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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 290 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

ten in der Vergangenheit spreche ebenfalls für ein solches<br />

Risiko. Was die weiteren Voraussetzungen angeht, bestätigt<br />

die Europäische Kommission ein hohes Maß an<br />

Transparenz. Diese werde noch durch die mit dem Zusammenschluss<br />

entstehenden strukturellen Verbindungen<br />

zwischen Linde und Air Liquide erhöht. Auch nach Auffassung<br />

der Monopolkommission sprechen im vorliegenden<br />

Fall die hohe Transparenz, die strukturelle Verbindung<br />

sowie das vergangene kollusive Verhalten der<br />

Parteien für die Annahme einer räumlichen Marktaufteilung.<br />

Impala/Kommission<br />

717. Von besonderem Interesse ist das am 13. Juli 2006<br />

ergangene Urteil des Gerichts erster Instanz, mit dem die<br />

Freigabeentscheidung der Europäischen Kommission in<br />

der Sache Sony/Bertelsmann (BMG) für nichtig erklärt<br />

wurde. 167 Das Gericht macht einerseits grundsätzliche<br />

Ausführungen zu den Voraussetzungen gemeinsamer<br />

Marktbeherrschung, andererseits entwickelt es seine<br />

Rechtsprechung zu den Beweisanforderungen im Falle<br />

gemeinsamer Marktbeherrschung weiter.<br />

Im Januar 2004 hatten Sony und BMG das Vorhaben in<br />

Brüssel angemeldet, ihre weltweiten Aktivitäten im Tonträgerbereich<br />

zusammenzulegen. Besonders intensiv<br />

prüfte die Europäische Kommission den Markt für bespielte<br />

Tonträger, wo neben fünf großen, vertikal integrierten<br />

und global agierenden Unternehmen eine Vielzahl<br />

von kleinen unabhängigen Musikanbietern tätig war.<br />

Die Wettbewerbsbehörde hatte noch in ihren Beschwerdepunkten<br />

erhebliche Bedenken gegen den Zusammenschluss<br />

geäußert, der ihrer Ansicht nach die Entstehung<br />

oder Verstärkung einer kollektiven Marktbeherrschung<br />

förderte. Mit ihrer abschließenden Entscheidung gemäß<br />

Artikel 8 Abs. 2 FKVO gab die Europäische Kommission<br />

den Zusammenschluss allerdings ohne Bedingungen und<br />

Auflagen frei. Mangels Beweisen verneinte sie sowohl<br />

die Entstehung als auch die Verstärkung einer gemeinsamen<br />

marktbeherrschenden Stellung. Bedenken, bereits<br />

vor dem Zusammenschluss habe eine kollektive Marktbeherrschung<br />

vorgelegen, verwarf die Kommission insbesondere<br />

mit dem Hinweis auf fehlende Markttransparenz<br />

infolge von sog. „campaign discounts“ (Werbekostenzuschüssen).<br />

Außerdem hatten die behördlichen Ermittlungen<br />

ergeben, dass in der Vergangenheit keine<br />

Abschreckungsmaßnahmen zwischen den fünf großen<br />

Unternehmen durchgeführt worden waren. Die Entstehung<br />

von kollektiver Marktbeherrschung durch den Zusammenschluss<br />

hielt die Europäische Kommission ebenfalls<br />

nicht für bewiesen.<br />

718. Im Dezember 2004 erhob Impala, eine internationale<br />

Vereinigung von 2 500 unabhängigen Musikproduktionsgesellschaften,<br />

Drittklage beim Gericht erster<br />

Instanz. Das EuG macht in dem vorliegenden Urteil zu-<br />

167 EuG, Urteil vom 13. Juli 2006, Rs. T-464/04, Impala/Kommission,<br />

Slg. 2006, II-2289. Vgl. zur Entscheidung der Europäischen Kommission<br />

Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />

Tz. 688 ff.<br />

nächst allgemeine Ausführungen zu dem Konzept der oligopolistischen<br />

Marktbeherrschung. Es bestätigt die drei<br />

Kriterien, die es bereits im Urteil Airtours/Kommission<br />

für die Prüfung einer gemeinsamen Marktbeherrschung<br />

aufgestellt hat. Diese Kriterien sind:<br />

– Der Markt muss ausreichend transparent sein, damit<br />

die Oligopolisten ihr Verhalten gegenseitig beobachten<br />

können.<br />

– Es muss Anreize für jedes Oligopolmitglied geben,<br />

um nicht dauerhaft von einem gemeinsamen Vorgehen<br />

auf dem Markt abzuweichen; dies schließt die Existenz<br />

wirksamer Abschreckungsmechanismen ein.<br />

– Wettbewerber und Nachfrager dürfen nicht in der<br />

Lage sein, den Verhaltensspielraum der führenden Unternehmensgruppe<br />

zu beschränken.<br />

719. Anschließend führt das Gericht in einem obiter<br />

dictum 168 aus, dass diese drei Kriterien in Fällen aufgestellt<br />

und bestätigt worden seien, in denen es um die Entstehung<br />

einer gemeinsamen Marktbeherrschung und somit<br />

um eine in erster Linie prognostische Analyse durch<br />

die Europäische Kommission ging. 169 Bei Zusammenschlüssen,<br />

bei denen die Verstärkung gemeinsamer<br />

Marktbeherrschung im Fokus stehe, sei das Vorliegen der<br />

oben genannten Kriterien zwar ebenfalls notwendig. Ihre<br />

Existenz könne jedoch auch indirekt auf der Basis von Indizien<br />

nachgewiesen werden, die sich auf bestimmte Erscheinungen<br />

in der Vergangenheit bezögen und einer kollektiven<br />

Marktbeherrschung inhärent seien. In diesem<br />

Sinne könne eine enge Preisparallelität über einen längeren<br />

Zeitraum hinweg genügen, um die Existenz einer gemeinsamen<br />

marktbeherrschenden Stellung zu belegen.<br />

Dies gelte vor allem dann, wenn das Preislevel über dem<br />

Wettbewerbsniveau liege, bei sinkender Nachfrage stabil<br />

bleibe und keine anderen vernünftigen Erklärungen für<br />

die Preisparallelität vorlägen. Solche Umstände legten die<br />

Vermutung für eine hohe Markttransparenz nahe, auch<br />

wenn die Europäische Kommission keinen sicheren direkten<br />

Beweis für sie liefern könne. Für den vorliegenden<br />

Fall schließt das Gericht, dass die von der Wettbewerbsbehörde<br />

ermittelte Stabilität des Preisniveaus sowie die<br />

Parallelität der Brutto- und Nettopreise über die letzten<br />

sechs Jahre hinweg – trotz einer gewissen Produktheterogenität<br />

– Indizien dafür sein könnten, dass die Preisparallelität<br />

nicht das Ergebnis wettbewerblicher Prozesse, sondern<br />

einer Preiskoordination war. Allerdings zieht das<br />

Gericht diese Überlegungen nicht als Entscheidungsgrundlage<br />

heran, weil Impala ihre Klagebegründung nicht<br />

auf entsprechende Argumente gestützt hatte.<br />

720. Im Anschluss überprüft das Gericht die von Impala<br />

vorgebrachten Vorwürfe bezüglich der Verstärkung und<br />

der Begründung einer gemeinsamen beherrschenden Stellung.<br />

Es geht hierbei insbesondere auf die von der Europäischen<br />

Kommission ausführlich behandelten Aspekte<br />

der Markttransparenz und der Vergeltungsmechanismen<br />

168 Ausführungen des Gerichts im Urteil, die von allgemeinem Interesse,<br />

aber nicht entscheidungserheblich im engeren Sinn sind.<br />

169 Vgl. Urteil, Rn. 251 ff.

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