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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 277 – Drucksache 16/10140<br />

der vorliegenden Entscheidung geht hervor, dass es lediglich<br />

acht größere Papierhersteller gibt. Allerdings existiert<br />

nach den Ausführungen der Europäischen Kommission<br />

daneben eine nicht näher bezeichnete große Zahl von<br />

kleineren Abnehmern. Möglicherweise war dies der<br />

Grund, warum die Europäische Kommission die Betriebsstätten<br />

der Anbieter zur Grundlage der räumlichen<br />

Marktdefinition gemacht hat.<br />

3.4 Wettbewerbliche Würdigung<br />

668. Mit der Reform der Fusionskontrollverordnung,<br />

die seit dem 1. Mai 2004 gilt, stellt die erhebliche Behinderung<br />

wesentlichen Wettbewerbs (significant impediment<br />

of effective competition, SIEC) den Maßstab dar, an<br />

dem Zusammenschlüsse auf europäischer Ebene gemessen<br />

werden. War der letzte Berichtszeitraum noch durch<br />

den Übergang vom Marktbeherrschungs- zum SIEC-Test<br />

geprägt, hat sich Letzterer in den vergangenen zwei Jahren<br />

endgültig etabliert. Die Europäische Kommission<br />

stützt sich bei der Beurteilung von Fusionen nunmehr regelmäßig<br />

auf den SIEC-Test. Das Marktbeherrschungskriterium<br />

hat dennoch keineswegs völlig an Bedeutung<br />

verloren. Immerhin in fünf von zehn bedingten Freigabeentscheidungen<br />

der zweiten Phase – nämlich in den Fällen<br />

Omya/Huber, Inco/Falconbridge, Universal/BMG<br />

Music Publishing, Gaz de France/Suez sowie Dong/<br />

Elsam/EnergiE2 – stellte die Europäische Kommission<br />

auf die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden<br />

Stellung ab. 142 Das Marktbeherrschungskriterium<br />

wurde ferner in dem Verfahren Sea-Invest/EMO-<br />

EKOM, das die Europäische Kommission in der zweiten<br />

Phase ohne Bedingungen und Auflagen abschloss, geprüft.<br />

143 Vereinzelt kam der Marktbeherrschungstest in<br />

der ersten Verfahrensphase zum Zuge, beispielsweise in<br />

dem Zusammenschluss Orica/Dyno. Schließlich stützte<br />

sich die Wettbewerbsbehörde auch bei der einzigen Verbotsverfügung<br />

in den Jahren 2006/2007 – Ryanair/Aer<br />

Lingus – auf den Aspekt der Marktbeherrschung. Dies<br />

geschieht gewöhnlich dann, wenn sehr hohe gemeinsame<br />

Marktanteile bzw. monopolistische Strukturen erreicht<br />

werden. So ging die Europäische Kommission in dem<br />

Fall Sea-Invest/EMO-EKOM, in dem die Parteien gemeinsame<br />

Marktanteile in Höhe von 100 Prozent hielten,<br />

der Frage nach, ob durch den Zusammenschluss die Verstärkung<br />

einer marktbeherrschenden Stellung zu befürchten<br />

sei. In dem Zusammenschluss Inco/Falconbridge, wo<br />

mit 90 bzw. 95 Prozent fast monopolistische Stellungen<br />

auf zwei Märkten entstanden, nahm die Europäische<br />

Kommission die Entstehung von Marktbeherrschung an.<br />

Zu demselben Ergebnis kam die Wettbewerbsbehörde in<br />

der Verbotsentscheidung Ryanair/Aer Lingus, weil die<br />

142 Zur Zeit des Redaktionsschlusses war eine Entscheidung nach<br />

Artikel 8 Abs. 2 FKVO noch unveröffentlicht. Ein weiterer Zweite-<br />

Phase-Fall – Sony/BMG – wurde ebenfalls auf Grundlage des Marktbeherrschungstests<br />

geprüft. Die Prüfung erfolgte allerdings – nach<br />

Aufhebung einer ersten Freigabeentscheidung durch das EuG – auf<br />

der Basis der Verordnung 4064/89, die das SIEC-Kriterium noch<br />

nicht beinhaltete. Vgl. Tz. 620.<br />

143 Zur Zeit des Redaktionsschlusses waren zwei Entscheidungen nach<br />

Artikel 8 Abs. 1 FKVO noch unveröffentlicht.<br />

Parteien nach dem Zusammenschluss auf verschiedenen<br />

Flugstrecken jeweils 100 Prozent der Marktanteile gehalten<br />

hätten.<br />

669. Im Berichtszeitraum liegt der Schwerpunkt der behördlichen<br />

Untersuchungen auf den nicht koordinierten<br />

Effekten von Zusammenschlüssen. 144 Zum Teil werden<br />

daneben mögliche koordinierte Auswirkungen geprüft,<br />

und zwar sowohl auf denselben als auch auf weiteren von<br />

dem Zusammenschluss betroffenen Märkten, etwa in den<br />

Fällen Korsnäs/Cartonboard und Linde/BOC. In der Regel<br />

sind diese Ausführungen kurz gehalten. Nur vereinzelt<br />

spricht die Europäische Kommission wettbewerbliche<br />

Bedenken aufgrund von koordinierten Effekten aus<br />

oder hält derartige wettbewerbsbeeinträchtigende Effekte<br />

jedenfalls für möglich, so z. B. in den Fällen Linde/BOC,<br />

T-Mobile Austria/Tele.ring und Kronospan/Constantia.<br />

670. Die Europäische Kommission befasst sich überwiegend<br />

mit den Folgen horizontaler Überschneidungen<br />

in den Tätigkeitsgebieten der Fusionsparteien. In einer<br />

Reihe von Fällen geht sie zusätzlich auf die vertikalen<br />

Beziehungen der beteiligten Unternehmen ein, beispielsweise<br />

in den Verfahren Cargill/Degussa Food Ingredients,<br />

Ineos/BP Dormagen, Linde/BOC, Telefónica/O 2 und<br />

Nestlé/Novartis. Nur selten stehen die Vertikalbeziehungen<br />

im Vordergrund, wie in den Verfahren SFR/<br />

Télé2France und Thales/Finmeccanica/AAS/Telespazio.<br />

Allenfalls vereinzelt berücksichtigt die Europäische<br />

Kommission konglomerate Aspekte von Zusammenschlüssen.<br />

Dies geschieht etwa in den Fällen Danone/<br />

Numico, Metso/Aker Kvaerner sowie Korsnäs/Cartonboard.<br />

671. Marktanteile spielen weiterhin eine wichtige Rolle<br />

in der Entscheidungspraxis und bilden regelmäßig den<br />

Ausgangspunkt für die weitere wettbewerbliche Würdigung.<br />

Die Europäische Kommission betont in mehreren<br />

Entscheidungen, dass sehr hohe Marktanteile ein Indiz<br />

für die beherrschende Stellung der Zusammenschlussbeteiligten<br />

bilden. Bei hohen Marktanteilen geht sie in Einzelfällen<br />

– wie Linde/BOC und Orica/Dyno – nur noch<br />

kurz auf andere Prüfkriterien ein. Verschiedentlich, z. B.<br />

in Nestlé/Novartis und Orica/ Dyno verfolgt die Europäische<br />

Kommission die Frage, ob die ermittelten Marktanteile<br />

aufgrund besonderer Umstände zu relativieren<br />

sind. Daneben berücksichtigt sie – wie in den Verfahren<br />

Apollo/Akzo Nobel, Nestlé/Novartis und Danone/<br />

Numico – das Ausmaß des Marktanteilszuwachses. Wei-<br />

144 Laut Randziffer 22 der Horizontal-Leitlinien können Zusammenschlüsse<br />

in zweifacher Weise zu einer erheblichen Wettbewerbsbehinderung<br />

führen: erstens „durch die Beseitigung wichtigen Wettbewerbsdrucks<br />

für ein oder mehrere Unternehmen, die dadurch ihre<br />

Marktmacht erhöhen, ohne auf ein koordiniertes Verhalten zurückgreifen<br />

zu müssen (nicht koordinierte Wirkungen)“ und zweitens<br />

„durch die Änderung der Wettbewerbsfaktoren in einer Weise, dass<br />

Unternehmen, die zuvor ihr Verhalten nicht koordiniert hatten, nunmehr<br />

eher geneigt sind, in einem koordinierten Vorgehen ihre Preise<br />

zu erhöhen oder auf andere Weise einen wirksamen Wettbewerb zu<br />

schädigen. Ein Zusammenschluss kann auch für Unternehmen, die<br />

bereits vor der Fusion ihr Verhalten koordiniert haben, die Koordinierung<br />

erleichtern, stabilisieren oder sie erfolgreicher machen<br />

(koordinierte Wirkungen)“.

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