Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 280 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
men, welche die Musikverlage mit ihren jeweiligen<br />
Chart-Hits machen. Auf dieser Grundlage halten die<br />
Zusammenschlussbeteiligten auf den untersuchten nationalen<br />
Märkten 20 bis 40 Prozent der Anteile. Nach Auffassung<br />
der Europäischen Kommission bilden die so ermittelten<br />
Marktanteile die Stärke der verschiedenen<br />
Verlage jedoch nicht genau ab, weil vernachlässigt werde,<br />
dass für die Verwertung eines Musiktitels sämtliche Inhaber<br />
von (Co-)Verlagsrechten und Tonträgerrechten<br />
zustimmen müssen. Co-Verlagsrechte entstehen, wenn<br />
ein Lied gemeinsam von mehreren Autoren geschrieben<br />
wird, die bei verschiedenen Verlagen unter Vertrag stehen.<br />
Die Europäische Kommission folgt deshalb dem<br />
Konzept der „Kontrollbeteiligungen“ und prüft, an wie<br />
vielen Chart-Hits die Parteien solche Co-Verlagsrechte<br />
und/oder Tonträgerrechte halten. Sie kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass Universal vor dem Zusammenschluss den<br />
Zugang zu durchschnittlich 40 bis 41 Prozent der Chart-<br />
Hits kontrollierte. Dieser Anteil erhöhe sich aufgrund des<br />
Zusammenschlusses auf 49 bis 50 Prozent. 152 Daraus folgert<br />
die Europäische Kommission, dass auf bestimmten<br />
nationalen Märkten nach der Fusion deutlich weniger<br />
Möglichkeiten für Online-Musikanbieter bestehen, das<br />
Repertoire von Universal durch ein oder mehrere andere<br />
Repertoires zu substituieren. Die Europäische Kommission<br />
räumt ein, dass schon vor dem Zusammenschluss die<br />
Möglichkeit von Online-Musikveranstaltern, eine wirtschaftliche<br />
Online-Plattform für Musik ohne das Repertoire<br />
von Universal anzubieten, in gewissen Ländern<br />
eingeschränkt sei. Nach der Fusion werde diese Einschränkung<br />
jedoch noch stärker ausfallen. Das Vorhaben<br />
wurde daher nur unter Bedingungen und Auflagen freigegeben.<br />
Unter anderem mussten die Parteien mehrere ausgewählte<br />
Musikkataloge, die eine Reihe von Chart-Hits<br />
enthielten, veräußern.<br />
681. Im vorliegenden Fall hat die Europäische Kommission<br />
zu Recht festgestellt, dass die Marktposition der Parteien<br />
stärker ist, als es die Marktanteile erwarten lassen.<br />
Aufgrund des besonderen Umstandes, dass eine Verwertung<br />
von Musiktiteln nur auf der Basis von allen Co-Verlagsrechten<br />
sowie Tonträgerrechten möglich ist, stellt die<br />
Wettbewerbsbehörde zutreffenderweise auf andere Kriterien,<br />
insbesondere die „Kontrollanteile“ der Parteien und<br />
ihrer Wettbewerber, ab. Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang<br />
ferner, dass die Europäische Kommission<br />
selbst einräumt, dass die ermittelten Anteile lediglich Näherungswerte<br />
für die Stärke der Parteien darstellen, die<br />
nur einen Ausgangspunkt für die weitere Analyse bilden.<br />
3.4.1.3 Keine Marktführerschaft<br />
682. Mit Entscheidung vom 26. April 2006 hat die Europäische<br />
Kommission das Zusammenschlussvorhaben<br />
der T-Mobile Austria GmbH und der Tele.ring Unternehmensgruppe<br />
gemäß Artikel 8 Abs. 2 FKVO unter Zusagen<br />
freigegeben. Die Entscheidung ist von besonderer<br />
152 Die Kontrollbeteiligungen ergeben in der Summe mehr als<br />
100 Prozent, weil sowohl Co-Verlagsrechte als auch Tonträgerrechte<br />
in die Berechnung eingehen.<br />
Bedeutung, weil die neue Unternehmenseinheit trotz erheblicher<br />
Marktanteilsadditionen nicht Marktführer wird,<br />
sondern auf dem zweiten Platz hinter dem größten Anbieter<br />
Mobilkom verbleibt. Fallkonstellationen wie diese gaben<br />
vor einigen Jahren Anlass für eine Diskussion über<br />
mögliche Lücken der Fusionskontrollverordnung und<br />
führten zu einer Änderung des Untersagungskriteriums<br />
durch die Verordnung 139/2004. Der Zusammenschluss<br />
gilt als erster Anwendungsfall des SIEC-Tests in Bezug<br />
auf eine solche „Lücke“. Die Europäische Kommission<br />
konzentriert sich bei ihrer wettbewerblichen Beurteilung<br />
auf die nicht koordinierten Effekte des Zusammenschlusses;<br />
auf mögliche koordinierte Effekte geht sie nur ganz<br />
kurz ein. Darüber hinaus ist der Fall von besonderem Interesse,<br />
weil die Parteien Effizienzgesichtspunkte geltend<br />
gemacht haben. Diese werden von der Europäischen<br />
Kommission – mit sehr knapper Begründung – zurückgewiesen.<br />
153<br />
683. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der österreichische<br />
Markt für die Erbringung von mobilen Telekommunikationsdienstleistungen<br />
für Endkunden. Die<br />
Europäische Kommission vertritt die Auffassung, dass<br />
der geplante Zusammenschluss aufgrund nicht koordinierter<br />
Effekte zu einer erheblichen Behinderung des<br />
wirksamen Wettbewerbs auf dem betroffenen Markt führen<br />
würde. Die Wettbewerbsbehörde berücksichtigt bei<br />
ihrer Einschätzung die Marktanteilsverteilung und die<br />
Rolle von Tele.ring als „maverick“. Außerdem geht sie<br />
ausführlich auf die Anreize zu aggressiven Preisangeboten<br />
sowie auf die zu erwartenden Kapazitätsrückgänge<br />
ein. Die Europäische Kommission hält einen spürbaren<br />
Einfluss des Zusammenschlusses auf die Preise für wahrscheinlich,<br />
wenn auch nicht in Form erhöhter Preise, so<br />
doch dadurch, dass die Preise nicht mehr wie in der Vergangenheit<br />
spürbar zurückgehen würden.<br />
Nach den Ermittlungen der Europäischen Kommission<br />
betreiben auf dem österreichischen Markt vier Unternehmen<br />
Mobiltelefonienetze sowohl auf der Basis der<br />
GSM- als auch der UMTS-Technologie, nämlich Mobilkom,<br />
T-Mobile, ONE und Tele.ring. Daneben bietet H3G,<br />
eine Tochter von Hutchison, Dienstleistungen ausschließlich<br />
im UMTS-Netz an. Dieses Netz deckt derzeit allerdings<br />
nur 50 Prozent der Bevölkerung und einen noch<br />
wesentlich kleineren Teil Österreichs in geografischer<br />
Hinsicht ab; eine Vollabdeckung erreicht H3G durch Inlandsroaming-Abkommen<br />
mit Mobilkom. Alle fünf<br />
Unternehmen stellen ihren Kunden eine umfassende<br />
Dienstleistungspalette zur Verfügung. Zusätzlich zu den<br />
Netzbetreibern sind reine Diensteanbieter auf dem Markt<br />
tätig, die allerdings nach Ansicht der Kommission nur<br />
eine sehr begrenzte Rolle spielen. Die Europäische Kommission<br />
ermittelt für das Jahr 2005 folgende Marktanteile:<br />
Mobilkom hält 35 bis 45 Prozent, T-Mobile 20 bis<br />
30 Prozent, Tele.ring 10 bis 20 Prozent (gemeinsam<br />
30 bis 40 Prozent), ONE 15 bis 25 Prozent und H3G weniger<br />
als 5 Prozent.<br />
153 Vgl. Tz. 732 ff.