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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 281 – Drucksache 16/10140<br />

Bei der Analyse der Marktanteile und der Preisentwicklung<br />

zeigt sich nach Ansicht der Europäischen Kommission,<br />

dass Tele.ring in der Vergangenheit besonders aktiv<br />

auf dem betroffenen Markt gewesen ist. Das Unternehmen<br />

habe erheblichen Wettbewerbsdruck insbesondere<br />

auf T-Mobile und Mobilkom ausgeübt und die Rolle eines<br />

„maverick“, d. h. eines besonders aggressiven Wettbewerbers<br />

oder Preisbrechers, gespielt. In den letzten drei<br />

Jahren konnte das Unternehmen seinen Marktanteil auf<br />

der Grundlage des erzielten Umsatzes mehr als verdoppeln,<br />

auf der Grundlage der Kundenzahl sogar fast verdreifachen.<br />

Aus Sicht der Europäischen Kommission sind<br />

keine weiteren Unternehmen erkennbar, die in der Vergangenheit<br />

eine ähnlich aktive Rolle wie Tele.ring gespielt<br />

haben. Zwar habe auch H3G seinen Marktanteil in<br />

den letzten 18 Monaten steigern können, es fehlten dem<br />

Unternehmen jedoch die notwendige vollständige Netzinfrastruktur<br />

und die Frequenzen, um ähnlichen Wettbewerbsdruck<br />

auf die großen Netzbetreiber auszuüben.<br />

In ihren Bedenken gegen den Zusammenschluss sieht<br />

sich die Europäische Kommission bei der Ermittlung des<br />

HHI bestätigt, der vor dem Zusammenschluss 2 500 bis<br />

3 000 und danach 3 000 bis 3 500, somit eine Veränderung<br />

von 500 bis 600 ergab. Die Parteien argumentierten<br />

zwar, dass der HHI in Österreich deutlich geringer als in<br />

vielen anderen europäischen Staaten liege, und forderten,<br />

dass in Netzindustrien andere Maßstäbe anzulegen seien.<br />

Die Europäische Kommission folgt dieser Überlegung jedoch<br />

nicht. Es handele sich im vorliegenden Fall nicht um<br />

die regulatorische Entscheidung, wie viele Netze in Österreich<br />

sinnvollerweise einzurichten seien, sondern um<br />

die fusionskontrollrechtliche Entscheidung über die geplante<br />

Konsolidierung zweier existierender Netze.<br />

684. Nach Ansicht der Europäischen Kommission waren<br />

Tele.ring und H3G bislang die Anbieter mit den<br />

stärksten Anreizen, aggressive Preisangebote auf den<br />

Markt zu bringen. Zur Erklärung führt sie an, dass die<br />

Anreize eines Betreibers, neue Kunden durch preisaggressive<br />

Angebote zu gewinnen, auf der Basis eines bestehenden<br />

Netzes durch die Größe des Kundenstamms<br />

bestimmt werde. Da die Mobiltelefonieindustrie durch<br />

hohe Investitionen für den Aufbau eines Netzes, durch<br />

die Kosten des Netzbetriebs und durch relativ geringe variable<br />

Kosten bestimmt werde, hätten Netzbetreiber<br />

zunächst den Anreiz, ihre Kapazitäten durch einen möglichst<br />

großen Kundenstamm auszulasten. Für Netzbetreiber,<br />

die einen Kundenstamm erst aufbauen müssten, sei<br />

es primär notwendig, durch preisaggressive Angebote<br />

neue Kunden zu gewinnen. Die Anreize änderten sich mit<br />

der Größe des Kundenstamms. Die Werbung neuer Kunden<br />

durch neue Angebote und preisaggressive Tarife<br />

führe zu einer geringeren Profitabilität des existierenden<br />

Kundenstammes, da die Konditionen solcher Tarife<br />

jedenfalls mittelfristig auch an die Bestandskunden weitergegeben<br />

werden müssten. Deshalb sei ein Niedrigpreisangebot<br />

zur Gewinnung von Neukunden um so unwahrscheinlicher,<br />

je größer der bestehende Kundenstamm<br />

sei. Aus diesen Überlegungen folgert die Europäische<br />

Kommission erhebliche wettbewerbliche Bedenken gegen<br />

den geplanten Zusammenschluss, weil dadurch nicht<br />

nur Tele.ring als unabhängiger Anbieter entfallen, sondern<br />

auch der Kundenstamm von T-Mobile wesentlich erweitert<br />

würde. Auf diese Weise spiele der Effekt, dass mit<br />

einer Preisreduzierung die Profitabilität des bestehenden<br />

Kundenstammes gemindert werde, während gleichzeitig<br />

die Neukunden diese Einnahmeverluste angesichts der<br />

bedeutenden Anzahl von Bestandskunden nicht ausgleichen<br />

könnten, für T-Mobile noch eine weitaus größere<br />

Rolle als bereits in der Vergangenheit. In Hinsicht auf<br />

H3G stellt die Kommission abweichende Anreizstrukturen<br />

fest, da das Unternehmen nicht über ein eigenes landesweites<br />

Netz verfüge. Der Zukauf von Mobiltelefonkapazität<br />

werde im Rahmen eines Vertrags über nationales<br />

Roaming auf der Großhandelsebene im Wesentlichen<br />

nach den in Anspruch genommenen Minuten berechnet.<br />

Es handele sich dabei um (variable) Grenzkosten, von denen<br />

anzunehmen sei, dass der Mobilfunkanbieter diese<br />

Kosten zusätzlich zu seinen anderen variablen Kosten als<br />

Preisuntergrenze für die seinen Kunden berechneten Minutenpreise<br />

ansehe. Der Mobilfunkanbieter könne bei Inanspruchnahme<br />

des Inlandsroaming insoweit keine Skalenvorteile<br />

erzielen, habe daher also weniger Anreize,<br />

neue Kunden zu gewinnen.<br />

685. Ebenfalls ausführlich befasst sich die Europäische<br />

Kommission mit den Netzkapazitäten vor und nach dem<br />

geplanten Zusammenschluss. Diese stellten eine wesentliche<br />

Voraussetzung für die Versorgung der existierenden<br />

Kunden und grundsätzlich auch einen Anreiz für die Gewinnung<br />

neuer Kunden dar. Im vorliegenden Fall beurteilt<br />

die Wettbewerbsbehörde die bestehenden Netzkapazitäten<br />

durch Vergleich aller Netze am Maßstab des<br />

Netzes von Mobilkom als dem am besten ausgebauten<br />

Netz mit den meisten abgeführten Verkehrsminuten. Bei<br />

diesem Vorgehen ergab sich, dass das Netz von Tele.ring<br />

im Vergleich zu dem Netz von Mobilkom nur noch in begrenztem<br />

Maß zusätzlichen Verkehr aufnehmen könne,<br />

während T-Mobile aufgrund einer wesentlich geringeren<br />

Auslastung noch erheblich mehr freie Kapazität besitze.<br />

ONE liege mit seinen Netzreserven zwischen Tele.ring<br />

und T-Mobile und könne daher – im Vergleich zum Referenznetz<br />

– eine größere Anzahl neuer Teilnehmer aufnehmen.<br />

Ernsthafte Bedenken resultieren nach Auffassung<br />

der Europäischen Kommission dadurch, dass mit dem<br />

Zusammenschluss nicht nur das Tele.ring-Netz eliminiert,<br />

sondern zusätzlich das T-Mobile-Netz sehr viel weitgehender<br />

ausgelastet werde als heute. Es verbleibe lediglich<br />

ONE als Anbieter mit freien Kapazitäten, was die Anreize<br />

der Netzbetreiber insgesamt senke, weitere Kunden<br />

mit niedrigen Preisen zu gewinnen.<br />

686. Aufgrund der dargestellten Wettbewerbsbedenken<br />

hat die Europäische Kommission den Zusammenschluss<br />

nur unter der Bedingung freigegeben, dass T-Mobile die<br />

zwei UMTS-Frequenzblöcke von Tele.ring veräußert.<br />

Mindestens ein Frequenzblock sowie die nicht für die<br />

Netzintegration von T-Mobile und Tele.ring erforderlichen<br />

Mobilfunkstandorte von Tele.ring sind an H3G zu<br />

übertragen. Die beiden Zusagenelemente zielen darauf<br />

ab, insbesondere die Netzressourcen von H3G strukturell<br />

zu verbessern. Mit einem landesweiten Mobilfunknetz<br />

kann das Unternehmen nach Auffassung der Europäi-

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