Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 296 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
wettbewerbsrechtlichen Bedenken beziehen. Mögliche<br />
Vorteile würden somit auf sämtliche Nickel- und Kobaltprodukte<br />
verteilt und sich zu einem großen Teil auf Märkten<br />
auswirken, hinsichtlich derer keine Wettbewerbsbedenken<br />
bestehen.<br />
Darüber hinaus hält es die Europäische Kommission angesichts<br />
der Beinahe-Monopolstellung der Parteien und<br />
des geringen verbleibenden Wettbewerbsdrucks – wenige<br />
Wettbewerber, schwieriger Marktzutritt, hohe Inelastizität<br />
der Nachfrage – nicht für wahrscheinlich, dass die Vorteile<br />
überhaupt an die Verbraucher weitergegeben werden.<br />
Sie verweist insofern auf die Horizontal-Leitlinien,<br />
wo festgehalten ist: „Das Interesse für das fusionierte Unternehmen,<br />
Effizienzvorteile an die Verbraucher weiterzugeben,<br />
hängt häufig davon ab, ob seitens der im Markt<br />
verbleibenden Unternehmen oder von einem potenziellen<br />
Markteintritt Wettbewerbsdruck ausgeht. Es ist höchst<br />
unwahrscheinlich, dass eine Fusion, die zu einer Marktstellung<br />
führt, die einem Monopol nahe kommt oder ein<br />
ähnliches Maß an Marktmacht erbringt, mit der Begründung<br />
für mit dem Gemeinsam Markt vereinbar erklärt<br />
werden könnte, dass Effizienzvorteile ausreichen würden,<br />
den möglichen wettbewerbswidrigen Wirkungen entgegenzuwirken.“<br />
176<br />
736. Die Entscheidung ist von besonderem Interesse,<br />
weil sie wichtige Hinweise gibt, wie die Europäische<br />
Kommission in künftigen Fällen mit dem Effizienzeinwand<br />
verfahren wird. Die Verfügung verdeutlicht einerseits,<br />
dass die Europäische Kommission prinzipiell bereit<br />
ist, Effizienzvorteile anzuerkennen, wenn die Zusammenschlussbeteiligten<br />
die erwarteten Effekte detailliert schildern,<br />
quantifizieren und mit Studien belegen. Andererseits<br />
zeigt sie, dass die betroffenen Unternehmen hohe<br />
Hürden überwinden müssen, damit Effizienzvorteile bei<br />
der Entscheidung über die Erlaubnis eines Zusammenschlusses<br />
tatsächlich berücksichtigt werden. Zum einen<br />
resultieren diese Hürden daraus, dass die geltend gemachten<br />
Effizienzvorteile zusammenschlussspezifisch sein<br />
müssen. Nicht zu berücksichtigen sind Effizienzen hingegen,<br />
wenn sie auch im Wege weniger wettbewerbsbeschränkender<br />
Maßnahmen zu erreichen sind. Insbesondere<br />
das Argument, die Effizienzvorteile könnten auch im<br />
Rahmen eines auf bestimmte Bereiche beschränkten Gemeinschaftsunternehmens<br />
erzielt werden, dürfte die<br />
Berücksichtigung solcher Vorteile im Rahmen eines Fusionskontrollverfahrens<br />
häufig ausschließen.<br />
Zum anderen schränkt die Voraussetzung, wonach erzielte<br />
Vorteile nachweislich an die Verbraucher weitergegeben<br />
werden müssen, die erfolgreiche Geltendmachung<br />
eines Effizienzeinwands ein. Zwei Teilfragen dieses Aspekts<br />
werden in der vorliegenden Entscheidung aufgegriffen.<br />
Erstens geht die Europäische Kommission davon<br />
aus, dass die erwarteten Effizienzen genau auf den Märkten<br />
eintreten müssen, auf denen vorher die Wettbewerbsprobleme<br />
festgestellt worden sind. Die Europäische<br />
Kommission berücksichtigt Effizienzvorteile also nur in-<br />
176 Horizontal-Leitlinien, Rn. 84.<br />
soweit, als gerade die Kunden davon profitieren, die auch<br />
von der Wettbewerbsbeschränkung betroffen sind. Sie<br />
sieht es hingegen nicht als ausreichend an, wenn die Verbraucherseite<br />
insgesamt an den Effizienzvorteilen partizipiert.<br />
Zweitens hält es die Europäische Kommission<br />
wegen der (quasi-)monopolistischen Struktur der drei betroffenen<br />
Märkte für unwahrscheinlich, dass die neue Unternehmenseinheit<br />
hinreichende Anreize zur Weitergabe<br />
ihrer Effizienzgewinne an die Kunden hätte. An dieser<br />
Stelle der Entscheidung wird allerdings nicht ganz deutlich,<br />
ob die Europäische Kommission die Weitergabe von<br />
Effizienzvorteilen seitens eines (Fast-)Monopolisten<br />
grundsätzlich oder nur unter den besonderen Umständen<br />
des vorliegenden Falles bezweifelt. Für Letzteres spricht<br />
die Position der Europäischen Kommission, wonach sich<br />
zwar Produktionssteigerungen seitens der neuen Unternehmenseinheit<br />
für gewisse Endkunden als vorteilhaft erweisen<br />
könnten. Ein solches Szenario scheitere im vorliegenden<br />
Fall jedoch an den begrenzten Möglichkeiten der<br />
neuen Unternehmenseinheit, ihre Produktion auszuweiten.<br />
Auf eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage,<br />
unter welchen Umständen und in welchem Umfang auch<br />
(Fast-)Monopolisten Effizienzgewinne weitergeben,<br />
konnte die Europäische Kommission im vorliegenden<br />
Fall verzichten, weil die beweispflichtigen Zusammenschlussparteien<br />
insofern offenbar keine Berechnungen<br />
oder sonstigen Belege übermittelt hatten.<br />
737. In dem Verfahren Ryanair/Aer Lingus erwartete<br />
Ryanair Kostenvorteile insbesondere von der Übertragung<br />
seines Geschäftsmodells auf Aer Lingus, der Einsetzung<br />
eines besseren Managements sowie von Größenvorteilen.<br />
177 Die geltend gemachten Effizienzen beziehen<br />
sich unter anderem auf Personaleinsparungen, geringere<br />
Wartungs- und Unterhaltskosten sowie Flughafengebühren<br />
und höhere Rabatte beim Neuerwerb von Flugzeugen.<br />
Laut Europäischer Kommission lieferte Ryanair neben<br />
sonstigen Informationen einige detaillierte Berechnungen,<br />
aus denen sich Effizienzvorteile in Höhe von 200 bis<br />
250 Mio. Euro pro Jahr ergaben. Aer Lingus widersprach<br />
dem Vorbringen von Ryanair mit dem Hinweis, dass die<br />
dargelegten Ersparnisse teilweise auf falschen Fakten beruhten,<br />
nicht fusionsspezifisch seien und zu Qualitätseinbußen<br />
für die Verbraucher führen würden. Außerdem<br />
wurde vorgetragen, dass die meisten der vorgetragenen<br />
Kostenvorteile lediglich auf einer erhöhten Nachfragemacht<br />
von Ryanair beruhten. Aus dieser resultiere allenfalls<br />
eine Verschiebung der Gewinne, z. B. zwischen<br />
Flugzeughersteller auf der einen Seite und Ryanair andererseits,<br />
aber keine Steigerung der Gesamtwohlfahrt.<br />
738. Nach Ansicht der Europäischen Kommission erfüllt<br />
keiner der vorgetragenen Effizienzvorteile sämtliche<br />
erforderlichen Voraussetzungen. Laut Europäischer Kommission<br />
beruhen einige der Kostenvorteile auf Annahmen,<br />
die nicht belegt seien. So erscheine es z. B. sehr<br />
optimistisch, dass die Übertragung von Ryanairs Geschäftsmodell<br />
nicht zu Qualitätseinbußen bei Aer Lingus<br />
führen werde. Für besonders bedeutsam hält es die Wett-<br />
177 Vgl. Tz. 630 ff., 692 ff., 757 ff.