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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 284 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

Lieferanten gedeckt. Die Umsätze, die Falconbridge mit<br />

Nickel bei diesen Abnehmern erzielte, seien während des<br />

Streiks erheblich gestiegen. Einer groben Berechnung zufolge<br />

entspreche der Umsatzzuwachs von Falconbridge<br />

25 bis 35 Prozent des Umsatzverlustes, der Inco während<br />

der Dauer des Streiks insgesamt entstanden sei. Dies<br />

könne als Anzeichen dafür betrachtet werden, dass Falconbridge<br />

vor dem Zusammenschluss erheblichen Wettbewerbsdruck<br />

auf Inco ausgeübt habe. Die Europäische<br />

Kommission stellt zusätzlich die gewichteten durchschnittlichen<br />

Preisaufschläge zusammen, die Inco und<br />

Falconbridge vor dem Streik sowie während des Streiks<br />

bei ihren Kunden ansetzten. Als Ergebnis stellt die Wettbewerbsbehörde<br />

fest, dass beide Unternehmen während<br />

des Streiks den Preisaufschlag für Produkte zur Herstellung<br />

von Superlegierungen drastisch anhoben. Daraus<br />

folgert die Wettbewerbsbehörde, dass die neue Unternehmenseinheit<br />

in der Lage wäre, die Preise zu erhöhen.<br />

694. Die beiden Fälle geben Anlass zu der Frage, ob die<br />

angesprochenen Analysen tatsächlich einen zusätzlichen<br />

Erkenntnisgewinn für die Beurteilung der Zusammenschlüsse<br />

erbracht haben. In dem Verfahren Ryanair/Aer<br />

Lingus führt die Europäische Kommission zu der Frage,<br />

ob die Parteien in aktuellem Wettbewerb stehen, zunächst<br />

aus, dass die Preise der Parteien von denen der jeweils anderen<br />

Partei beeinflusst werden. Dazu trage zum einen<br />

die Preistransparenz im Flugsektor bei, zum anderen lasse<br />

sich nachweisen, dass Aer Lingus und Ryanair bei ihrer<br />

Preissetzung die Preise des jeweiligen Wettbewerbers berücksichtigten.<br />

Zudem ermittelte die Europäische Kommission,<br />

dass die Zusammenschlussbeteiligten jeweils<br />

auf die Werbekampagnen des anderen Unternehmens reagierten.<br />

In einem weiteren Schritt führte sie eine Preisregressionsanalyse<br />

durch, die ihre Erkenntnisse bestätigte.<br />

In diesem Zusammenhang räumte die Europäische<br />

Kommission selbst ein, dass ihrer Ansicht nach die oben<br />

beschriebenen Faktoren das Konkurrenzverhältnis<br />

zwischen Ryanair und Aer Lingus bereits ausreichend belegten.<br />

Allerdings hätten beide Parteien zusätzliches ökonometrisches<br />

Beweismaterial vorgelegt, das auf den Datensätzen<br />

des jeweiligen Unternehmens beruhte. Dies<br />

habe die Europäische Kommission zur Erstellung einer<br />

eigenen Studie veranlasst.<br />

695. In dem Verfahren Inco/Falconbridge hatte die<br />

Europäische Kommission bereits festgestellt, dass die<br />

neue Unternehmenseinheit 90 Prozent der Marktanteile<br />

halten wird und kein Wettbewerber hinsichtlich Qualität,<br />

Produktionskapazität und Reputation eine realistische Alternative<br />

darstellt. Außerdem hatte die Wettbewerbsbehörde<br />

hohe Marktzutrittsschranken nachgewiesen, so<br />

dass die wettbewerblichen Bedenken schon auf dieser Basis<br />

klar zutage lagen. Dennoch erfolgte zusätzlich eine<br />

umfangreiche Untersuchung der Streikauswirkungen. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass die Europäische Kommission<br />

selbst mehrmals betont, dass die Situation während<br />

des Streiks allenfalls eine vorsichtige Schätzung der Umlenkung<br />

der Umsätze von Inco auf Falconbridge zulasse.<br />

Insbesondere sei der untersuchte Streik nur von befristeter<br />

Dauer gewesen, so dass viele Abnehmer ihre Bestellungen<br />

lediglich aufgeschoben, nicht aber umgeleitet hätten.<br />

696. Nach Auffassung der Monopolkommission sollte<br />

die Europäische Kommission angesichts des hohen personellen<br />

und zeitlichen Aufwands, der mit der Erstellung<br />

ökonomischer Analysen sowohl aufseiten der Parteien<br />

und sonstiger Marktteilnehmer als auch aufseiten der<br />

Wettbewerbsbehörde verbunden ist, bestrebt sein, ihre<br />

knappen Ressourcen auf wirkliche Zweifelsfälle zu konzentrieren.<br />

Ökonomische Analysen sind bevorzugt dort<br />

einzusetzen, wo begründete Zweifel bestehen, die nicht<br />

auf weniger aufwendige Weise ausgeräumt werden können.<br />

Die Monopolkommission verkennt allerdings nicht,<br />

dass die Europäische Kommission häufig nicht die treibende<br />

Kraft ist, sondern lediglich auf ökonomische<br />

Studien vonseiten der Parteien oder Dritter reagiert. In<br />

derartigen Fällen, wie z. B. Evraz/Highveld, ist die Europäische<br />

Kommission verpflichtet, sich mit den vorgelegten<br />

Dokumenten auseinanderzusetzen, und wird im Zuge<br />

dessen häufig eigene Analysen vornehmen müssen. Dies<br />

dürfte nur dann anders sein, wenn sich die von dritter<br />

Seite erstellten Studien als offenkundig fehlerhaft erweisen<br />

und ohne weiteres zurückgewiesen werden können.<br />

697. Schwer nachvollziehbar ist die Position der Europäischen<br />

Kommission zu den in dem Verfahren Ineos/BP<br />

Dormagen von den Parteien vorgelegten Studien. Der Zusammenschluss<br />

betrifft verschiedene Märkte für Ethylenoxide,<br />

-derivate und -glykole. Bei Ethylenoxiden halten<br />

die Parteien beim Handel mit Dritten EWR-weite gemeinsame<br />

Marktanteile in Höhe von 50 bis 60 Prozent.<br />

Mit dem Vorhaben würden zwei der drei größten Produzenten<br />

zusammengeführt. Vor diesem Hintergrund hält<br />

die Europäische Kommission es für ausschlaggebend, ob<br />

die Wettbewerber über ausreichend freie Kapazitäten verfügen.<br />

Sie stellt hierzu eingehende Untersuchungen unter<br />

anderem bezüglich der gegenwärtigen Kapazitätslage und<br />

der Angebotsumstellungsflexibilität an. Ausführungen<br />

zur Umstellungsflexibilität schließen die Bewertung<br />

zweier von Ineos vorgelegter Studien ein, in der die Reaktion<br />

der Branche auf ungeplante Anlagenausfälle betrachtet<br />

wird. Die Wettbewerbsbehörde bemängelt zwar, dass<br />

die erste Studie eine aggregierte Analyse enthält, deren<br />

Ergebnisse nur die branchenweite Reaktion auf Produktionsausfälle<br />

erfasst. Solche Ergebnisse könnten nicht als<br />

Beleg dafür verwendet werden, dass die Wettbewerber in<br />

der Lage seien, ihre Produktion als Reaktion auf eine Verringerung<br />

der Produktion durch die Parteien zu erhöhen.<br />

Die zweite vorgelegte Studie habe zwar die Auswirkung<br />

von Kapazitätsausfällen in den Anlagen der Zusammenschlussbeteiligten<br />

zum Inhalt. Die Europäische Kommission<br />

erläutert jedoch ausdrücklich, dass die Daten, auf denen<br />

die Studien basieren, vergleichsweise beschränkt und<br />

möglicherweise nicht alle Ergebnisse statistisch signifikant<br />

seien. Auch in der Studie selbst werde bestätigt, dass<br />

einige der Schätzungen mit Vorsicht zu betrachten seien.<br />

Dennoch folgert die Europäische Kommission, dass die<br />

beiden Studien gemeinsam aufzeigen, dass die Wettbewerber<br />

bislang in der Lage waren, auf Kapazitätsrückgänge<br />

seitens der Parteien mit einer Steigerung der eigenen<br />

Produktion zu reagieren. Nach Auffassung der<br />

Monopolkommission ist es vorzuziehen, von den Parteien<br />

vorgelegte Studien bei massiven Zweifeln an deren Me-

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