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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 289 – Drucksache 16/10140<br />

tuelle Schwierigkeiten bei der Verlagerung der Bestellungen<br />

auf andere Lieferanten lediglich einen Teil des Marktes<br />

betreffen. Ebenfalls differenziert beurteilt das Gericht<br />

die erforderliche Qualifizierung neuer Lieferanten. Die<br />

Klägerin habe selbst erklärt, dass sie versuche, für ihre<br />

wichtigsten Produkte zwei oder drei Lieferanten vorab<br />

anzuerkennen. Eine vorab durchgeführte Eignungsprüfung<br />

erlaubt es nach Auffassung des Gerichts jedoch, bei<br />

aktuellem Bedarf den Lieferanten schneller zu wechseln.<br />

Außerdem habe die Vergangenheit gezeigt, dass die Eignungsprüfung<br />

unter Umständen auch kurzfristig durchgeführt<br />

werden könne.<br />

3.4.5 Koordinierte Effekte<br />

712. Die Europäische Kommission konzentriert sich<br />

während des Berichtszeitraums ganz überwiegend auf die<br />

nicht koordinierten Auswirkungen der untersuchten Zusammenschlüsse.<br />

In einigen Entscheidungen spricht sie<br />

zwar auch mögliche koordinierte Effekte an, dies geschieht<br />

allerdings in aller Regel kurz und mit dem Ergebnis,<br />

dass keine Wettbewerbsbedenken resultieren. Ein<br />

Beispiel hierfür bildet etwa die Entscheidung Gargill/<br />

Degussa Food Ingredients, in der die Europäische Kommission<br />

die Gefahr koordinierter Effekte mit Hinweis auf<br />

die Bedeutung von Qualität und zeitgerechter Lieferung<br />

sowie die unterschiedliche Kostenstruktur ablehnt. In<br />

dem Verfahren Travelport/Worldspan verneint die Europäische<br />

Kommission ebenfalls die Gefahr einer Koordinierung.<br />

Gegen eine solche Gefahr sprechen ihrer Ansicht<br />

nach die erhebliche Änderung des Marktumfeldes und der<br />

Marktanteile in den letzten Jahren, die mangelnde Transparenz<br />

aufgrund der komplexen Preisstruktur und Produktpalette<br />

sowie die fehlenden Abschreckungsmechanismen.<br />

713. Das Verfahren Korsnäs/Cartonboard zeigt auf, dass<br />

die Europäische Kommission koordinierte Effekte selbst<br />

in Fällen ausschließt, in denen nur noch zwei Anbieter<br />

mit gemeinsamen Marktanteilen von 90 bis 100 Prozent<br />

verbleiben. Die Wettbewerbsbehörde räumt zwar ein,<br />

dass der geplante Zusammenschluss die Transparenz auf<br />

dem Markt für Flüssigkeitskarton erhöhen werde. Gegen<br />

koordiniertes Verhalten spreche aber die fehlende Symmetrie<br />

bei der Produktpalette, bei den Produktionskapazitäten<br />

und den Kostenstrukturen. Außerdem handele es<br />

sich bei Flüssigkeitskarton nicht um ein homogenes Produkt.<br />

Daneben wird die erhebliche Nachfragemacht der<br />

Kunden angeführt. Es bestünden ferner starke Anreize für<br />

eine Abweichung, da mit Flüssigkeitskarton höhere Gewinne<br />

als mit sonstigen Kartonarten gemacht werden und<br />

Produktionsanlagen leicht auf dieses Produkt umgestellt<br />

werden könnten. Außerdem könnten die Abnehmer ihre<br />

Nachfrage auf Anbieter außerhalb des EWR umleiten.<br />

Abschreckungsmaßnahmen seien ebenfalls nicht wahrscheinlich,<br />

da Lieferverträge üblicherweise für eine<br />

Dauer von drei Jahren abgeschlossen werden, so dass<br />

eine Vergeltungsmaßnahme erst mit großer zeitlicher Verzögerung<br />

durchgeführt werden könnte.<br />

714. Letzteres Argument ist zwar im vorliegenden Fall<br />

nachvollziehbar, da drei große Kunden 50 bis 80 Prozent<br />

der EWR-Produktion abnehmen und daher wahrscheinlich<br />

relativ wenige Vertragsschlüsse pro Jahr stattfinden.<br />

Im Allgemeinen muss nach Ansicht der Monopolkommission<br />

jedoch berücksichtigt werden, dass auch langfristige<br />

Vereinbarungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten<br />

auslaufen und daher sukzessive erneuert werden. Hat ein<br />

Unternehmen das zuvor koordinierte Verhalten aufgegeben<br />

und neue Kunden – beispielsweise aufgrund niedrigerer<br />

Preise – hinzugewonnen, müssen sich Abschreckungsmaßnahmen<br />

seiner Wettbewerber nicht unbedingt auf<br />

diese – nun wieder langfristig gebundenen – Kunden konzentrieren.<br />

Abschreckungsmaßnahmen können vielmehr<br />

auch dann Wirkung entfalten, wenn sie auf andere Kunden<br />

des ersten Unternehmens zielen, deren Verträge gerade<br />

auslaufen.<br />

715. In dem Fall T-Mobile Austria/Tele.ring erörtert die<br />

Europäische Kommission die Möglichkeit von koordinierten<br />

Effekten auf einer halben Seite. Sie kommt nach<br />

oberflächlicher Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Transaktion<br />

zusätzlich zu den festgestellten nicht koordinierten<br />

auch zu koordinierten Effekten führen könnte. Für möglich<br />

hält die Wettbewerbsbehörde eine solche Koordinierung<br />

ferner in der Entscheidung Kronospan/Constantia.<br />

Ihrer Ansicht nach erleichtern mehrere Marktcharakteristika<br />

ein solches Verhalten: die Standardisierung der Produkte,<br />

geringes Qualitätsbewusstsein und fehlende<br />

Markentreue sowie Preistransparenz. Eine nähere Auseinandersetzung<br />

mit diesen Aspekten erübrigt sich allerdings<br />

nach Auffassung der Europäischen Kommission,<br />

weil die Parteien bereits im Hinblick auf die möglichen<br />

nicht koordinierten Effekte Zusagen übermittelt hätten,<br />

die sämtliche Bedenken ausräumten.<br />

716. In dem Verfahren Linde/BOC, das sich auf mehreren<br />

polnischen und britischen Märkten für Spezialgase<br />

auswirkte, stehen zwar auch die nicht koordinierten Auswirkungen<br />

im Mittelpunkt der Prüfung. Aufgrund hoher<br />

gemeinsamer Marktanteile sowie erheblicher Produktions-<br />

und Abfüllkapazitäten erhebt die Europäische<br />

Kommission hinsichtlich verschiedener nationaler Gasmärkte<br />

Wettbewerbsbedenken. Auch auf dem Groß- und<br />

Einzelhandelsmarkt für Helium hält die Wettbewerbsbehörde<br />

nicht koordinierte Effekte für wahrscheinlich. Die<br />

Europäische Kommission geht aber zusätzlich ausführlich<br />

der Frage nach einer möglichen Koordinierung nach.<br />

Sie bejaht die Gefahr koordinierter Effekte zum einen auf<br />

dem Gesamtmarkt für Industriegase im EWR, zum anderen<br />

auf dem weltweiten Großhandelsmarkt für Helium.<br />

Auf dem Gesamtmarkt für Industriegase hält sie eine<br />

Koordinierung von Linde/BOC einerseits und Air Liquide<br />

andererseits durch die räumliche Aufteilung des<br />

EWR für wahrscheinlich. Durch den Zusammenschluss<br />

werde die Aufteilung mit dem Ergebnis vervollständigt,<br />

dass Linde unangefochtener Marktführer auf dem gesamten<br />

Gebiet Osteuropas und Air Liquide auf dem gesamten<br />

Gebiet Nordwesteuropas werde. Darüber hinaus würden<br />

beide Unternehmen in dem Gebiet des jeweiligen Konkurrenten<br />

kleine Marktanteile halten, was Abschreckungsmaßnahmen<br />

glaubhafter mache. Beide Unternehmen<br />

hätten daher einen Anreiz, sich keinen wirksamen Wettbewerb<br />

zu liefern. Der Nachweis von kollusivem Verhal-

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