Deutscher Bundestag Unterrichtung
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode – 261 – Drucksache 16/10140<br />
nen Netzgebiet. Wettbewerb entsteht nur dort, wo sich<br />
größere NE 4- oder integrierte NE 3/4-Betreiber um diese<br />
Verträge bewerben und Stichleitungen von ihrem Netz<br />
zum neu zu versorgenden Areal legen. In den Fällen, in<br />
denen KDG um die Gestattungsverträge konkurrierende<br />
NE 4-Betreiber mit Rundfunksignalen beliefert, bestimmt<br />
KDG deren Leistungsangebot mit. Der Zusammenschluss<br />
bedeutet das Ausscheiden eines weiteren Wettbewerbers<br />
und damit eine weitere marktstrukturelle Verschlechterung<br />
zugunsten der Stellung der KDG.<br />
608. Das Bundeskartellamt gab das Zusammenschlussvorhaben<br />
unter Anwendung der Abwägungsklausel nach<br />
§ 36 Abs. 1 Halbs. 2 GWB dennoch frei, weil die beteiligten<br />
Unternehmen nachweisen konnten, dass der<br />
Zusammenschluss Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen<br />
auf den Märkten für Internet- und Telefoniedienste<br />
zur Folge haben wird, welche die wettbewerblichen<br />
Nachteile infolge des Zusammenschlusses für den<br />
Wettbewerb auf den Kabelmärkten überwiegen. Infolge<br />
des Zusammenschlusses wird die KDG in der Lage sein,<br />
über 800 000 Haushalten in ihrem Netzgebiet sog. breitund<br />
schmalbandige Anschlüsse, d. h. Internet und Telefonie<br />
zusätzlich zum Rundfunksignal über das Breitbandkabel<br />
anzubieten („Triple Play“). Die Netze auf der vorgelagerten<br />
Stufe der NE 3 wurden durch die KDG größtenteils<br />
bereits ausgebaut. Durch den Zusammenschluss kann die<br />
KDG vorhandene Teilnetze zusammenführen und – ausgestattet<br />
mit der rechtlichen und technischen Verfügungsmacht<br />
über die NE 3 und 4 – alle weiteren erforderlichen<br />
Investitionen für das Angebot von Internet- und Telefoniediensten<br />
besser koordinieren. Die Verhältnisse auf<br />
dem Markt für Breitbandanschlussprodukte legen eine<br />
zeitnahe Fertigstellung des Netzbaus nahe, weil der Vorsprung<br />
der DSL-Technologie nur noch in der Expansionsphase<br />
des Marktes aufgeholt werden kann. Diese hält<br />
nach Ansicht des Bundeskartellamtes nur noch zwei bis<br />
drei Jahre an. Anschließend werde der Markt gesättigt<br />
sein. Das Amt hält die zeitnahe Vermarktung entsprechender<br />
Angebote durch KDG für möglich und vor dem<br />
Hintergrund der gegenwärtigen Wettbewerbsbedingungen<br />
auch für hinreichend wahrscheinlich. Ohne die Freigabe<br />
des Zusammenschlussvorhabens erwartet die Wettbewerbsbehörde<br />
vergleichbare Angebote überhaupt nicht<br />
oder erst zu einem späteren Zeitpunkt.<br />
609. Bei den Verbesserungswirkungen infolge des Zusammenschlusses<br />
handelt es sich durch das Angebot von<br />
Internet- und Telefoniediensten über das Breitbandkabel<br />
um die Intensivierung von Infrastrukturwettbewerb, der<br />
von den Vorleistungen der auf den Telekommunikationsmärkten<br />
weiterhin marktbeherrschenden Deutschen Telekom<br />
AG (DTAG) nahezu unabhängig sein wird. Bis dato<br />
sind die meisten aktuellen Wettbewerber, speziell die sog.<br />
Reseller, die keine eigene Infrastruktur besitzen und die<br />
Anschlussprodukte der DTAG weitervermarkten, in erheblichem<br />
Umfang von den regulierten Vorleistungen der<br />
DTAG abhängig. Etwa 70 bis 80 Prozent der Wertschöpfung<br />
im Resale-Bereich verbleiben beim Betreiber der Infrastruktur,<br />
so dass die DTAG in jedem Fall an der Wertschöpfung<br />
ihrer Wettbewerber in großem Umfang<br />
teilhat. 106 Entscheidend für die Abwägung, ob und inwie-<br />
weit der Zusammenschluss Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen<br />
auf den Märkten für Internet- und Telefoniedienste<br />
bewirkt, welche die wettbewerblichen<br />
Nachteile für den Wettbewerb auf den Kabelmärkten<br />
überwiegen, ist der Vergleich der gesamtwirtschaftlichen<br />
Bedeutung der betroffenen Märkte anhand ihrer Marktvolumina.<br />
Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die<br />
Märkte für Internet- und Telefoniedienste mit einem<br />
Marktvolumen von mindestens 10 Mrd. Euro wesentlich<br />
größer als die Kabelmärkte sind, die lediglich 1 bis<br />
2 Mrd. Euro Marktvolumen aufweisen.<br />
610. Von Bedeutung ist der Beschluss im Zusammenhang<br />
mit der Anwendung der Abwägungsklausel insofern,<br />
als die KDG bereits im Jahr 2004 bei Anmeldung<br />
des Vorhabens, die damals drei anderen regionalen Kabelnetzbetreiber<br />
ish, iesy und KBW zu übernehmen, gegenüber<br />
dem Bundeskartellamt die Zusage gemacht hatte,<br />
die technischen Voraussetzungen für das Angebot von Internet-<br />
und Telefoniediensten über das Kabelnetz zu<br />
schaffen, und auf die zu erwartenden Verbesserungswirkungen<br />
auf den betreffenden Märkten im Zusammenhang<br />
mit der Abwägungsklausel verwiesen hatte. Die Zusagen<br />
berücksichtigte das Bundeskartellamt unter anderem deshalb<br />
nicht, weil es sich nach Ansicht des Amtes um Investitions-<br />
und Verhaltenszusagen handelte, die einer laufenden<br />
Kontrolle bedurft hätten. Derartige Zusagen<br />
waren nach Ansicht der Wettbewerbsbehörde nicht mit<br />
dem Ziel zu vereinbaren gewesen, Wettbewerbsstrukturen<br />
auf anderen Märkten zu verbessern, ohne dass weitere<br />
über die Missbrauchsaufsicht hinausgehende Eingriffe erforderlich<br />
gewesen wären. Diese waren nach Ansicht des<br />
Bundeskartellamtes daher auch rechtlich nicht zulässig. 107<br />
Sie folgte dem Antrag der KDG nicht und mahnte die drei<br />
Zusammenschlussvorhaben mit ish, iesy und KBW ab.<br />
KDG zog daraufhin die Anmeldungen zurück. Im aktuellen<br />
Verfahren vertrat das Bundeskartellamt die Ansicht,<br />
dass die Notwendigkeit für weitere Investitionen in die<br />
Netzinfrastruktur die Anwendung der Abwägungsklausel<br />
nicht prinzipiell ausschließe. Auch nach Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichtshofs sei in diesem Zusammenhang nur<br />
maßgeblich, ob die Marktverhältnisse den Anbietern nahe<br />
legen, ihre Ressourcen so einzusetzen, dass das zugesagte<br />
Investitionsverhalten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit<br />
erwartet werden kann. 108<br />
106 Ein höherer Wertschöpfungsanteil verbleibt den Resellern erst mit<br />
dem Bitstromzugang, ein reguliertes Vorleistungsprodukt, das den alternativen<br />
Anbietern ermöglicht, auf die letzte Meile des marktbeherrschenden<br />
Anbieters und weitere Netzkomponenten (DSLAM<br />
und Konzentratornetz) mit individuellen Leistungsparametern zuzugreifen.<br />
107 Vgl. BKartA, Pressemeldung vom 22. September 2004, „Antrag bei<br />
Bundeskartellamt zur Übernahme von ish, KBW und iesy durch<br />
KDG zurückgenommen“; dass., Abmahnung im Verfahren KDG/<br />
KBW, B7 – 70/04, S. 64 f.; dass., Abmahnung im Verfahren KDG/<br />
ish, B7 – 80/04, S. 64 f.; dass., Abmahnung im Verfahren KDG/iesy,<br />
B7 – 90/04, S. 64 f.<br />
108 Vgl. z. B. BGH, Beschluss vom 8. Februar 1994, KVR 8/93, WuW/E<br />
BGH 2899, 2903 „Anzeigenblätter II“ zur Frage der Berücksichtigung<br />
eines Finanzkraftzuwachses bei einem Unternehmen, das diesen<br />
dann möglicherweise für Wettbewerbsimpulse auf einem Verbesserungsmarkt<br />
hätte verwenden können.