfen, ob die dann gültige<br />
Marktsituation eine erneute Untersagung erfordert. Die<br />
Monopolkommission erkennt die Anstrengungen des<br />
Bundeskartellamtes an, dem marktmächtigen Duopol aus<br />
E.ON und RWE einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden<br />
Stellung nachzuweisen. Sie ist aber dennoch<br />
der Auffassung, dass sich ein erhöhtes Preisniveau im<br />
Stromsektor nicht anhand der Einpreisung der CO 2-Zertifikate<br />
nachweisen lässt. Die Monopolkommission ist der<br />
Auffassung, dass die Einpreisung aus ökonomischer Sicht<br />
nicht nur legitim, sondern für die Funktionsfähigkeit des<br />
CO 2-Zertifikatehandels grundsätzlich auch zwingend not-<br />
wendig ist und der Argumentation des Bundeskartellamtes<br />
nicht ausnahmslos zugestimmt werden kann.<br />
54.* Im Februar 2006 schloss das Bundeskartellamt ein<br />
Missbrauchsverfahren gegen Soda-Club, einen Hersteller<br />
von Besprudelungsgeräten für die Trinkwasserherstellung,<br />
ab. Das Unternehmen hatte versucht, Wettbewerber<br />
von der Befüllung der für das Endgerät benötigten CO 2-<br />
Zylinder auszuschließen, indem es die Behälter nur zur<br />
Miete an die Endkunden abgab. Die Klage gegen den Beschluss<br />
wurde zwischenzeitlich durch Entscheidungen<br />
des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen.<br />
Die Monopolkommission stellt bei diesem<br />
Verfahren heraus, dass es sich auch um eine Abschottung<br />
eines Sekundärmarktes handelte, da der Befüllmarkt ein<br />
Teilmarkt des Marktes für die Zylinder darstellt. Eine solche<br />
Konstellation ist auf verschiedenen Märkten, beispielsweise<br />
dem für Drucker und Druckerpatronen,<br />
bekannt. Im Verhalten einer Kopplung von Primär- und<br />
Sekundärprodukt muss jedoch noch kein Missbrauch zu<br />
sehen sein, wenn es sich um eine Konstellation handelt,<br />
die zu Wohlfahrtsgewinnen führt. Die Monopolkommission<br />
ist der Meinung, dass die Abschottung eines Sekundärmarktes<br />
unter engen Voraussetzungen aus ökonomischen<br />
Erwägungen nicht zu beanstanden ist. Diese<br />
Voraussetzungen sind ein aktiver Wettbewerb auf dem<br />
Primärmarkt und die Segmentierung der Nachfrager in<br />
Gruppen, die von einem reziproken Verhältnis von nachgefragter<br />
Menge und Preiselastizität geprägt sind. Im untersuchten<br />
Missbrauchsfall lagen diese Voraussetzungen<br />
jedoch nicht vor.<br />
55.* In einem Verfahren gegen das Unternehmen „Praktiker<br />
Baumärkte GmbH“ ahndete das Bundeskartellamt<br />
eine unbillige Behinderung im Vertikalverhältnis zwischen<br />
Franchisenehmern und Franchisegebern. Das Unternehmen,<br />
das sowohl Regiebetriebe unterhält als auch<br />
eigene Franchisenehmer beliefert, hatte einigen Franchisenehmern<br />
eine 100prozentige Bezugspflicht der Baumarktwaren<br />
über Praktiker auferlegt und gleichzeitig die<br />
Einkaufsvorteile, die es erzielte, nicht an die Franchisenehmer<br />
weitergegeben. Durch dieses Vorgehen konnten<br />
die Praktiker-Regiebetriebe deutlich günstiger anbieten,<br />
als es den Franchisenehmern des Unternehmens möglich<br />
war. Im Januar 2008 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf<br />
den Beschluss des Bundeskartellamtes aufgehoben.<br />
Die Monopolkommission sieht in dem Verhalten von<br />
Praktiker nur bedingt eine Wettbewerbsbeschränkung, da<br />
der Verhaltensspielraum von Praktiker als Franchisegeber<br />
in der hart umkämpften Branche weiterhin durch die<br />
Konkurrenz dritter Wettbewerber kontrolliert wird. Allerdings<br />
besteht zum Teil ein Wettbewerbsverhältnis von<br />
Regiebetrieben und Franchisenehmern auf denselben<br />
räumlichen Märkten; dort ist auch zum Teil die Gefahr einer<br />
Preis-Kosten-Schere gegeben. Im Rahmen der letzten<br />
Änderung des GWB ist in § 20 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 das<br />
Verbot einer solchen Spreizung der Abgabepreise als Regelbeispiel<br />
einer unbilligen Behinderung aufgenommen<br />
worden. Die Monopolkommission hält die Änderung jedoch<br />
nur begrenzt für sinnvoll, da dem Franchisegeber<br />
weiterhin Möglichkeiten bleiben, die im Markt verbleibenden<br />
Renten abzuschöpfen, gleichzeitig aber befürchtet