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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 269 – Drucksache 16/10140<br />

FKVO, die darauf abzielten, die Dauer der fusionskontrollrechtlichen<br />

Verfahren aus Gründen der Rechtssicherheit<br />

und im Interesse der betroffenen Unternehmen zu begrenzen.<br />

Dieses Bemühen um Rechtssicherheit erfordere,<br />

dass sich die für die Prüfung eines konkreten Zusammenschlussvorhabens<br />

zuständige Behörde auf vorhersehbare<br />

Weise bestimmen lasse. Das Gebot der Zügigkeit, das die<br />

allgemeine Systematik der Fusionskontrollverordnung<br />

charakterisiere, erfordere zudem, dass die nach Artikel 1<br />

Abs. 2 und 3 sowie Artikel 5 FKVO einmal begründete<br />

Zuständigkeit der Europäischen Kommission für einen<br />

bestimmten Vorgang nicht jederzeit wieder infrage gestellt<br />

oder ständig Änderungen unterworfen werden<br />

könne. Die Europäische Kommission verliere zwar ihre<br />

Zuständigkeit für die Prüfung eines Zusammenschlusses,<br />

wenn die beteiligten Unternehmen ihr Vorhaben vollständig<br />

aufgeben. Anders verhalte es sich jedoch, wenn die<br />

Beteiligten nur für einen Teil ihres Vorhabens Änderungen<br />

vorschlagen. Solche Vorschläge könnten nicht dazu<br />

führen, dass die Europäische Kommission zur Überprüfung<br />

ihrer Zuständigkeit gezwungen werde, da andernfalls<br />

die betreffenden Unternehmen den Ablauf des Verfahrens<br />

und die Wirksamkeit der vom Gesetzgeber<br />

gewollten Kontrolle erheblich stören könnten, indem sie<br />

die Kommission zwingen, ständig ihre Zuständigkeit statt<br />

die Sache materiell-rechtlich zu prüfen. Demgemäß<br />

müsse die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörde für die<br />

Prüfung eines Zusammenschlusses zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt für die gesamte Dauer des Verfahrens feststehen.<br />

Dieser Zeitpunkt hat nach Auffassung des EuGH in<br />

engem Zusammenhang mit der Anmeldung zu stehen.<br />

3.3 Marktabgrenzung<br />

635. Es fällt auf, dass die Europäische Kommission<br />

während des Berichtszeitraums in einer Reihe von Entscheidungen<br />

die Marktabgrenzung ausführlich behandelt<br />

und dabei detaillierter als früher auf die Nachfrage- und<br />

die Angebotssubstitutierbarkeit eingeht. Bei der Marktdefinition<br />

wendet die Europäische Kommission verschiedene<br />

Analysemethoden an. Einerseits nimmt sie – wie<br />

etwa in den Fällen Cargill/Degussa Food Ingredients und<br />

Ineos/BP Dormagen – traditionelle Marktuntersuchungen<br />

vor, die im Wesentlichen in der Befragung von Wettbewerbern,<br />

Lieferanten und Nachfragern anhand von Fragebögen<br />

bestehen. Andererseits nutzt sie ökonometrische<br />

Instrumente, z. B. in den Fällen Omya/Huber, Inco/<br />

Falconbridge und Sea-Invest/ EMO-EKOM, und zwar sowohl<br />

im Rahmen der sachlichen als auch der räumlichen<br />

Marktabgrenzung. Soweit ersichtlich, überwiegen selbst<br />

in den Zweite-Phase-Verfahren die Fälle, in denen die<br />

Marktabgrenzung auf der Grundlage einer traditionellen<br />

Marktuntersuchung vorgenommen wird. Es gibt aber<br />

auch Entscheidungen wie Omya/Huber, bei denen die<br />

Europäische Kommission die durchgeführte Anbieterund<br />

Kundenbefragung um eine ökonometrische Untersuchung<br />

ergänzt, oder Sea-Invest/EMO-EKOM, bei denen<br />

die quantitative Analyse im Vordergrund steht.<br />

636. Bemerkenswert ist die Entwicklung hin zu einer<br />

weniger starren Marktabgrenzung, die im Berichtszeitraum<br />

zu erkennen ist. In mehreren Fällen – unter anderem<br />

in den Entscheidungen Omya/Huber, Glatfelder/<br />

Crompton und Travelport/Worldspan – wird eine gewisse<br />

Aufweichung von Marktgrenzen sichtbar. In der Praxis<br />

definiert die Europäische Kommission zwar einen relevanten<br />

sachlichen Markt – oft unter explizitem Ausschluss<br />

bestimmter benachbarter Produkte. Gleichzeitig<br />

erklärt sie aber, dass von diesen benachbarten Produkten<br />

ein gewisser Wettbewerbsdruck auf die Zusammenschlussparteien<br />

ausgehe bzw. nicht ausgeschlossen werden<br />

könne und deshalb bei der weiteren wettbewerblichen<br />

Würdigung zu berücksichtigen sei.<br />

3.3.1 Traditionelle Marktuntersuchung und<br />

ökonometrische Verfahren<br />

637. In dem Verfahren Glatfelder/Crompton, das die<br />

Europäische Kommission am 20. Dezember 2006 mit einer<br />

Freigabe ohne Auflagen gemäß Artikel 8 Abs. 1<br />

FKVO abgeschlossen hat, wird die Marktdefinition nach<br />

der traditionellen Methode vorgenommen. 129 Auffällig<br />

ist, dass die Europäische Kommission gleich zu Beginn<br />

ihrer Entscheidung darlegt, welche Unternehmen und Institutionen<br />

befragt worden sind und Informationen geliefert<br />

haben. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die<br />

Herstellung von Vliesen, die für verschiedene Zwecke<br />

(z. B. Tee- und Kaffeefiltration, Batterieanwendungen)<br />

eingesetzt werden. Laut Angaben der Europäischen Kommission<br />

wurden Fragebögen an alle Lieferanten und Abnehmer<br />

von nassgelegten Vliesen, an Kunden, die solche<br />

Vliese zur Getränkefiltration verwenden, und an Kunden,<br />

die diese Vliese für Batterieanwendungen einsetzen, geschickt.<br />

Bei der Wettbewerbsbehörde seien Antworten<br />

von vier Lieferanten, von 16 Abnehmern aus dem Bereich<br />

der Getränkefiltration und von vier Batterieherstellern<br />

eingegangen. Außerdem wird angeführt, dass die<br />

Antworten sowohl von Klein- als auch von Großabnehmern<br />

stammen, wobei eine große Mehrheit der Großabnehmer<br />

geantwortet habe. Aus der Darstellung geht weiter<br />

hervor, dass die Europäische Kommission andere<br />

beteiligte Unternehmen, Lieferanten der Ausgangsstoffe,<br />

einen Hersteller von Ausrüstungen für die Vliesproduktion<br />

sowie eine unabhängige Zertifizierungsstelle befragt<br />

hat. Zudem wird berichtet, dass Glatfelter mehrfach Angaben<br />

– teilweise nach Aufforderung – nachgereicht hat.<br />

638. Die Monopolkommission begrüßt die Bemühungen<br />

der Europäischen Kommission, ihre Informationsquellen<br />

transparenter zu gestalten. In den meisten Entscheidungen<br />

wird nur allgemein auf die Antworten der<br />

befragten Unternehmen und Institutionen verwiesen,<br />

ohne dass erkennbar wird, wer im Einzelnen befragt<br />

wurde und wer bzw. wie viele der Befragten geantwortet<br />

haben. Einige solcher Unklarheiten beseitigt die Europäische<br />

Kommission in der vorliegenden Entscheidung. Offen<br />

bleibt allerdings auch hier die genaue Zahl der befragten<br />

Lieferanten und Abnehmer und daraus folgend das<br />

Gewicht, das den konkret bezifferten, abgegebenen Antworten<br />

beizumessen ist. Künftige Entscheidungen sollten<br />

deshalb entsprechende Angaben enthalten. Ferner ist<br />

129 Vgl. Tz. 647 ff., 706 ff.

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