Deutscher Bundestag Unterrichtung
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Drucksache 16/10140 – 260 – <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – 16. Wahlperiode<br />
604. Das Bundeskartellamt hat Vorhaben der E.ON<br />
Avacon, ihre Beteiligung an der WEVG Wasser- und<br />
Energieversorgungsgesellschaft GmbH Salzgitter aufzustocken,<br />
unter aufschiebender Bedingung freigegeben. 103<br />
E.ON Avacon hat zugesagt, seine Minderheitsbeteiligungen<br />
an zwei Stadtwerken (Stadtwerke Stendal und Stadtwerke<br />
Nienburg/Weser) zu verkaufen. Auch hier sieht das<br />
Bundeskartellamt im Rahmen seiner Abwägung den vollständigen<br />
Rückzug in Form der Veräußerung der Anteile<br />
an den Stadtwerken Stendal und den Stadtwerken Nienburg/Weser<br />
als qualitativ und quantitativ geeignet an, die<br />
wettbewerblich negativen Wirkungen mindestens zu<br />
kompensieren.<br />
605. Mitte Dezember 2007 hat das Bundeskartellamt<br />
ein Fusionskontrollverfahren zu einem geplanten Zusammenschluss<br />
im Bereich der Breitbandkabelnetze eröffnet.<br />
Die Kabel Deutschland GmbH (KDG) hatte die Absicht<br />
angemeldet, sieben Tochtergesellschaften der Orion Cable<br />
zu übernehmen. Das Amt ist zu dem Ergebnis gekommen,<br />
dass der Zusammenschluss zu einer Verstärkung der<br />
marktbeherrschenden Stellung der KDG auf dem Einspeisemarkt,<br />
dem Signallieferungsmarkt und dem Endkundenmarkt<br />
führt. Die Unternehmen konnten jedoch nachweisen,<br />
dass der Zusammenschluss Verbesserungen der<br />
Wettbewerbsbedingungen auf den Märkten für Internetund<br />
Telefoniedienste bewirkt, welche die wettbewerblichen<br />
Nachteile infolge des Zusammenschlusses auf den<br />
Kabelmärkten überwiegen. Das Bundeskartellamt gab<br />
den Erwerb daraufhin Anfang April 2008 unter Anwendung<br />
der Abwägungsklausel nach § 36 Abs. 1 Halbsatz 2<br />
GWB frei. Interessant ist dieser Beschluss insofern, als<br />
die KDG bereits im Jahr 2004 bei Anmeldung von drei<br />
Zusammenschlussvorhaben mit den damaligen regionalen<br />
Kabelnetzgesellschaften ish, iesy und Kabel Baden-<br />
Württemberg (KBW) gegenüber dem Bundeskartellamt<br />
die Zusage gemacht hatte, die technischen Voraussetzungen<br />
für das Angebot von Internet- und Telefoniediensten<br />
über das Kabelnetz zu schaffen, und auf die Anwendung<br />
der Abwägungsklausel verwiesen hatte. Das Amt hielt<br />
diese Ankündigungen angesichts des damaligen Status<br />
quo des Netzausbaus durch KDG noch für zu unsicher,<br />
war dem Antrag deshalb nicht gefolgt und hatte das Vorhaben<br />
abgemahnt. Daraufhin zog KDG die Zusammenschlussvorhaben<br />
zurück. 104<br />
606. KDG ist einer von drei regionalen Kabelnetzbetreibern<br />
in Deutschland. KDG betreibt Kabelnetze der Netzebene<br />
(NE) 3 in allen Regionen Deutschlands, außer in<br />
Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg,<br />
und versorgt rund 9 Millionen Haushalte. 105 Die erworbenen<br />
Unternehmen betreiben Kabelnetze überwiegend der<br />
NE 4 in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-<br />
103 BKartA, Beschluss vom 19. Dezember 2007, B8 – 123/07.<br />
104 Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 2004/2005, a. a. O.,<br />
Tz. 553 ff.<br />
105 Die beiden anderen regionalen Kabelnetzbetreiber sind Unitymedia<br />
mit 4,8 Millionen angeschlossenen Haushalten in Hessen und Nordrhein-Westfalen,<br />
im Juni 2005 hervorgegangen aus den Unternehmen<br />
ish und iesy, sowie KBW mit 2,3 Millionen angeschlossenen Haushalten<br />
in Baden-Württemberg.<br />
Vorpommern, Niedersachsen, Bremen, Rheinland-Pfalz,<br />
Saarland und Bayern. Der Zusammenschluss betrifft insgesamt<br />
rund 1,2 Millionen Haushalte. Die Beziehungen<br />
der Marktteilnehmer über die verschiedenen von dem Zusammenschluss<br />
betroffenen Netzebenen und Märkte ist in<br />
Abbildung IV.2 dargestellt. Die Programmanbieter fragen<br />
bei den Kabelnetzbetreibern der NE 3 die Leistung der<br />
Einspeisung der Rundfunksignale ins Breitbandkabel<br />
nach. Räumlich werden die Einspeisemärkte durch die<br />
Netze der drei Regionalgesellschaften abgegrenzt. Die<br />
Kabelnetzbetreiber leiten die Signale zu den Übergabepunkten<br />
an den privaten Grundstücksgrenzen weiter. Bei<br />
dieser sog. Signallieferung werden sachlich zwei separate<br />
Märkte unterschieden, abhängig davon, ob zwischen dem<br />
NE 3-Betreiber und dem Endkunden noch ein Betreiber<br />
der NE 4 zwischengeschaltet ist oder nicht. Die NE 4<br />
beinhaltet den Betrieb des Kabelnetzes im Gebäude des<br />
Empfängers. Unternehmen der NE 4 beziehen ihr Signal<br />
überwiegend von Anbietern der NE 3. Es gibt auch<br />
NE 4-Betreiber, die nach dem Aufbau einer Kabelkopfstation<br />
oder Satelliten-Gemeinschaftsanlage von der NE 3<br />
unabhängig sind. In anderen Fällen existieren keine<br />
NE 4-Betreiber, dann bezieht der Endkunde das Signal<br />
direkt vom Betreiber der NE 3. Marktgegenseite auf den<br />
Endkundenmärkten sind Eigentümer, private Vermieter<br />
und Wohnungsbaugesellschaften. Eigentümer und private<br />
Vermieter holen in der Regel nur das Angebot des nächstliegenden<br />
NE 3-Betreibers ein, während Wohnungsbaugesellschaften<br />
die Versorgungsaufträge in Form sog. Gestattungsverträge<br />
bundesweit ausschreiben.<br />
607. Das Bundeskartellamt stellte fest, dass der Zusammenschluss<br />
zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden<br />
Stellung der KDG auf dem Einspeisemarkt, dem<br />
Signallieferungsmarkt und dem Endkundenmarkt führe.<br />
Das Amt argumentiert im Folgenden, dass die KDG auf<br />
dem Markt für die analoge und digitale Einspeisung von<br />
Rundfunksignalen in das Breitbandkabelnetz über eine<br />
marktbeherrschende Stellung verfügt, weil Endkunden,<br />
die über das Netz der KDG versorgt werden, nur über dieses<br />
Netz erreicht werden können. Nach dem Zusammenschluss<br />
wird KDG die Netzabschnitte der Orion-Gesellschaften,<br />
die ihr Signal bisher von konkurrierenden<br />
Anbietern oder über Kabelkopfstationen oder Satelliten-<br />
Gemeinschaftsanlagen bezogen, an das Kabelnetz der NE 3<br />
ankoppeln. Durch die Reichweitenausdehnung und die<br />
Sicherung der bestehenden Reichweite führt der Zusammenschluss<br />
zu einer Verbesserung der Wettbewerbsposition<br />
und damit zur Verstärkung der marktbeherrschenden<br />
Stellung von KDG auf diesem Markt. Auf den Signallieferungsmärkten<br />
verfügt KDG mit einem Marktanteil von<br />
rund 90 Prozent in ihrem Netzgebiet über eine marktbeherrschende<br />
Stellung. Die vertikale Integration der sieben<br />
Orion-Gesellschaften mit KDG bedeutet eine weitere<br />
Verschlechterung der Wettbewerbsstrukturen, weil die<br />
Orion-Töchter als NE 4-Betreiber nach erfolgter Übernahme<br />
über ihren Vorlieferanten auf NE 3 nicht mehr entscheiden<br />
können. Ebenso ist die Stellung der KDG auf<br />
dem Endkundenmarkt marktbeherrschend. Im Wettbewerb<br />
um die Gestattungsverträge für die Versorgung von<br />
Mietwohnungen beschränken sich die drei Regionalgesellschaften<br />
typischerweise auf Angebote in ihrem eige-