Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 294 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
wahrscheinlichen Effizienzvorteilen Rechnung tragen.<br />
Nähere Ausführungen zur Behandlung von Effizienzvorteilen<br />
finden sich in den Horizontal-Leitlinien der Europäischen<br />
Kommission. 171 Hiernach müssen Effizienzvorteile<br />
den Verbrauchern zugute kommen, fusionsspezifisch<br />
und überprüfbar sein, damit die Europäische Kommission<br />
sie bei der Beurteilung eines Zusammenschlusses berücksichtigen<br />
kann. Bereits im letzten Berichtszeitraum hat<br />
sich die Europäische Kommission in dem Zusammenschluss<br />
Areva/Urenco/ETC JV mit den möglichen Effizienzvorteilen<br />
von Zusammenschlüssen befasst. 172 Dies geschah<br />
allerdings in aller Kürze. Weder wurde detailliert<br />
über das Vorbringen der Zusammenschlussparteien berichtet<br />
noch fand eine fundierte Prüfung der geltend gemachten<br />
Effizienzen seitens der Europäischen Kommission<br />
statt. Vor diesem Hintergrund war die von der<br />
Wettbewerbsbehörde ausgesprochene Ablehnung von Effizienzvorteilen<br />
für Außenstehende kaum nachvollziehbar.<br />
Während des Berichtszeitraums hat sich die Europäische<br />
Kommission gleich in mehreren Fällen – Korsnäs/<br />
Cartonboard, T-Mobile Austria/Tele.ring sowie Inco/<br />
Falconbridge und Ryanair/Aer Lingus – mit möglichen<br />
Effizienzvorteilen auseinandergesetzt. In den beiden erstgenannten<br />
Entscheidungen erfolgt dies ebenfalls noch relativ<br />
knapp. Dagegen geht die Europäische Kommission<br />
in dem Zweite-Phase-Verfahren Inco/Falconbridge, das<br />
sie am 4. Juli 2006 abgeschlossen hat, zum ersten Mal<br />
ausführlich auf den Aspekt von Effizienzvorteilen ein.<br />
Eine eingehendere Prüfung findet auch in dem Verfahren<br />
Ryanair/Aer Lingus statt, das am 27. Juni 2007 mit einer<br />
Untersagung endete. Erfolg hatte der Effizienzeinwand<br />
der Parteien lediglich in dem Fall Korsnäs/Cartonboard.<br />
In den drei anderen genannten Fällen wurde die entsprechenden<br />
Argumentation der Zusammenschlussbeteiligten<br />
von der Europäischen Kommission verworfen.<br />
730. Der Zusammenschluss Korsnäs/Cartonboard, der<br />
in der ersten Verfahrensphase ohne Bedingungen und<br />
Auflagen freigegeben wurde, betrifft den EWR-weiten<br />
Markt für Karton zur Verpackung von Flüssigkeiten. 173<br />
Die Europäische Kommission schloss nach ihrer Prüfung<br />
sowohl nicht koordinierte als auch koordinierte Effekte<br />
des Vorhabens aus. Sie setzte sich daneben kurz mit den<br />
geltend gemachten Effizienzvorteilen auseinander. Die<br />
Parteien hatten vorgetragen, dass der Zusammenschluss<br />
Synergien bei den Input-Kosten, bei der Produktionseffizienz<br />
sowie bei den Personalkosten freisetzen würde.<br />
Außerdem könnten im Rahmen von Forschung und Entwicklung<br />
sowie durch die unternehmensübergreifende<br />
Einführung von best practices Effizienzen realisiert werden.<br />
Die Europäische Kommission räumt zwar ein, dass<br />
sie die Voraussetzungen einer Effizienzverteidigung in<br />
der ersten Verfahrensphase nicht vollständig beurteilen<br />
könne. Dies gelte insbesondere bezüglich der vorgetragenen<br />
Einsparungen bei Input-Kosten und Personalabbau.<br />
Dennoch stellt die Kommission fest, dass jedenfalls eine<br />
171 Horizontal-Leitlinien, Rn. 76 ff.<br />
172 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />
Tz. 690 ff.<br />
173 Vgl. Tz. 690 ff.<br />
Steigerung der Produktionseffizienz wahrscheinlich sei.<br />
Sie stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer Marktbefragung,<br />
in der ein gewisser Spielraum für die Verwirklichung<br />
von Effizienzen bejaht wurde. Eine große Mehrheit<br />
der Befragten erwartete demnach, dass die neue<br />
Unternehmenseinheit besser mit StoraEnso konkurrieren<br />
könne als die beiden Parteien vor dem Zusammenschluss.<br />
Teilweise war allerdings bezweifelt worden, dass die realisierten<br />
Effizienzen erheblich seien und an die Verbraucher<br />
weitergegeben würden. Die Europäische Kommission<br />
weist zudem auf einen Liefervertrag zwischen<br />
Korsnäs und Tetra Pak hin, der besondere Vereinbarungen<br />
für den Fall des Zusammenschlusses beinhalte. Daraus<br />
schließt die Wettbewerbsbehörde, dass die Parteien<br />
die Wahrscheinlichkeit von Effizienzvorteilen und die<br />
Weitergabe an die Verbraucher ausreichend belegt hätten.<br />
Diese Effizienzvorteile vergrößerten die Fähigkeit und<br />
Anreize der neuen Unternehmenseinheit, zugunsten der<br />
Verbraucher prowettbewerblich zu handeln.<br />
731. Nach Auffassung der Monopolkommission wird<br />
aus dem vorliegenden Entscheidungstext nicht ersichtlich,<br />
wie die Europäische Kommission zu diesem Ergebnis<br />
gelangen kann. Zum einen geht die Europäische Kommission<br />
nicht im Einzelnen auf die Voraussetzungen des<br />
Effizienzeinwandes ein. Es wird weder detailliert geprüft,<br />
ob die geltend gemachten Effizienzen ausreichend belegt<br />
und fusionsspezifisch sind noch ob sie mit einiger Wahrscheinlichkeit<br />
an die Konsumenten weitergegeben werden.<br />
Zum anderen räumt die Europäische Kommission<br />
selbst ein, dass die zur Verfügung stehende Zeit innerhalb<br />
eines Erste-Phase-Verfahrens zu kurz bemessen ist, um<br />
eine fundierte Beurteilung dieser Fragen vorzunehmen.<br />
Um so erstaunlicher ist es dann, dass sie ohne nähere Prüfung<br />
das Vorliegen von fusionsspezifischen Effizienzen<br />
und deren Weitergabe an die Konsumenten bejaht. Die<br />
Beurteilung des Effizienzeinwandes seitens der Europäischen<br />
Kommission ist in sich widersprüchlich und im<br />
besten Falle überflüssig. Sie birgt darüber hinaus die Gefahr,<br />
dass die Europäische Kommission sich in künftigen<br />
Zusammenschlussfällen in Widerspruch zu diesen<br />
Ausführungen setzt. Zumindest wird sie in Fällen mit<br />
wettbewerblichen Bedenken einen erhöhten Argumentationsaufwand<br />
leisten müssen, um ungerechtfertigten Effizienzeinwänden<br />
zu begegnen. Die Monopolkommission<br />
spricht sich nachdrücklich für eine Trennung zwischen<br />
der vorrangigen Untersuchung wettbewerbsbeschränkender<br />
Wirkungen und der nachfolgenden Effizienzprüfung<br />
aus. 174 Hierbei hat eine Effizienzprüfung nur dann zu erfolgen,<br />
wenn die Wettbewerbsanalyse ernsthafte Bedenken<br />
gegen den Zusammenschluss ergeben hat. Diesem<br />
Ansatz ist auch die Europäische Kommission in den unten<br />
dargestellten Fällen Inco/Falconbridge und Ryanair/<br />
Aer Lingus gefolgt.<br />
732. In der Entscheidung T-Mobile Austria/Tele.ring<br />
setzt sich die Europäische Kommission lediglich in einem<br />
Abschnitt mit den von den Parteien geltend gemachten<br />
174 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2002/2003, a. a. O.,<br />
Tz. 227.