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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 297 – Drucksache 16/10140<br />

bewerbsbehörde in diesem Zusammenhang, dass Ryanair<br />

keine Geschäftsunterlagen aus der Zeit vor dem Zusammenschluss<br />

vorlegen konnte, in denen die beim Erwerb<br />

von Aer Lingus möglichen Effizienzvorteile beurteilt<br />

werden. Weiterhin seien einige der geltend gemachten Effizienzen<br />

nicht fusionsspezifisch. So könne etwa die Reduzierung<br />

von Personalkosten auch von Aer Lingus alleine<br />

realisiert werden. Bezüglich der angenommenen<br />

Rabatte beim Erwerb von Flugzeugen und bei den Wartungskosten<br />

steht nach Auffassung der Europäischen<br />

Kommission eher eine Umverteilung der Gewinne im<br />

Vordergrund als ein wirklicher Effizienzvorteil. Eine solche<br />

Umverteilung – etwa zwischen Flugzeughersteller<br />

auf der einen und Fluggesellschaft auf der anderen Seite –<br />

würde nicht zu einer Veränderung der Wohlfahrt führen.<br />

Selbst wenn derartige Gewinnverschiebungen als fusionsspezifische<br />

Effizienzen anerkannt würden, handele es<br />

sich im vorliegenden Fall hauptsächlich um Fixkostenvorteile,<br />

deren zeitnahe und unmittelbare Weitergabe an<br />

die Verbraucher zweifelhaft sei. Schließlich hält die Europäische<br />

Kommission mögliche Effizienzen angesichts der<br />

extrem hohen Marktanteile der neuen Unternehmenseinheit<br />

nicht für groß genug, um die wettbewerbsbeschränkenden<br />

Wirkungen des Zusammenschlusses auszugleichen.<br />

739. Die Verfügung macht deutlich, dass die reine Behauptung<br />

oder Annahme der Parteien, es werde durch den<br />

Zusammenschluss zu Effizienzvorteilen kommen, nicht<br />

für einen positiven Bescheid der Wettbewerbsbehörde<br />

ausreicht. Ein wichtiges Indiz für die Seriosität der dargelegten<br />

Vorteile stellen Dokumente dar, die vor dem konkreten<br />

Zusammenschluss erstellt worden sind und die<br />

vorgebrachte Argumentation stützen. Die Entscheidung<br />

bestätigt ferner, dass nur solche Effizienzvorteile berücksichtigt<br />

werden, die aus dem Zusammenschluss hervorgehen.<br />

Keine Berücksichtigung finden hingegen Kosteneinsparungen,<br />

die auch ein Unternehmen alleine erzielen<br />

könnte. Zu begrüßen ist die Haltung der Europäischen<br />

Kommission, wonach die Weitergabe von Effizienzen unmittelbar<br />

und zeitnah zu geschehen hat, denn andernfalls<br />

wird eine zuverlässige Einschätzung des Effizienzeinwands<br />

erheblich erschwert.<br />

740. Bemerkenswert sind darüber hinaus die Ausführungen<br />

der Europäischen Kommission zu den dargelegten<br />

Rabatten bei Wartung/Flugzeugerwerb, insbesondere ihre<br />

Einschätzung, dass eine reine Gewinnumschichtung keinen<br />

berücksichtigungsfähigen Effizienzvorteil darstellt.<br />

In diesem Zusammenhang ist an die Entscheidung Inco/<br />

Falconbridge zu erinnern, in der die Europäische Kommission<br />

forderte, dass sich Effizienzvorteile gerade auf<br />

den von den Wettbewerbsbeschränkungen betroffenen<br />

Märkten auswirken müssen. Effizienzgewinne auf anderen<br />

Märkten hat sie hingegen als nicht berücksichtigungsfähig<br />

angesehen. Im Fall Ryanair/Aer Lingus geht die<br />

Europäische Kommission nun über diese marktspezifische<br />

Betrachtung hinaus. Würde man diese zugrunde<br />

legen, wäre es nämlich grundsätzlich durchaus denkbar,<br />

dass die erhöhte Nachfragemacht von Ryanair/Aer Lingus<br />

zu Einsparungen führte, die genau an die Flugpassagiere<br />

auf den betroffenen Märkten weitergegeben wür-<br />

den. Dieses Ergebnis würde sich auch von der Situation<br />

unterscheiden, in der die Gewinne bei einem Flugzeughersteller<br />

oder Wartungsdienst verblieben wären. Denn<br />

von solchen Gewinnen würden – wenn überhaupt – Verbraucher<br />

auf sachlich und räumlich anderen Märkten profitieren.<br />

Besondere Vorteile für die Kunden von Ryanair<br />

und Aer Lingus genügen der Europäischen Kommission<br />

jedoch nicht. Sie fordert als weitere, quasi vorgeschaltete<br />

Voraussetzung die Schaffung zusätzlicher Effizienzen<br />

und beschränkt ihre Betrachtung dabei nicht auf die von<br />

den Wettbewerbsbeeinträchtigungen erfassten Märkte.<br />

Vielmehr nimmt sie an dieser Stelle eine Gesamtbetrachtung<br />

vor: Erst wenn sich der Zusammenschluss als Quelle<br />

von insgesamt zusätzlichen Effizienzgewinnen herausstellt,<br />

können diese berücksichtigt werden. Für die betroffenen<br />

Unternehmen bedeutet dies, dass sie aus erhöhter<br />

Nachfragemacht resultierende Kosteneinsparungen nicht<br />

als effizienzfördernd im Fusionskontrollverfahren geltend<br />

machen können.<br />

741. Nach Auffassung der Monopolkommission kann<br />

zwar dem Ergebnis der Europäischen Kommission im<br />

vorliegenden Fall gefolgt werden, soweit die einzelnen<br />

Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen<br />

betroffen sind. Die am Ende der Ausführungen<br />

angestellte „Abwägung“ zwischen Effizienzvorteilen und<br />

wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen ist hingegen<br />

bestenfalls als oberflächlich zu bezeichnen. Jedenfalls in<br />

Fällen, in denen eine Effizienzberücksichtigung nicht<br />

schon am Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen scheitert,<br />

dürfte sich eine derart knappe und vage Beurteilung<br />

als nicht gerichtsfest erweisen.<br />

742. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der<br />

Effizienzeinwand in der fusionskontrollrechtlichen Entscheidungspraxis<br />

aufgrund der hohen Anforderungen bisher<br />

keine nennenswerte Bedeutung erlangt hat. In keinem<br />

Fall wurde das Ergebnis der Wettbewerbsanalyse aufgrund<br />

der geltend gemachten Effizienzen revidiert. Das<br />

Zusammenschlussvorhaben Korsnäs/Cartonboard löste<br />

bei der Europäischen Kommission bereits keine Wettbewerbsbedenken<br />

aus, so dass die vorgetragenen Effizienzvorteile<br />

nicht mehr relevant waren. In Fällen, in denen die<br />

Europäische Kommission erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigungen<br />

befürchtete, wurde der Effizienzeinwand<br />

hingegen abgelehnt. Entweder waren die vorgebrachten<br />

Effizienzgewinne nicht hinreichend belegt, nicht fusionsspezifisch<br />

oder eine Weitergabe der Gewinne an die Verbraucher<br />

wurde als unwahrscheinlich angesehen. Eine<br />

echte Abwägung zwischen Wettbewerbsbeschränkung<br />

auf der einen Seite und Effizienzgewinnen auf der anderen<br />

Seite musste die Europäische Kommission daher noch<br />

nicht vornehmen. Es bleibt abzuwarten, ob in künftigen<br />

Fällen eine solche Abwägung erforderlich werden und<br />

wie die Europäische Kommission dann im Einzelnen vorgehen<br />

wird.<br />

3.6 Abhilfemaßnahmen<br />

743. Während des Berichtszeitraums sind 31 Erste-<br />

Phase- und zehn Zweite-Phase-Entscheidungen unter Bedingungen<br />

und Auflagen ergangen. In fast allen Zweite-

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