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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 282 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

schen Kommission einen vergleichbaren Wettbewerbsdruck<br />

wie zuvor Tele.ring ausüben. Da H3G nach der<br />

Übernahme der Infrastruktur von Tele.ring über ein vollständiges<br />

Mobilfunknetz in Österreich verfüge, werde das<br />

Unternehmen unabhängig vom Inlandsroaming-Abkommen<br />

mit Mobilkom und könne seine variablen Kosten erheblich<br />

senken. Die Europäische Kommission sieht es als<br />

wahrscheinlich an, dass H3G die auf diese Weise reduzierten<br />

Kosten in Form von günstigeren Tarifen an die<br />

Kunden weitergeben und dadurch für erheblichen Preisdruck<br />

auf dem österreichischen Markt sorgen wird.<br />

687. Im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung stehen<br />

die nicht koordinierten Effekte im Oligopol. Das geschärfte<br />

Problembewusstsein für derartige Effekte führte<br />

auf europäischer Ebene in letzter Konsequenz zur Ablösung<br />

des Marktbeherrschungs- durch den SIEC-Test. In<br />

der der Reform vorangehenden Diskussion war umstritten,<br />

ob nicht koordinierte Auswirkungen im Oligopol<br />

auch im Rahmen des Marktbeherrschungstests erfasst<br />

werden können. Zum Teil wurde dies abgelehnt, weil der<br />

Marktbeherrschungstest nur solche Fälle abdecke, in denen<br />

die Zusammenschlussparteien die höchsten Marktanteile<br />

und einen deutlichen Abstand zum nachfolgenden<br />

Wettbewerber erreichten. Nach dieser Auffassung stellt<br />

der SIEC-Test für Fälle von nicht koordinierten Effekten<br />

im Oligopol einen strengeren Maßstab dar als das Marktbeherrschungskriterium.<br />

Die Gegenmeinung hält eine<br />

Subsumtion derartiger Fälle unter den Begriff der Marktbeherrschung<br />

für möglich, sofern der Begriff nicht streng<br />

marktanteilsbezogen verstanden, sondern im Sinn einer<br />

umfassenden Ermittlung von Marktmacht interpretiert<br />

wird. Für die Praxis der Europäischen Kommission muss<br />

diese Frage aufgrund der Einführung des SIEC-Tests<br />

letztlich offen bleiben. Ungeklärt bleibt auch, wie die europäische<br />

Gerichtsbarkeit in einer solchen Konstellation<br />

entschieden hätte. Im Hinblick auf die deutsche Rechtslage<br />

hat die Monopolkommission die Auffassung vertreten,<br />

dass eine Erfassung nicht koordinierter Effekte im<br />

Oligopol durch den – gegebenenfalls fortentwickelten –<br />

Begriff der Marktbeherrschung durchaus vorstellbar<br />

ist. 154<br />

688. Soweit die Europäische Kommission im vorliegenden<br />

Fall die Position von Tele.ring als besonders aktivem<br />

Wettbewerber berücksichtigt, folgt sie den in den Horizontal-Leitlinien<br />

niedergelegten Überlegungen. 155 Insbesondere<br />

Randziffer 37 setzt sich mit der Beseitigung einer<br />

besonders wichtigen Wettbewerbskraft auseinander. Hiernach<br />

haben einige Unternehmen auf den Wettbewerbsprozess<br />

einen größeren Einfluss, als anhand ihrer Marktanteile<br />

oder ähnlicher Messgrößen zu vermuten wäre. Ein<br />

Zusammenschluss unter Beteiligung eines solchen Unternehmens<br />

könne die Wettbewerbsdynamik in einer spürbar<br />

wettbewerbswidrigen Weise verändern, insbesondere<br />

wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um einen konzentrierten<br />

Markt handele. Nachvollziehbar sind auch die<br />

154 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2002/2003, a. a. O.,<br />

Tz. 229.<br />

155 Horizontal-Leitlinien, Rn. 37 f.<br />

Ausführungen der Europäischen Kommission zu den unterschiedlichen<br />

Anreizen für preisaggressives Verhalten<br />

je nach dem bereits vorhandenem Kundenstamm und der<br />

vorhandenen Auslastung des Netzes.<br />

689. Ebenfalls plausibel sind die Überlegungen der<br />

Europäischen Kommission zu den von ihr errechneten<br />

HHI-Werten. Die ermittelten Zahlen gehen weit über die<br />

Werte hinaus, die nach den Horizontal-Leitlinien als unbedenklich<br />

eingestuft werden. 156 Es trifft zwar zu, dass<br />

Netzindustrien durch hohe Skalenerträge charakterisiert<br />

und daher in der Regel hoch konzentriert sind. Ein – weiterer<br />

– Zusammenschluss kann aber nach Ansicht der<br />

Monopolkommission auch auf diesen Märkten zu fusionskontrollrechtlichen<br />

Bedenken führen. Gegen eine<br />

Sonderbehandlung von Netzindustrien spricht ferner, dass<br />

auch in anderen Branchen hohe Anfangsinvestitionen getätigt<br />

werden müssen und Skalenerträge existieren. Eine<br />

Unterscheidung der maßgeblichen HHI-Höhen je nach<br />

betroffener Branche ist nach Auffassung der Monopolkommission<br />

unpraktikabel, eine damit einhergehende<br />

Sektoralisierung der Fusionskontrollvorschriften nicht<br />

wünschenswert. Besonderheiten des Einzelfalls sollte<br />

eher dadurch Rechnung getragen werden, dass den HHI-<br />

Werten im Rahmen der Gesamtbeurteilung geringere Bedeutung<br />

beigemessen und verstärktes Gewicht auf andere<br />

Faktoren gelegt wird. Weiteren Aufschluss kann ferner<br />

eine Betrachtung der Konzentrationsentwicklung in der<br />

Vergangenheit oder im internationalen Vergleich geben.<br />

Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass der HHI<br />

nur einen von vielen Aspekten bei der fusionskontrollrechtlichen<br />

Prüfung darstellt. Wie in Randziffer 21 der<br />

Horizontal-Leitlinien ausgeführt wird, ist der ermittelte<br />

HHI lediglich ein erster Hinweis für Wettbewerbsbedenken.<br />

Er begründet jedoch für sich allein keinen hinreichenden<br />

Beleg für das Vorhandensein oder die Abwesenheit<br />

von solchen Bedenken. Diese Auffassung wird vom<br />

Gericht erster Instanz in dem Verfahren Sun Chemical/<br />

Kommission bestätigt. 157<br />

690. Die Europäische Kommission hat sich während<br />

des Berichtszeitraums mit einem weiteren Zusammenschluss<br />

auseinandergesetzt, in dem die Zusammenschlussparteien<br />

nicht Marktführer werden. In dem Fall<br />

Korsnäs/Cartonboard hat die Europäische Kommission<br />

allerdings keine Bedenken geäußert und eine bedingungslose<br />

Freigabe in der ersten Verfahrensphase erteilt. 158 Auf<br />

dem EWR-weiten Markt für Karton zur Verpackung von<br />

Flüssigkeiten ist StoraEnso mit 55 bis 70 Prozent Marktführer,<br />

während die Parteien als zweiter und dritter Wettbewerber<br />

folgen und nach dem Zusammenschluss<br />

gemeinsame Anteile in Höhe von 30 bis 40 Prozent erreichen.<br />

Obwohl der Zusammenschluss zu einer Reduzierung<br />

der großen Anbieter von drei auf zwei führt, hält die<br />

Europäische Kommission es aus verschiedenen Gründen<br />

für unwahrscheinlich, dass das Vorhaben zu negativen<br />

156 Horizontal-Leitlinien, Rn. 19 ff.<br />

157 EuG, Urteil vom 9. Juli 2007, Rs. T-282/06, Sun Chemical/Kommission,<br />

Rn. 138.<br />

158 Vgl. Tz. 730 ff.

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