Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 287 – Drucksache 16/10140<br />
20 Prozent der Marktanteile. Nach Ansicht der Europäischen<br />
Kommission deuten der hohe Marktanteil und der<br />
beträchtliche Kapazitätszuwachs auf die Marktmacht des<br />
neuen Unternehmens hin. Es müsse aber untersucht werden,<br />
welcher Wettbewerbsdruck sich aus der verfügbaren<br />
Kapazität für nassgelegte Vliese für die Tee- und Kaffeefiltration<br />
ergebe. Dabei stellte sich heraus, dass der Konkurrent<br />
Purico erst kürzlich eine Anlage in Shanghai<br />
eingerichtet hatte, in der Vliesstoffe für die Tee- und Kaffeefiltration<br />
hergestellt werden können. Die verfügbare<br />
Kapazität dieser Anlage beläuft sich nach den Ermittlungen<br />
auf rund 15 bis 20 Prozent der weltweiten Nachfrage<br />
nach nassgelegten Vliesen für die Tee- und Kaffeefiltration.<br />
Die Kapazität der Anlage werde zwar erst allmählich<br />
mit der Produktion von nassgelegten Vliesen für die<br />
Tee- und Kaffeefiltration ausgelastet werden. Das Unternehmen<br />
verfüge aber schon jetzt über die erforderlichen<br />
Patente und das nötige Know-how und sei dabei, ein<br />
weltweites Vertriebsnetz aufzubauen. Nach Auffassung<br />
der Monopolkommission ist die Argumentation der Europäischen<br />
Kommission, dass von dieser Anlage erheblicher<br />
Wettbewerbsdruck ausgehen wird, insofern nachvollziehbar,<br />
als Purico durch die kürzlich erfolgte<br />
Übernahme zweier Werke im EWR bereits über ein bestehendes<br />
Marken- und Vertriebsnetz verfügt und in die<br />
Position eines etablierten Anbieters aufgerückt ist. Außerdem<br />
greifen die meisten Abnehmer nach den Ermittlungen<br />
der Europäischen Kommission auf mehrere<br />
Bezugsquellen zurück. Gewisse Zweifel resultieren allerdings<br />
aus dem Umstand, dass die Abnehmer in der Regel<br />
durch langfristige Verträge gebunden sind. Wünschenswert<br />
wären ferner nähere Angaben zu dem Aufbau des<br />
weltweiten Vertriebsnetzes, insbesondere zu dem diesbezüglichen<br />
Zeithorizont, gewesen.<br />
Auch hinsichtlich des zweiten großen Wettbewerbers<br />
Ahlstrom geht die Europäische Kommission von starkem<br />
Wettbewerbsdruck auf die Parteien aus, weil das Unternehmen<br />
im Fall von Preiserhöhungen oder Produktionseinschränkungen<br />
seitens der Zusammenschlussparteien<br />
die Produktion erhöhen könnte. Für den Fall, das die<br />
neue Unternehmenseinheit den Preis beträchtlich erhöhen<br />
sollte, verfüge Ahlstrom über das erforderliche Knowhow<br />
und die Technologie, um vorhandene Maschinen<br />
umzurüsten oder gebrauchte Maschinen zu kaufen und<br />
gegebenenfalls umzurüsten. Als Beleg führt die Wettbewerbsbehörde<br />
Informationen von Ahlstrom an, wonach<br />
das Unternehmen wahrscheinlich das Produktionsvolumen<br />
und/oder die Kapazität erhöhen würde, wenn der<br />
Preis für nassgelegte Vliese für die Tee- und Kaffeefiltration<br />
um 10 bis 30 Prozent steige. Die entsprechenden<br />
Ausführungen der Europäischen Kommission bleiben in<br />
diesem Teil der Entscheidung allerdings relativ vage. So<br />
fehlen jegliche Angaben darüber, in welchem Umfang<br />
Ahlstrom neue Kapazitäten schaffen würde. Es findet ferner<br />
keine Unterscheidung zwischen vorhandenen freien<br />
Kapazitäten einerseits und erst zu schaffenden Kapazitäten<br />
andererseits statt. Die Nutzung bereits vorhandener<br />
freier Kapazitäten dürfte jedoch in der Regel einfacher<br />
und billiger sein als die Umrüstung oder der Erwerb von<br />
neuen Produktionsanlagen. Eine unterschiedliche Bewer-<br />
tung der beiden Sachverhalte könnte daher im Einzelfall<br />
angebracht sein. Problematisch ist nach Auffassung der<br />
Monopolkommission außerdem, dass die Europäische<br />
Kommission offenbar eine Preissteigerung von 10 bis<br />
30 Prozent nach der Fusion in Kauf nimmt.<br />
707. Im Anschluss prüft die Europäische Kommission<br />
den Wettbewerbsdruck, der von alternativen Materialien<br />
ausgeht. Bei der Marktabgrenzung hat die Wettbewerbsbehörde<br />
diese Produkte aus dem relevanten Markt ausgeschlossen,<br />
jedoch festgestellt, dass von ihnen ein gewisser<br />
Wettbewerbsdruck ausgehe. Die Befragung der Abnehmer<br />
ergab, dass die Mehrheit der Kunden einen Wechsel<br />
zu alternativen Materialien derzeit für wirtschaftlich nicht<br />
ratsam hält. Dessen ungeachtet zögen manche größeren<br />
Kunden inzwischen auch den Gebrauch alternativer Materialien<br />
in Erwägung. Nach Einschätzung der Europäischen<br />
Kommission sei zwar nicht davon auszugehen,<br />
dass alternative Materialien derzeit nassgelegte Vliese in<br />
erheblichem Maße ersetzen würden. Wahrscheinlich<br />
werde sich aber künftig ein Teil der Abnehmer dazu veranlasst<br />
sehen, auf alternative Materialien umzusteigen.<br />
Dadurch würden zusätzliche Kapazitäten frei, was wiederum<br />
die Möglichkeiten der neuen Unternehmenseinheit<br />
zur Preiserhöhung einschränken werde. Diese Argumentation<br />
der Europäischen Kommission vermag nicht zu<br />
überzeugen. Weder werden die größeren Kunden benannt,<br />
die sich einen Materialwechsel vorstellen können,<br />
noch nähere Angaben darüber gemacht, welchen Anteil<br />
diese Kunden an der Nachfrageseite ausmachen. Ebenfalls<br />
unklar bleibt, welchen Prognosezeitraum die Europäische<br />
Kommission für einen Übergang zu Alternativmaterialien<br />
zugrunde legt. Die Entscheidung hat insofern<br />
stark spekulative Züge und ist wegen unzureichender Begründung<br />
fehlerhaft.<br />
708. Auch im Verfahren T-Mobile Austria/Tele.ring<br />
spielen Kapazitätsüberlegungen eine wichtige Rolle. Das<br />
Argument der Parteien, wonach es ausreiche, wenn die<br />
verbleibenden Wettbewerber eine Absorptionskapazität<br />
in ihrem Netz von insgesamt 10 Prozent der Kunden von<br />
T-Mobile und Tele.ring hätten, um jede Preiserhöhung für<br />
T-Mobile nach dem Zusammenschluss unprofitabel zu<br />
machen, weist die Europäische Kommission zurück. Ihrer<br />
Auffassung nach könne aus freien Kapazitäten der Wettbewerber<br />
nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass<br />
diese Wettbewerber neue Kunden zulasten der Profitabilität<br />
ihres bestehenden Kundenstamms gewinnen wollten.<br />
Im Übrigen führe die geplante Transaktion auf jeden Fall<br />
zu einer Reduzierung der Kapazitäten. Auch der Umstand,<br />
dass die UMTS-Netze weitere Kapazitätserweiterungen<br />
schaffen könnten, überzeugt die Europäische<br />
Kommission nicht. Ihrer Ansicht nach sind die UMTS-<br />
Netze aller Betreiber noch weit davon entfernt, den gesamten<br />
österreichischen Markt abzudecken.<br />
709. Die Monopolkommission befürwortet grundsätzlich<br />
das Vorgehen der Europäischen Kommission, bei der<br />
Bewertung von Zusammenschlüssen auch der Frage nach<br />
einem möglichen Anbieterwechsel nachzugehen. In diesem<br />
Zusammenhang spielen die gegenwärtige Kapazitätsauslastung<br />
und die absehbaren Kapazitätserweiterun-