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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 279 – Drucksache 16/10140<br />

Veräußerung eines Werks von Falconbridge in Norwegen,<br />

wodurch sämtliche Überschneidungen entfielen.<br />

676. Verzichtet die Europäische Kommission auf eine<br />

abschließende sachliche oder räumliche Marktdefinition<br />

und lässt die genauen Marktgrenzen offen, können nach<br />

Auffassung der Monopolkommission im Anschluss ermittelte<br />

Marktanteile nur beschränkte Aussagekraft erlangen.<br />

Dies gilt mit Ausnahme der Fälle, in denen die Wettbewerbsbehörde<br />

alternative Marktdefinitionen vorschlägt<br />

und für jede Alternative gesondert die Marktanteile ausweist.<br />

In dem Verfahren Kronospan/Constantia, das sich<br />

auf verschiedene Märkte für Holzwerkstoffe für die Möbelindustrie<br />

auswirkte, hielt die Wettbewerbsbehörde eine<br />

generelle Definition der räumlichen Märkte für entbehrlich.<br />

Sie konzentrierte sich vielmehr auf die Transportkosten<br />

und stellte auf die Lieferradien um die einzelnen<br />

Produzenten ab. Im Rahmen der weiteren wettbewerblichen<br />

Prüfung ermittelte sie die Marktanteile der Parteien<br />

und Wettbewerber auf der Grundlage nationaler Märkte,<br />

die sich – wie sie selbst einräumte – nur grob mit den betroffenen<br />

Liefergebieten deckten. Vor diesem Hintergrund<br />

ist es positiv zu werten, dass die Wettbewerbsbehörde nur<br />

sehr kurz auf die Marktanteilsverteilung eingeht. Wesentlich<br />

ausführlicher beschäftigt sie sich mit den verbleibenden<br />

Lieferalternativen der Kunden in den jeweiligen Liefergebieten.<br />

Auf diese Weise bleibt die Europäische<br />

Kommission konsequent auf ihrer Argumentationslinie<br />

und misst den ermittelten Marktanteilen nur geringe Bedeutung<br />

zu.<br />

3.4.1.2 Aussagekraft von Marktanteilen<br />

677. In einigen Fällen geht die Europäische Kommission<br />

der Frage nach, ob die Marktanteile der Parteien die<br />

Position der Unternehmen am Markt korrekt widerspiegeln.<br />

Die ermittelten Marktanteile sind zwar in der Regel<br />

ein erster Anhaltspunkt für den Wettbewerbsdruck, der<br />

von einer Partei ausgeübt wird. Nicht in jedem Fall geben<br />

sie jedoch die Position der Zusammenschlussparteien zutreffend<br />

wieder. Die Europäische Kommission prüft daher,<br />

ob eine der Parteien vor dem Zusammenschluss besonderen<br />

Wettbewerbsdruck, z. B. durch niedrige Preise,<br />

hohe Rabatte oder Innovationen, ausgeübt hat.<br />

678. Der Zusammenschluss Nestlé/Novartis wirkte sich<br />

auf dem Markt für Gesundheitsnahrungsmittel, insbesondere<br />

dem Markt für enterale Ernährung, aus. 150 In Spanien<br />

hielt Novartis als Marktführer bereits vor dem Zusammenschluss<br />

35 bis 45 Prozent der Marktanteile,<br />

während die zwei nächsten Wettbewerber mit weitem Abstand<br />

folgten. Nestlé war der viertgrößte Anbieter mit einem<br />

Marktanteil von 5 bis 10 Prozent. Nach dem Zusammenschluss<br />

war ein gemeinsamer Marktanteil in Höhe<br />

von 45 bis 55 Prozent zu erwarten. Den Marktanteilszuwachs<br />

sah die Europäische Kommission zwar als relativ<br />

gering an, der von Nestlé ausgehende Wettbewerbsdruck<br />

wurde aber höher eingeschätzt. Zur Begründung erläutert<br />

150 Enterale Nahrungsmittel sind Nahrungsmittel für Patienten, die im<br />

Gegensatz zu parenteraler Nahrung über den Magen-Darm-Trakt zugeführt<br />

werden.<br />

die Europäische Kommission, dass Nestlé im Jahr 2001<br />

in den Markt eingetreten sei und seitdem eine besondere<br />

Produktstrategie verfolgt habe. Außerdem habe Nestlé einen<br />

aggressiven Preiswettbewerb mit niedrigen Preisen<br />

und hohen Rabatten geführt. Daneben verfügt das Unternehmen<br />

nach den Ermittlungen der Kommission über<br />

eine der fünf wichtigsten Marken auf dem betroffenen<br />

Markt. Mit dem Wegfall von Nestlé als Marktteilnehmer<br />

werde daher ein ganz erheblicher Wettbewerbsdruck auf<br />

Novartis eliminiert. Um die massiven Bedenken der<br />

Europäischen Kommission zu überwinden, erklärten sich<br />

die Parteien bereit, die Gesundheitsnahrungsmittelsparte<br />

von Novartis in Frankreich und von Nestlé in Spanien abzustoßen.<br />

Dadurch entfielen die festgestellten Überschneidungen.<br />

Umgekehrt kann es auch Umstände geben, bei deren Vorliegen<br />

hohen Marktanteilen weniger Bedeutung beizumessen<br />

ist. In dem Verfahren Orica/Dyno erreichten die<br />

Parteien auf dem Großhandelsmarkt für Zündsysteme einen<br />

gemeinsamen Marktanteil von 35 bis 55 Prozent. Die<br />

Europäische Kommission erhob dennoch keine Wettbewerbsbedenken,<br />

weil sie dem Vortrag der Beteiligten<br />

folgte, wonach die Marktanteile aufgrund von niedrigen<br />

Marktzutrittsbarrieren, fallenden Marktanteilen der Parteien<br />

und Überkapazitäten auf dem betroffenen Markt neu<br />

zu bewerten seien.<br />

679. Die Monopolkommission stimmt der Vorgehensweise<br />

der Europäischen Kommission zu. Marktanteile,<br />

die auf der Grundlage einer klaren Marktabgrenzung zu<br />

ermitteln sind, decken sich nicht immer mit der Stellung<br />

eines beteiligten Unternehmens am Markt. Deshalb sind<br />

Marktanteile zu relativieren, wenn ein Marktteilnehmer<br />

als besonders aggressiver Wettbewerber agiert. In diesem<br />

Sinne erläutert Randziffer 37 der Horizontal-Leitlinien,<br />

dass einige Unternehmen auf den Wettbewerbsprozess<br />

größeren Einfluss haben, als anhand ihrer Marktanteile<br />

oder ähnlicher Messgrößen zu vermuten wäre. Nach Ansicht<br />

der Monopolkommission kann es allerdings auch<br />

umgekehrt notwendig werden, hohe Marktanteile der Zusammenschlussparteien<br />

neu zu betrachten, etwa wenn die<br />

von ihnen eingesetzte Technologie veraltet ist oder die<br />

Produktion zu vergleichsweise hohen Kosten erfolgt. In<br />

einem solchen Fall üben gegebenenfalls die Konkurrenten<br />

der Zusammenschlussbeteiligten erheblichen Wettbewerbsdruck<br />

aus, ohne dass sich das bislang in hohen<br />

Marktanteilen niedergeschlagen hätte.<br />

680. Der Zusammenschluss Universal/BMG Music<br />

Publishing betrifft den Markt für Musikverlagsdienstleistungen<br />

für Urheber sowie mehrere Märkte für die Verwertung<br />

von Musikverlagsrechten. 151 Wettbewerbliche Bedenken<br />

sah die Europäische Kommission insbesondere<br />

auf dem Markt für die Verwertung von Online-Rechten<br />

und ging deshalb der Frage nach, ob Universals Position<br />

gegenüber den Online-Musikanbietern durch den Zusammenschluss<br />

erheblich verbessert werden würde. Ausgangspunkt<br />

der Marktanteilsanalyse bilden die Einnah-<br />

151 Vgl. Tz. 748 ff.

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