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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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Drucksache 16/10140 – 270 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />

positiv zu bewerten, dass die Europäische Kommission<br />

im Rahmen der Marktabgrenzung genauer als in früheren<br />

Entscheidungen wiedergibt, dass zu bestimmten Fragen<br />

auch unterschiedliche Meinungen seitens der Wettbewerber<br />

oder Abnehmer vertreten wurden. Ein solches Vorgehen<br />

trägt in der Regel zu einem differenzierteren Bild und<br />

einer korrekteren Erfassung der Verhältnisse auf dem betroffenen<br />

Markt bei. So verneinten laut Entscheidungsbegründung<br />

beispielsweise neun der Befragten die Frage,<br />

ob Alternativmaterialien zur Herstellung nassgelegter<br />

Vliese in Betracht gezogen werden. Vier Befragte gingen<br />

jedoch von einem allgemeinen Trend zu Alternativmaterialien<br />

aus. Vor diesem Hintergrund stellt die Europäische<br />

Kommission fest, dass nassgelegte Vliese aus Alternativmaterialien<br />

zwar nicht zum relevanten sachlichen Markt<br />

gehören, aber einen gewissen Wettbewerbsdruck auf die<br />

Zusammenschlussparteien ausüben.<br />

639. In der Entscheidung Inco/Falconbridge untersucht<br />

die Europäische Kommission den Markt für Nickelprodukte<br />

und grenzt diesen nach verschiedenen Endanwendungen<br />

– unter anderem für die Galvanisierungs- und<br />

Galvanoformungsindustrie, für die Edelstahlherstellung<br />

sowie für Superlegierungen – ab. 130 Zur Begründung<br />

führt sie im Wesentlichen die fehlende Nachfrage- und<br />

Angebotssubstituierbarkeit sowie unterschiedliche Preise<br />

an. Nach Erkenntnissen der Wettbewerbsbehörde werden<br />

die Preise für die meisten Nickelprodukte nach den Vorgaben<br />

der Londoner Metallbörse festgesetzt, wobei abhängig<br />

von den technischen Merkmalen und der vorgesehenen<br />

Endverwendung der Nickelprodukte eine gewisse<br />

Marge hinzugerechnet oder abgezogen wird. Die Europäische<br />

Kommission untersucht daneben die Korrelation<br />

zwischen den Preisaufschlägen für Nickel für die Galvanisierungs-<br />

und die Galvanoformungsindustrie einerseits<br />

und für Nickelprodukte zur Edelstahlherstellung andererseits.<br />

Sie nutzt dazu von den Parteien übermittelte Daten<br />

für den Zeitraum von Januar 2001 bis Dezember 2005<br />

und kommt zu dem Ergebnis, dass der Koeffizient der<br />

Korrelation im Bereich -0,020 liegt. Dieser Bereich sei<br />

hinreichend nahe Null für die Annahme, dass zwischen<br />

den Preisauf- bzw. -abschlägen kein statistisch signifikanter<br />

Zusammenhang bestehe und somit kein gemeinsamer<br />

sachlicher Markt existiere. Die Einwände der Zusammenschlussparteien<br />

überzeugen die Europäische Kommission<br />

zu Recht nicht. Insbesondere haben die Parteien keine Argumente<br />

dafür geliefert, dass trotz signifikanter Differenzen<br />

bei den Preisaufschlägen ein gemeinsamer Markt<br />

vorliegt. Soweit aus der öffentlichen Fassung der Entscheidung<br />

ersichtlich, hat die Europäische Kommission<br />

ferner ihre Analyse auf umfassenderes Datenmaterial gestützt<br />

als die Parteien. Schließlich hat Inco laut Entscheidung<br />

keine substantiierten Belege für die Darstellung vorgelegt,<br />

dass leistungsfähigere statistische Instrumente zu<br />

einem gegenteiligen Ergebnis führen würden.<br />

640. In dem Verfahren Omya/Huber wird die herkömmliche<br />

sachliche Marktabgrenzung durch eine ausführliche<br />

130 Vgl. Tz. 675 ff., 693 ff., 737 ff.<br />

ökonometrische Analyse ergänzt. 131 Die Europäische<br />

Kommission hat mit Entscheidung vom 19. Juli 2006 den<br />

Erwerb des amerikanischen Unternehmens Huber durch<br />

die Schweizer Firma Omya in der zweiten Verfahrensphase<br />

unter Auflagen freigegeben. Der geplante Zusammenschluss<br />

wirkt sich auf die Herstellung und Lieferung<br />

von Industriemineralen für Füll- und Streichanwendungen<br />

in der Papierindustrie aus. Zu den hier betroffenen<br />

Industriemineralen für die Papierindustrie gehören insbesondere<br />

gemahlenes Calciumcarbonat (GCC) und gefälltes<br />

Calciumcarbonat (PCC) sowie Gemische dieser beiden<br />

Produkte. Omya produziert eine breite Palette von<br />

Industriemineralen für verschiedene Wirtschaftszweige,<br />

wohingegen Huber lediglich PCC für Füllanwendungen<br />

anbietet. Weitere große Wettbewerber sind SMI und Imerys,<br />

kleiner sind Schaefer Kalk sowie Solvay.<br />

641. Im Rahmen der sachlichen Marktabgrenzung geht<br />

die Europäische Kommission zunächst der Frage nach, ob<br />

Calciumcarbonate für Füll- und für Streichanwendungen<br />

demselben Markt angehören und verneint dies nach einer<br />

Überprüfung von Nachfrage- und Angebotssubstituierbarkeit.<br />

In einem weiteren Schritt untersucht sie, ob einerseits<br />

alle Calciumcarbonate für Füllstoffe und andererseits<br />

alle Calciumcarbonate für Streichpigmente jeweils<br />

einem Markt zuzurechnen sind. Um herauszufinden, ob<br />

GCC und PCC aus Nachfragesicht austauschbar sind,<br />

nimmt die Europäische Kommission bei Füllstoffen sowohl<br />

eine herkömmliche Marktuntersuchung als auch<br />

eine ökonometrische Analyse vor. Die traditionelle<br />

Marktuntersuchung kommt laut Europäischer Kommission<br />

zu widersprüchlichen Belegen für die Austauschbarkeit<br />

von PCC und GCC. Für diese spreche, dass zahlreiche<br />

Kunden die ähnliche Qualität und die gegenseitige<br />

Substituierbarkeit der Produkte bestätigten. Mehrere Papierhersteller<br />

erklärten, dass sie im Falle eines signifikanten<br />

und dauerhaften Preisanstiegs für eines der Calciumcarbonate<br />

auf die jeweils andere Sorte umstellen würden.<br />

Die Europäische Kommission legt darüber hinaus Belege<br />

dafür vor, dass in der Vergangenheit einige Papierfabriken<br />

von der Verwendung von GCC zu PCC übergegangen<br />

sind. Sie folgert daraus, dass das Angebot von PCC für<br />

Füllstoffe einen gewissen Wettbewerbsdruck auf die<br />

Lieferanten von GCC ausübt. Andererseits stellt die<br />

Europäische Kommission fest, dass die tatsächlich wahrgenommene<br />

Substituierbarkeit in starkem Maß von der<br />

Erfahrung des Papierfabrikanten, den hergestellten Papiersorten<br />

und der eingesetzten technischen Ausrüstung<br />

abhänge. Ferner habe die Marktuntersuchung ergeben, dass<br />

eine Umstellung bei bestimmten Papiermaschinen nicht<br />

möglich sei. Eine Umstellung sei außerdem mit einigen<br />

Kosten verbunden und erfordere gegebenenfalls, eine Papiermaschine<br />

für eine bis mehrere Wochen anzuhalten. Die<br />

Kosten seien in der Praxis schwer abzuschätzen und fielen<br />

bei verschiedenen Maschinen unterschiedlich aus.<br />

642. Um ihre Thesen bezüglich des Substitutionsverhaltens<br />

der Papierhersteller zu überprüfen, führt die Europäische<br />

Kommission eine ökonometrische Studie durch. Sie<br />

131 Vgl. Tz. 664 ff.

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