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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 286 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

ebenfalls ein besonders attraktiver Markt für Exporte aus<br />

dem Nahen Osten. Die Marktuntersuchung habe bestätigt,<br />

dass die zu erwartenden Ausfuhren von Ethylenglykol in<br />

den EWR aufgrund der neuen Produktionskapazitäten im<br />

Nahen Osten zunehmen werden. Dies werde wahrscheinlich<br />

zu einer Verringerung der Glykol-Produktion im<br />

EWR führen, so dass hier voraussichtlich mehr freie Kapazitäten<br />

für die Ethylenoxid-Produktion zur Verfügung<br />

stehen würden. Die Europäische Kommission vertritt die<br />

Auffassung, dass diese Auswirkungen auf dem europäischen<br />

Ethylenoxid-Markt tatsächlich und zeitnah spürbar<br />

werden.<br />

703. Nach Auffassung der Monopolkommission ist es<br />

sinnvoll, bei der wettbewerblichen Beurteilung von Zusammenschlüssen<br />

auch künftige Entwicklungen einzubeziehen.<br />

Allerdings sollte dies vorsichtig und unter Beachtung<br />

bestimmter Kriterien geschehen. Zum einen sollte<br />

eine Berücksichtigung künftiger oder noch nicht abgeschlossener<br />

Entwicklungen nicht über den in der Fusionskontrolle<br />

üblichen Prognosezeitraum hinausgehen. Dieser<br />

beträgt in der Regel zwei bis drei Jahre. Dabei spielt eine<br />

wichtige Rolle, dass sich Entwicklungen umso schwieriger<br />

abschätzen lassen, je weiter sie in der Zukunft liegen.<br />

Zum anderen muss die Erwartung bestimmter Entwicklungen<br />

jedenfalls bis zu einem gewissen Grad abschätzbar<br />

und begründbar sein. Verlässliche Hinweise können<br />

z. B. – wie im Zusammenschluss Universal/ BMG Music<br />

Publishing – Änderungen des rechtlichen Rahmens geben,<br />

sofern entsprechende Reformen bereits in Gang gesetzt<br />

oder gerade in Kraft getreten sind. Als Anhaltspunkt<br />

eignet es sich auch, wenn bereits einige Marktteilnehmer<br />

ihr Verhalten geändert haben und weitere Unternehmen<br />

die Absicht bekunden, ebenfalls Änderungen vornehmen<br />

zu wollen. Dies ist in dem Verfahren Cargill/Degussa<br />

Food Ingredients der Fall. Im Kontrast dazu erscheint die<br />

prospektive Betrachtung in dem Verfahren Ineos/BP Dormagen<br />

eher vage und spekulativ, da sie nicht durch Fakten<br />

untermauert wird. Nach Auffassung der Monopolkommission<br />

ist verfahrensmäßig eine Substantiierung der<br />

Prognose zu verlangen. Mangelt es an einer solchen<br />

Substantiierung, ist die Entscheidung fehlerhaft.<br />

Die Gefahren, die mit der Berücksichtigung künftiger<br />

Entwicklungen einhergehen, belegen die Entscheidungen<br />

Air Liquide/BOC aus dem Jahr 2000 und Linde/BOC von<br />

2006. 162 In beiden Fällen war unter anderem der Großhandelsmarkt<br />

für Helium betroffen. In der erstgenannten<br />

Entscheidung sprachen die Umstände nach Auffassung<br />

der Europäischen Kommission für einen EWR-weiten<br />

räumlichen Markt, obwohl die Importe aus den USA ungefähr<br />

25 Prozent betragen hatten. Die Begrenzung auf<br />

den EWR-Markt erfolgte unter anderem deshalb, weil<br />

eine Abnahme der US-Importe erwartet worden war. In<br />

der Entscheidung Linde/BOC aus dem gegenwärtigen<br />

Berichtszeitraum definiert die Europäische Kommission<br />

den räumlichen Markt hingegen weltweit. Dies geschieht<br />

162 Europäische Kommission, Entscheidung vom 18. Januar 2000,<br />

M.1630, Air Liquide/BOC, Rn. 40; dies., Entscheidung vom 6. Juni<br />

2006, M. 4141, Linde/BOC, Rn. 60 ff.<br />

vor dem Hintergrund, dass die Helium-Importe aus den<br />

USA zwischen 2000 und 2005 – entgegen der ursprünglichen<br />

Annahme – erheblich gestiegen sind.<br />

3.4.4 Kapazitäten und Anbieterwechsel<br />

704. In einer Reihe von Fällen betont die Europäische<br />

Kommission im Rahmen ihrer wettbewerblichen Würdigung<br />

den Aspekt von freien Kapazitäten und von Möglichkeiten<br />

zur Kapazitätserweiterung aufseiten der Konkurrenten.<br />

Die Wettbewerbsbehörde folgt damit den<br />

Feststellungen in den Horizontal-Leitlinien, wonach wettbewerbsbeeinträchtigende<br />

Auswirkungen eines Zusammenschlusses<br />

dann nahe liegen, wenn die Kunden der<br />

Parteien nur begrenzte Möglichkeiten für einen Anbieterwechsel<br />

haben. 163 Ein Anbieterwechsel sei insbesondere<br />

dann schwierig, wenn nur wenige alternative Anbieter<br />

vorhanden seien oder erhebliche Umstellungskosten entstehen<br />

würden. Nicht koordinierte Wirkungen sind laut<br />

Leitlinien auch dann zu erwarten, wenn die Erhöhung des<br />

Angebots durch die Wettbewerber bei Preiserhöhungen<br />

unwahrscheinlich ist. 164 Herrschen umgekehrt Marktbedingungen<br />

vor, bei denen Wettbewerber über ausreichende<br />

Kapazitäten verfügen und eine entsprechende Absatzsteigerung<br />

für sie gewinnbringend ist, spreche dies<br />

eher gegen eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs.<br />

705. In dem Verfahren Ineos/BP Dormagen hat die Europäische<br />

Kommission den Kapazitätsaspekt für die<br />

Frage, ob nach dem Zusammenschluss auf dem Markt für<br />

Ethylenoxid noch ausreichender Wettbewerbsdruck auf<br />

die Parteien ausgeübt wird, als maßgeblich erachtet. Sie<br />

prüfte deshalb sowohl die gegenwärtige Kapazitätsverteilung<br />

und -auslastung als auch die Fähigkeit der<br />

Wettbewerber, ihre Produktion als Reaktion auf Produktionssenkungen<br />

durch die Zusammenschlussbeteiligten<br />

zu steigern. Daneben legte die Wettbewerbsbehörde besonderes<br />

Gewicht auf die Auswirkungen von Kapazitätserweiterungen<br />

im Nahen Osten und in Asien. Diese Erweiterungen<br />

betrafen zwar ausschließlich die Produktion<br />

von Ethylenglykol, wirkten sich aber nach Ansicht der<br />

Europäischen Kommission auf den EWR-weiten Markt<br />

für Ethylenoxid aus. Durch die erhöhte Einfuhr von billigerem<br />

Ethylenglykol würden entsprechende Kapazitäten<br />

im EWR frei, die anschließend für die Produktion von<br />

Ethylenoxid genutzt werden könnten. Der Fall macht<br />

deutlich, dass selbst Kapazitätssteigerungen auf anderen<br />

Märkten die Wettbewerbslage auf dem von der Untersuchung<br />

betroffenen Markt positiv beeinflussen können.<br />

706. In dem Fall Glatfelder/Crompton führte der Zusammenschluss<br />

auf dem Markt für nassgelegte Vliese zur<br />

Tee- und Kaffeefiltration zu sehr hohen Marktanteilen in<br />

Höhe von 60 bis 70 Prozent. 165 Die neue Unternehmenseinheit<br />

würde ferner 60 bis 70 Prozent der Kapazitäten<br />

auf sich vereinigen. Die Wettbewerber Ahlstrom und Purico<br />

verfügen über 20 bis 30 Prozent bzw. 10 bis<br />

163 Horizontal-Leitlinien, Rn. 31.<br />

164 Horizontal-Leitlinien, Rn. 32 ff.<br />

165 Vgl. Tz. 637 ff., 647 ff.

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