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Deutscher Bundestag Unterrichtung

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 267 – Drucksache 16/10140<br />

scheidung der CNE neue Auflagen fest. Nach Auffassung<br />

der Europäischen Kommission waren auch diese geänderten<br />

Auflagen unvereinbar mit den Bestimmungen des<br />

EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit.<br />

Daneben wurde ein Verstoß gegen<br />

die Regel des freien Warenverkehrs konstatiert. Die Europäische<br />

Kommission erließ daraufhin im Dezember 2006<br />

eine zweite Verfügung nach Artikel 21 FKVO. Spanien<br />

wurde eine Frist bis zum 19. Januar 2007 eingeräumt, um<br />

die geänderten Auflagen aufzuheben.<br />

Im März 2007 vereinbarten die italienische Enel und die<br />

spanische Acciona, die gemeinsame Kontrolle über Endesa<br />

zu übernehmen und ein gemeinsames Angebot für<br />

die Endesa-Aktien abzugeben, die sich noch nicht in ihrer<br />

Kontrolle befanden. Anfang April einigten sich Enel,<br />

Acciona und E.ON darauf, dass Enel und Endesa bestimmte<br />

Rechte und Vermögenswerte auf E.ON übertragen.<br />

Im Juli 2007 genehmigte die Europäische Kommission<br />

das Vorhaben Enel/Acciona/Endesa in der ersten<br />

Verfahrensphase ohne Bedingungen und Auflagen. Ebenfalls<br />

im Juli 2007 knüpfte die CNE den Zusammenschluss<br />

an bestimmte Bedingungen, die im Oktober zum<br />

Teil geändert wurden. Die geänderten Bedingungen unterschieden<br />

sich nicht wesentlich von denen, die an den<br />

Zusammenschluss E.ON/Endesa geknüpft waren. Die<br />

Europäische Kommission erließ daraufhin im Dezember<br />

2007 eine weitere Verfügung nach Artikel 21 FKVO, die<br />

wiederum auf der fehlenden <strong>Unterrichtung</strong> und Zustimmung<br />

der Europäischen Kommission sowie den Verstößen<br />

gegen die Grundsätze des freien Kapital- und Warenverkehrs<br />

und der Niederlassungsfreiheit beruhte.<br />

628. Der geschilderte Fall macht die Gefahr industriepolitischer<br />

Einflussnahme seitens der Mitgliedstaaten in<br />

besonders gravierender Weise deutlich. Spanien hatte vor<br />

dem Angebot durch E.ON bereits die Übernahme<br />

Endesas durch das ebenfalls spanische, in Katalonien<br />

ansässige Unternehmen Gas Natural genehmigt. Diese<br />

Genehmigung war erfolgt, obwohl die spanische Wettbewerbsbehörde<br />

sich gegen den Zusammenschluss ausgesprochen<br />

hatte. Die spanische Regierung hatte das Vorhaben<br />

dennoch offen unterstützt und die Schaffung eines<br />

nationalen Energiechampions favorisiert. Zur Begründung<br />

führte die spanische Regierung Gemeinwohlgründe<br />

sowie den Schutz eines strategischen Wirtschaftszweigs<br />

an. Insbesondere hätte das zusammengefasste Unternehmen<br />

nach Ansicht der Regierung als erstes integriertes<br />

Gas- und Stromunternehmen Spaniens über eine größere<br />

Verhandlungsmacht verfügt.<br />

Selbst mehrere Entscheidungen der Europäischen Kommission<br />

nach Artikel 21 FKVO sowie die Einleitung von<br />

zwei Vertragsverletzungsverfahren konnten die spanische<br />

Regierung nur wenig beeindrucken. Um so bedauerlicher<br />

ist es nach Auffassung der Monopolkommission, dass die<br />

spanische Regierung sich mit ihrem Plan, einen aus ihrer<br />

Sicht unliebsamen Zusammenschluss zu verhindern,<br />

durchsetzen konnte. Schon allein die durch staatliche<br />

Maßnahmen hervorgerufene Verzögerung erschwerte<br />

E.ON den Erwerb von Endesa. Die Verzögerung verschaffte<br />

außerdem Acciona und Enel die Möglichkeit des<br />

Aktienkaufs, der in einem gemeinsamen Angebot zum<br />

Erwerb von Endesa mündete. Dabei ist der vorliegende<br />

Fall bei weitem nicht das einzige Beispiel für Versuche<br />

politischer Einflussnahme seitens nationaler Regierungen.<br />

Hier sei nur daran erinnert, dass in Frankreich die<br />

Versorger GdF und Suez fusionierten, um den Erwerb<br />

von Suez durch die italienische Enel zu verhindern. Über<br />

politische Einflussnahme wurde während des Berichtszeitraums<br />

ferner in den Zusammenschlüssen Mittal/<br />

Arcelor sowie Abertis/Autostrade berichtet.<br />

629. Die Monopolkommission lehnt mitgliedstaatliche<br />

Eingriffe in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen<br />

Kommission bei Zusammenschlussfällen strikt<br />

ab. Sie wendet sich nachdrücklich gegen eine nationale<br />

Politik, die die Bildung von inländischen Champions fördert<br />

und die Belange der Wettbewerbspolitik gegenüber<br />

industriepolitischen Interessen zurückstellt. 122 Sie erinnert<br />

in diesem Zusammenhang daran, dass derartige Eingriffe<br />

letztlich zulasten der Verbraucher, im vorliegenden<br />

Fall insbesondere der spanischen Energiekunden, gehen.<br />

Nach Auffassung der Monopolkommission ist es von essenzieller<br />

Bedeutung zu gewährleisten, dass für alle<br />

Unternehmen, deren Zusammenschlussvorhaben in die<br />

Zuständigkeit der Europäischen Kommission fallen, dieselben<br />

Regeln gelten. Die Monopolkommission unterstützt<br />

deshalb ausdrücklich die Maßnahmen, welche die<br />

Europäische Kommission im vorliegenden Fall getroffen<br />

hat. Nach Auffassung der Monopolkommission sollte die<br />

Europäische Kommission alle ihr zu Gebote stehenden<br />

Mittel und Sanktionen ausschöpfen, um Spanien zur<br />

Rücknahme der ausgesprochenen Auflagen zu bewegen<br />

und damit auch ein Zeichen im Hinblick auf andere Mitgliedstaaten<br />

zu setzen. 123<br />

3.2.2 Umsatzzurechnung im Luftverkehr<br />

630. Ryanair meldete am 30. Oktober 2006 sein Vorhaben<br />

in Brüssel an, die alleinige Kontrolle über Aer Lingus<br />

zu übernehmen. 124 Die beteiligten Unternehmen sind<br />

Fluggesellschaften, die Kurzstrecken-Linienflüge anbieten<br />

und jeweils über eine große, wichtige Basis am Dubliner<br />

Flughafen verfügen. Die Zuständigkeit der Europäischen<br />

Kommission nach Artikel 1 Abs. 2 FKVO war<br />

ausgeschlossen, weil die Parteien die erforderliche 5 Mrd.<br />

Euro-Umsatzgrenze nicht erreichten. Für die Anwendung<br />

des Artikel 1 Abs. 3 FKVO war entscheidend, ob die Umsätze<br />

der Zusammenschlussbeteiligten zusammen in mindestens<br />

drei Mitgliedstaaten mehr als 100 Mio. Euro und<br />

einzeln in mindestens drei dieser Mitgliedstaaten mehr als<br />

25 Mio. Euro betrugen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt<br />

waren, hing von der örtlichen Zuordnung der auf Hinund<br />

Rückflügen erzielten Umsätze ab. Laut Artikel 5<br />

Abs. 1 FKVO umfasst der in der Gemeinschaft oder einem<br />

Mitgliedstaat erzielte Umsatz den Umsatz, der mit<br />

122 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2002/2003, a. a. O.,<br />

Tz. 1 ff.<br />

123 Der EuGH hat im März 2008 entschieden, dass Spanien mit den gegen<br />

E.ON verhängten Auflagen gegen Artikel 21 FKVO verstoßen<br />

hat; Urteil vom 6. März 2008, Rs. C-196/07.<br />

124 Vgl. Tz. 692 ff., 757 ff.

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